Ein Cyberpunk-Architekt

Von Julia Macher |
"Hackitectura", zu Deutsch "Hackitektur", nennt Pablo de Soto den Ansatz, den er mit Freunden entwickelt hat. Sie untersuchen, wie digitale Räume reale Orte verändern können. So verwandelten sie einen Panzer in ein pazifistisches High-Tech-Gefährt, das statt Munition MP3s, Videos und Bilder abfeuert oder feierten im Niemandsland eine High-Tech-Party.
Pablo de Soto sitzt in einer Cafeteria an der Hafenpromenade. Es ist ein grauer Wintertag. Leichter Nieselregen fällt auf die vor sich hinrostenden Kräne der alten Werften. Daneben stehen neue Bürogebäude, deren Fassade gekrümmt ist wie der Bug eines Ozeandampfers. Den Treffpunkt hat Pablo de Soto gewählt. Er mag diesen Ort, weil sich in ihm all das versammelt, was seine Heimatstadt - und auch ihn – ausmacht:

" Wenn ich hierher zurückkehre, fällt mir jedes Mal die Melancholie der Menschen auf. (…) Und gleichzeitig hat Gijón das Gute seiner Arbeitertradition bewahrt: Anders als in den eher landwirtschaftlichen Regionen Spaniens haben sich die Menschen hier in Gewerkschaften organisiert, gekämpft, es gab eine soziale Revolution. "

Pablo de Soto, 30 Jahre alt, wacher Blick, trägt einen dunkelblauen Trainingsanzug und hat die halblangen schwarzen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Unruhig rutscht er auf seinem Stuhl hin und her. Gerade ist er von einer Reise durch Kasachstan zurückgekehrt, mit Zwischenstopp in Sevilla, wo er mit seiner Freundin lebt, und Barcelona. Ganz angekommen ist er noch nicht. Seit zwölf Jahren pendelt der Medienkünstler zwischen Großstädten, Kontinenten und all den Orten, die er selbst geschaffen hat – an der Schnittstelle zwischen realer und digitaler Welt.

" Cyberpunk-Architekt. Ja, das passt. Ich bin ein Cyberpunk-Architekt. "

Studiert hat Pablo de Soto beides: Cyberpunk durch die Lektüre der düsteren Science-Fiction-Romane von William Gibson. Architektur ganz konventionell Mitte der Neunziger Jahre in Sevilla.

" Das Internet von damals hatte mit dem von heute nichts zu tun: Die großen Firmen hatten das Netz noch nicht entdeckt. Diese ganze Welt musste neu erfunden werden. Warum sollten also nicht auch die Architekten darin bauen? "

"Hackitectura", "Hackitektur" nennt Pablo de Soto den Ansatz, den er mit Freunden entwickelt. Sie untersuchen, wie digitale Räume reale Orte verändern können. In Barcelona verwandeln sie einen Panzer in ein pazifistisches High-Tech-Gefährt, das statt Munition mp3s, Videos und Bilder abfeuert. In Sevilla vernetzen sie einen verlassenen Technologiepark per Webkamera und Live-Streaming mit anderen Städten und feiern im Niemandsland eine High-Tech-Party. Das Projekt reichen die "Hackitekten" an der Uni als städtebauliche Maßnahme ein. Und fallen durch. Seinen Abschluss macht Pablo de Soto dann in Stockholm.

" Unsere Uni war sehr konservativ. Und gegen diese Spießigkeit haben wir rebelliert. (…) Der Druck wurde so groß, dass wir die Uni schließlich verließen. Mich freut natürlich, dass unsere Ursprungsidee inzwischen in der Kunstszene längst etabliert ist und immer noch die Fantasie anregt. "

Dass er durch den Förderpreis des Kunstzentrums LABoral ein paar Monate in Gijón, der Stadt seiner Eltern, arbeitet, freut ihn besonders. "Situation Room" heißt sein jüngstes Projekt: Wie in den Kommandozentralen, in denen die Mächtigen in Krisensituationen Entscheidungen treffen, werden in einem Raum Dutzende Datenströme über die Bildschirme flackern. Welche, entscheiden die User. Denkbar ist alles, was im weitesten Sinn mit der nordwestspanischen Region Asturien zu tun hat: von der Seewettervorschau über Amateurvideos vom Alltag in den Fabriken bis hin zu Bevölkerungsstatistiken.

" Wir wollen untersuchen, was passiert, wenn die Kontrolle in einem "Situation Room" geteilt wird. Es ist ja auch nicht gefährlich, wir kontrollieren schließlich kein Atomkraftwerk oder den Katastrophenschutz. Es geht uns eher um die Wirklichkeit Asturiens und mit welchen Daten sie sich am besten darstellen lässt."
Außerdem, ergänzt Pablo, lässt sich so herausfinden, welche Daten frei zugänglich sind und welche kontrolliert werden. Der aufklärerische Impetus ist ihm wichtig.

" La función del arte es emanciparnos, no? "

Aufgabe der Kunst ist es, uns zu selbstständigen Menschen zu machen, sagt Pablo de Soto - und muss grinsen, weil sich das mehr nach Revolutionslehrbuch anhört als nach coolem Cyberpunk. Dabei ist er den Insignien der Hacker-Kultur treu geblieben. Sein Laptop trägt immer noch den gleichen olivgrünen Neopren-Anzug.

" Das ist so eine Art Kautschuk. Heute gibt es ja für jeden Laptop hübsche Taschen. Als ich meinen kaufte aber noch nicht. Und um meinen Computer vor Stößen zu schützen, habe ich ihn eben damit bezogen. Außerdem sah er so mehr nach Cyperpunk aus. (lacht) "

Service:
Bis Mitte März werden in Pablo de Sotos "Situation Room" Daten gesammelt und ausgewertet. Begleitend veranstaltet das Kunstzentrum LABoral Konferenzen und Podiumsdiskussionen. Mehr Informationen unter: www.laboralcentrodearte.org.