Ein Chor aus zwei Teilen

Von Johanna Herzing · 13.05.2011
Der Mädchenchor Rottweil und der Junge Chor Villingen proben getrennt, aber treten zusammen auf. Bis zu 70 junge Sänger kommen dann zusammen. Auf dem Programm steht Liturgisches, Klassisches, aber auch viele Pop.
Andreas Puttkammer: "Manchmal ist es schon ein sehr liebevoller Hühnerhaufen, wenn man das so sagen darf."

Luisa: "Es ist auch echt cool mit den ganzen Mädels. Ich hab’ da viele Freunde. Mich stört das nicht, dass es ein reiner Mädelschor ist."

Die Heiligen blicken streng von ihren Podesten, zu ihren Füßen wimmelt es. Rund 50 Mädchen drängen sich im Chorraum der Franziskanerkirche von Villingen im Schwarzwald. Sie schieben Stühle umher, plaudern und kauen ihre Kaugummis. Sie sind zwischen 11 und 18 Jahre alt und geben sich als das, was sie nun mal sind: Teenager.

Luisa: "Also, wenn wir Stücke blöd finden, dann sagen wir es dem Putti schon und dann singen wir das vielleicht bei einem Auftritt und dann sammelt er das Lied wieder ein. Also, ja wir können da schon mitbestimmen."

Luisa Neininger ist 17 Jahre alt und Mitglied im "Jungen Chor" von Villingen, der zur katholischen Privatschule St. Ursula gehört. Seit kurzem geht Luisa zwar auf eine andere Schule, im Chor singt sie aber weiter mit. An wechselnde Besetzungen sind die Sängerinnen gewöhnt:

"Das ist schon das Besondere an unserem Chor, dass wir eigentlich aus zwei Teilen bestehen und uns quasi bei den Konzerten dann treffen."

Teil zwei – das ist der Mädchenchor Rottweil. Viele Konzerte bestreitet der "Junge Chor Villingen" gemeinsam mit den Sängerinnen aus dem Nachbarort. Dann wächst die Stimmgewalt auf bis zu 70 Stimmen an.

Dass daraus ein harmonischer Klang entsteht, dafür sorgt Andreas Puttkammer, genannt "Putti". Er ist gelernter Schul- und Kirchenmusiker und seit gut neun Jahren Chorleiter der beiden Ensembles:

"Dann spürt man auch sehr schnell, es passt oder es passt nicht und beim Einsingen versuche ich auch immer individuell Kontakt mit den Kindern zu haben und dann ganz kurz einen Kommentar zu geben, was man vielleicht verbessern kann oder auch viel positiv zurückzugeben oder auch mal streng zu sein."

Konzentration ist bei den Proben unerlässlich. Zweimal die Woche kommen die Mädchen in Rottweil zusammen, Stimmbildung gibt es auch. In Villingen ist das Pensum ein bisschen geringer. Manchmal merke man das, meint Theresa Neininger mit unverhohlenem Respekt:

"Also die können die Texte besser, die können es meistens auswendig und an manchen Stellen, wo wir noch ein bisschen unsicher sind, können sie’s dann besser, aber man profitiert ja dann auch voneinander, wenn man neben jemandem steht, der aus Rottweil ist, dann kriegt man’s auch schnell ins Ohr."

Das Konzept – zwei Chöre zu einem "Teilzeit-Doppel" zu verschmelzen - scheint aufzugehen. Ihre Arbeit ist preisgekrönt, auch einen Workshop mit den "Wise Guys", einer bekannten Kölner A-cappella-Gruppe, gab es schon. Dazu kommen zwei eigenständig produzierte CDs – darauf viele Popsongs.

"Mir gefällt sehr gut, dass wir so viele bekannte Stücke singen, also zum Beispiel 'Warum' von Juli oder wir singen ganz viel moderne Sachen und Stücke, die man auch aus dem Radio kennt, also die nicht ganz fremd sind. Wir mischen das aber auch mit klassischen Sachen und es gibt einen Chor, mit dem wir auch schon zusammen gesungen haben, die sind auch relativ bekannt – Scala heißen die und die singen auch ganz viele der Stücke."

Dieser belgische Mädchenchor ist vor allem für seine Cover-Versionen von Pop- und Rocksongs bekannt. Nirvana, Coldplay, Björk und Mia – Rio Reiser, U2 oder The Police.

Andreas Puttkammer: "Diese Arrangements, das hat uns alles sehr gefallen. Wir waren auch einmal in Belgien, haben mit Scala zusammen ein Konzert gehabt und darüber kam so ein bisschen die Idee, diese Jazz- und Pop- und Rocksongs zu singen – aber immer mit dem Hintergrund der klassischen Stimmbildung und diese Sache nicht einfach zu kopieren, sondern denen einen neuen Ausdruck oder neuen Charme zu geben durch unsere klassisch ausgebildeten Mädchenstimmen."

Die meisten der Mädchen gäben zwar modernen Liedern den Vorzug. Das letzte Wort bei der Musikauswahl hat aber der Chorleiter – und deshalb steht auch Liturgisches und Klassisches von der Renaissance bis zur Romantik auf dem Programm.

Und nicht nur das Repertoire verändert und erweitert sich.
Neuerdings erklingt auch die eine oder andere männliche Stimme inmitten der vielen Mädchen.

David: "Männer sind wir leider nur zu siebt, aber wir suchen ständig neue. Nur kommen sie leider nicht. Die meisten Jungs meinen nicht singen zu können, aber so eine Bass-Grundlage kriegen eigentlich die meisten hin ohne es zu wissen."

Über ein Projekt im Geschichtsunterricht ist David Gwosch zum "Jungen Chor" gekommen. Und mit ihm noch ein paar andere Jungs. In gut vier Monaten wird David Abitur machen, die Schule verlassen und damit auch den Chor. Andreas Puttkammer wird sich wieder einen neuen Bass suchen müssen:

"Ja, ein Ziel: Dass der Chor eine Stabilität und Ruhe für sich selbst findet und man sagen kann, ja, das ist unsere Truppe, so können wir uns präsentieren."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.