Ein Brückenbauer

Von Hilde Weeg · 15.03.2009
Er war KZ-Häftling in Auschwitz und wurde von sowjetischen und polnischen Kommunisten inhaftiert. Als Historiker und Journalist, schließlich als Diplomat und Außenminister trug Wladyslaw Bartoszewski später maßgeblich zur deutsch-polnischen Verständigung bei. Am 15. März eröffnete der 87-Jährige <papaya:link href="http://www.nationaltheater-weimar.de/frontend/index.php?page_id=52&v=repertoire_detail&pi=1036&mid=23" text="die Vortragsreihe &quot;Weimarer Reden&quot;" title="Vortragsreihe &quot;Weimarer Reden&quot;&quot; target=" target="_blank" /> am Nationaltheater Weimar.
87 Jahre alt ist er, ein aufrecht - wenn auch mühsam gehender- großer Mann, den man immer noch stattlich nennen muss. Der Blick ist so klar und direkt wie seine Rede, auch wenn er nicht ohne Mühe spricht. Kaum ein Zeitzeuge kann wie er noch so beredt Zeugnis ablegen von den Erfahrungen der Unterdrückung und staatlichen Gewalt, aber auch von der Kraft, die ein unbedingter Freiheitswille freisetzt. Kaum einer konnte dabei – wie er – zeit seines Lebens dem Spiel der demokratischen und antidemokratischen Mächte aus nächster Nähe zusehen – ohnmächtig zunächst, aber auch mit großem persönlichem Einfluss, ganz besonders in der Zeit seit 1989. Er macht im ersten Teil der Rede deutlich, dass es vor allem die demokratischen Kräfte in Osteuropa und ganz besonders in Polen waren, die zum Fall der Mauer führten und den Weg frei machten für eine gemeinsame EU:

"In der Tat hat die Erfahrung des Kampfes um die Menschenrechte die Solidarnosc in Polen, die Charta 77 in der ehemaligen Tschechoslowakei, der demokratische Widerstand in Ungarn paradoxerweise die Bindung an Europa gestärkt und darüber hinaus erlaubt, neue Bande zwischen den Nationen zu knüpfen, die in der Vergangenheit durch das kommunistische Regime entfremdet worden sind."

Bartoszewski, der KZ-Häftling in Auschwitz, der Kämpfer gegen das NS-Regime im Ausland und im Warschauer Getto, der von sowjetischen und zuletzt polnischen Kommunisten Inhaftierte, der als Historiker und Journalist und schließlich als Diplomat und zweimal als Außenminister zur deutsch-polnischen und darüber hinaus zur west- und osteuropäischen Verständigung maßgeblich beigetragen hat. Er weiß nicht nur, wie schwierig es ist, sich von einer Diktatur zu befreien, sondern auch, demokratische Strukturen zu etablieren, wie sein Selbst-Zitat von 1989 zeigt:

"Aber um was für eine Freiheit handelt es sich dann? Die Freiheit zur freien Meinungsäußerung? (…) Die Freiheit, fremde Leute zu attackieren? Oder die Freiheit, kluge politische Entscheidungen zu treffen? Letzteres erreichen wir sicher nicht von heute auf morgen."

Im zweiten Teil seiner Rede schildert Bartoszewski die Quintessenz seines politischen Lebens: Bereit zum Dialog müsse jede Demokratie sein, Meinungsvielfalt nicht nur zulassen, sondern fördern und den Bürgern vertrauen. Er will einen Staat, der nicht stört. Voraussetzung dafür seien Bürger, die - hier zitiert er Max Frisch - "sich in eigene Angelegenheiten einmischen", sich also engagieren.

"Das Schlimmste Leiden der Demokratie ist die Passivität der Bürger. Sie hat ihre Quelle entweder in der Gleichgültigkeit oder politischer Ignoranz oder auch im mangelnden Glauben an den Sinn persönlicher Beteiligung."

Zu den aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen äußerte er sich nur außerhalb des Vortragssaales:

"Ich bin der Meinung, die Beziehungen der Völker, der Regierungen ist überwiegend gut und sogar sehr gut, und man hat vielmehr erreicht, als man glauben und denken konnte 1989/90."

An seiner Einstellung zu Erika Steinbach, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, hat sich durch die aktuelle Diskussion im Kern nichts verändert:

"Wenn jemand richtig Brücken bauen will, muss er beide Seiten berücksichtigen. Ich zum Beispiel gelte als ehemaliger deutscher Professor, als Freund der vielen Deutschen, als Brückenbauer. Die Leute, die kein Verständnis haben für Polen, machen nichts Böses. Aber sie sind keine Brückenbauer mit Polen. Wenn jemand die Polen nicht mag, soll nicht mit Polen verhandeln. Und wenn jemand die Deutschen nicht mag, soll er schweigen in den deutschen Sachen."