Ein Buch wie ein Geschenk

Das aufwendig gestaltete Buch "Das botanische Schauspiel" ist Handschmeichler, Augenweide, Nektar und Ambrosia für das neugierige Hirn. Ein selbst gemaltes Bild, ein Zitat, eine kleine Historie und einen kurzen praktischen Ausblick liefert Anita Albus zu jeder einzelnen der 24 vorgestellten Blumen.
Solche Bücher gibt es doch gar nicht mehr, denkt man. Feine, fast schwarze, schimmernde Seide als Einband, 120 Gramm schweres, crémehelles, glattes Papier, ein Hauch Goldschnitt am oberen Rand, fadengeheftet und natürlich auch lege artis gesetzt, und um alles herum eine dicke, transparente Schutzhülle - ein Buch wie ein kostbares Geschenk. Ein Handschmeichler, eine Augenweide, Nektar und Ambrosia fürs neugierige Hirn.

"Das botanische Schauspiel" steht in goldenen Lettern auf dem Titel. "Vierundzwanzig Blumen, nach dem Leben gemalt und beschrieben". Ein Bild, ein Zitat, eine kleine Historie, ein kurzer praktischer Ausblick - das sind die vier "Figuren", aus denen Anita Albus dieses "Schauspiel" inszeniert. Genau genommen sind es fünf, denn natürlich gehört auch die Seite mit der römischen Zahl, den wissenschaftlichen und populären Namen sowie einer knappen Beschreibung von Größe und Habitat zur Komposition.

Um Blumen geht es. Kleine, unscheinbare sicher, denkt man, wenn man Anita Albus kennt. Und in der Tat haben die Aquarelle, wie die ganze Inszenierung, alle etwas Leises, Bescheidenes, das den zweiten, dritten, vierten Blick herausfordert. Nichts von wollüstig-üppiger Überwältigung wie die Blüten der Georgia O'Keeffe. Und dann liest man erstaunt, dass manche der schlanken Geschöpfe mit den oft winzigen Blüten meterhoch werden können. Auslöser war, schreibt Anita Albus im Postscriptum, in der Tat der bilderlose "Katalog der Verkannten, Neuen, Verlorenen, Seltenen, Eigenen", in dem 1938 der "Leidenschaftliche Gärtner" Rudolf Borchardt 169 Blumen zusammengestellt hatte. 1985 fing sie an, 21 in ihrem Garten in Nordburgund anzubauen, um sie zeichnen zu können. Für dieses Buch sind drei dazugekommen. So sind es 24 - die Zahl der Klassen, die der große Linné 1753 universell festgelegt hatte.

Aber die Bilder - auf extra pigmentiertem Papier, aus selbstangesetzten Farben mit zierlichsten Pinseln minutiös bis in die Sprenkelchen eines Blütenblattes - sind nur ein Element. Anita Albus ist auch Schriftstellerin, und was sie erzählt über ihre Gartenarbeit und ihre Reisen in die Heimat mancher Pflanzen, über Botanik, Kultur, Natur und deren Forschungsgeschichte(n), ist ebenso fein ziseliert und reich und voller Skurrilitäten. Man erfährt nebenbei, dass Botaniker ihre stinkenden floralen Entdeckungen gern nach missliebigen Kollegen benannt haben oder exotische Pflanzen schon mal aus botanischen Gärten entwichen und durch halb Europa gewandert sind. Pflanzen mit Migrationshintergrund, sozusagen. Und man liest mit Wonne, zu welchem Furor der Prüderie Linné seine Konkurrenten gereizt hat, weil er seine 24 Klassen mit Bildern aus dem Eheleben zu erläutern gewagt hatte.

All das ist "Das botanische Schauspiel" - vollkommen untheatralisch, fast spröde. Eben geheimnisvoll, so wie jedes wahre Theater. Denn das findet natürlich im Kopf statt - des Lesers. Aber wer hat noch die Zeit für die Ruhe und die Wissbegier, durch die allein dieses Schauspiel sich entfalten kann? Im Zeitalter der bewegten Bilder, die pausenlos überall vorbeihuschen, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle oft, gewollt oder ungewollt. So ein Buch kann es doch gar nicht mehr geben, denkt man?

Oh doch. Und es ist ein Geschenk. In jeder Beziehung.

Rezensiert von Pieke c

Anita Albus, Das botanische Schauspiel, 24 Blumen, nach dem Leben gemalt & beschrieben,
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2007, 192 S., geb., 40 €