Ein Blick auf das russische Theater
Als Beitrag zum Russisch-Deutschen Kulturjahr geben die Berliner Festspiele in einem zwölftägigen Festival einen Einblick in die Kunst- und Kulturszene Russlands. Ein Höhepunkt ist das Stück „Gorki-10“ aus der Werkstatt des Bühnenbildners und Regisseurs Dmitrij Krymow.
Die Werkstatt von Dmitrij Krymow ist gleichsam ein Theater im Theater. Sie ist ein Teil der Schule für dramatische Kunst, die allerdings mit einer Schule nur wenig zu tun hat, wie Krymow versichert.
Dmitrij Krymow: „”Es ist ein Theater-Laboratorium und nur in diesem Sinn eine Schule, denn wir loten die Sprache des Theaters, seine Möglichkeiten fortwährend aus. Wir leisten eine Art Forschungsarbeit. Es handelt sich aber um keine Lehranstalt.
Hier arbeiten seit Langem schon professionelle Schauspieler und Regisseure. Viele sind heute nicht mehr ganz jung. Unsere Arbeit hat sich in all den Jahren nicht geändert, sie ist penibel und langsam. Wenn uns eine Inszenierung nicht gelingt, dann zeigen wir sie nicht."“
Krymows Inszenierung „Gorki-10, Russische Literaturstunden“ ist ein Höhepunkt des Festivals RusImport.
Dmitrij Krymow: „”Gorki-10 ist eine seltsam anmutende Collage sowjetischer Dramaturgie: Es gibt ein Stück zu Lenin, eins zum Krieg, eins zum modernen Leben. Diese Stücke assoziiert man mit bekannten literarischen Werken, auf deren Grundlage ich verschiedene Perioden der Geschichte Russlands in der Form einer Montage widerspiegele.
Die Schwierigkeit für mich bestand darin, aus den verschiedenen historischen Elementen und Ebenen ein einziges Stück zu machen, das interessant ist, irgendwie merkwürdig, rätselhaft und nicht tendenziös."“
Dmitrij Krymow ist von Beruf Bühnenbildner und hat vor zehn Jahren, begonnen, als Regisseur zu arbeiten. Krymows Ensemble besteht aus ehemaligen Schülern, die er im Fach Bühnenbild unterrichtete sowie aus Berufs-Schauspielern.
Auch andere bekannte Theaterleute haben sich eigene Ensembles aus ihren Schülern zusammengestellt, etwa der in diesem Sommer verstorbene Pjotr Fomenko. Auf die Frage, worin der Unterschied zwischen ihm und Fomenko liege, antwortet Krymow:
„Darin, dass ich noch lebe. Fomenko hat ein auf Schauspieler ausgerichtetes familiäres Laboratorium. Ich mache etwas ganz anderes. Für mich haben äußere Formen eine größere Bedeutung als bei ihm.“
Krymows Theater ist das eines bildenden Künstlers. Ein Theater, sagt der Kritiker Roman Dolzhanskij, das sich von der ungeteilten Allmacht des Wortes befreit hat und sich vor allem der Sprache visueller Metaphern bedient.
Ganz anders ist im Vergleich dazu Fomenkos streng Text getreuer Inszenierung von Anton Tschechows „Drei Schwestern“. Fomenko hat sein Studio 1988 gegründet, das Ensemble besteht bis heute.
Galina Tjunina: „”Fomenko sprach gerne von der Freude am Dasein und genau dafür muss das Theater sorgen. Es ist nicht wichtig, welche Theaterformen es gibt. Das Wichtigste ist nicht, wie man geht, sondern, dass man geht."“
So Galina Tjunina, die in Tschechows Stück die Olga, die älteste der drei Schwestern, spielt. Fomenko gehörte zu den herausragenden Regisseuren, denen der Staat eine eigene Bühne finanziert hat. In der Sowjetzeit begründete er seinen späteren Ruhm als Regisseur mit einem Studententheater.
Heute ist das Fomenko-Studio eine technisch perfekt ausgestattete Bühne und eins der teuersten Theater in Moskau. Die Vorstellungen sind immer ausverkauft, eine Eintrittskarte kostet soviel wie die Hälfte einer durchschnittlichen russischen Monatsrente. Für die Theaterexpertin Kristina Matwienko ist das Repertoire des Fomenko-Studios und anderer Staatsbühnen zu sehr dem Geschmack der Zuschauer angepasst.
Kristina Matwienko: „Es gibt praktisch keine bekannten Regisseure in Russland mehr, die Stücke zu Gegenwartsproblemen auf die Bühne bringen. Denn diese Stücke gefallen dem betuchten Publikum nicht. Dafür kauft es keine Karten. Und den großen Theatern geht es heute nur darum, die Kassen zu füllen.“
Bisher ist das Theater in Russland im Unterschied zum Fernsehen, ein in gewissen Grenzen noch unzensierter Raum, sagt der Moskauer Theaterkritiker Roman Dolzhanskij.
Roman Dolzhankij: „”Doch wenn man im Theater von der Bühne herab schreit, Putin ist ein Schuft, dann interessieren sich die Machthaber dafür. Auch gibt es eine Selbstzensur, also Leute, die Angst haben.
Diese Selbstzensur stammt zum Teil noch aus der Sowjetzeit, zum Teil ist sie erst heute entstanden. Im Theater ist die Selbstzensur viel größer als die Zensur von oben."“
Umso beachtlicher ist es, dass sich in Russland eine politische Satireshow großer Beliebtheit erfreut, die vor gut einem Jahr vom Schriftsteller Dmitrij Bykow und dem Schauspieler Michail Jefremow erfunden wurde und beim Berliner Festival RusImport ebenfalls zu sehen war.
Bykow dichtet Poesie russischer und sowjetischer Klassiker um, die von Jefremow vorgetragen wird, wobei er in die Rolle des jeweiligen Dichters schlüpft. Zielscheibe beißender Ironie ist vor allem Kremlchef Putin. Das hört sich dann so an.
Bykow ist sich durchaus dessen bewusst, dass er mit seiner Persiflage ein gewisses, auch persönliches Risiko eingeht, denn, so sagt er:
„Jedes Gespräch über die ernsthaften Probleme bei uns im Land ist tabu. Nicht weil es verbotenen Themen gibt, sondern weil es verbotene Ebenen gibt. Wie Pasternak seiner Cousine geschrieben hat: Verderblich ist nicht der Inhalt eines Gedankens, sondern der Gedanke an sich. Man darf über Korruption sprechen, aber nicht über deren Gründe und Mechanismen.
Man darf über die Zentralisierung reden, aber nicht über Mittel, sie zu überwinden. Die Zensur in Russland ist weniger politisch als viel mehr intellektuell. Das kann man eigentlich nur begrüßen, weil dadurch alle klugen Menschen fühlen, dass sie gefährlich sind. Sogar ich manchmal.“
Dmitrij Krymow: „”Es ist ein Theater-Laboratorium und nur in diesem Sinn eine Schule, denn wir loten die Sprache des Theaters, seine Möglichkeiten fortwährend aus. Wir leisten eine Art Forschungsarbeit. Es handelt sich aber um keine Lehranstalt.
Hier arbeiten seit Langem schon professionelle Schauspieler und Regisseure. Viele sind heute nicht mehr ganz jung. Unsere Arbeit hat sich in all den Jahren nicht geändert, sie ist penibel und langsam. Wenn uns eine Inszenierung nicht gelingt, dann zeigen wir sie nicht."“
Krymows Inszenierung „Gorki-10, Russische Literaturstunden“ ist ein Höhepunkt des Festivals RusImport.
Dmitrij Krymow: „”Gorki-10 ist eine seltsam anmutende Collage sowjetischer Dramaturgie: Es gibt ein Stück zu Lenin, eins zum Krieg, eins zum modernen Leben. Diese Stücke assoziiert man mit bekannten literarischen Werken, auf deren Grundlage ich verschiedene Perioden der Geschichte Russlands in der Form einer Montage widerspiegele.
Die Schwierigkeit für mich bestand darin, aus den verschiedenen historischen Elementen und Ebenen ein einziges Stück zu machen, das interessant ist, irgendwie merkwürdig, rätselhaft und nicht tendenziös."“
Dmitrij Krymow ist von Beruf Bühnenbildner und hat vor zehn Jahren, begonnen, als Regisseur zu arbeiten. Krymows Ensemble besteht aus ehemaligen Schülern, die er im Fach Bühnenbild unterrichtete sowie aus Berufs-Schauspielern.
Auch andere bekannte Theaterleute haben sich eigene Ensembles aus ihren Schülern zusammengestellt, etwa der in diesem Sommer verstorbene Pjotr Fomenko. Auf die Frage, worin der Unterschied zwischen ihm und Fomenko liege, antwortet Krymow:
„Darin, dass ich noch lebe. Fomenko hat ein auf Schauspieler ausgerichtetes familiäres Laboratorium. Ich mache etwas ganz anderes. Für mich haben äußere Formen eine größere Bedeutung als bei ihm.“
Krymows Theater ist das eines bildenden Künstlers. Ein Theater, sagt der Kritiker Roman Dolzhanskij, das sich von der ungeteilten Allmacht des Wortes befreit hat und sich vor allem der Sprache visueller Metaphern bedient.
Ganz anders ist im Vergleich dazu Fomenkos streng Text getreuer Inszenierung von Anton Tschechows „Drei Schwestern“. Fomenko hat sein Studio 1988 gegründet, das Ensemble besteht bis heute.
Galina Tjunina: „”Fomenko sprach gerne von der Freude am Dasein und genau dafür muss das Theater sorgen. Es ist nicht wichtig, welche Theaterformen es gibt. Das Wichtigste ist nicht, wie man geht, sondern, dass man geht."“
So Galina Tjunina, die in Tschechows Stück die Olga, die älteste der drei Schwestern, spielt. Fomenko gehörte zu den herausragenden Regisseuren, denen der Staat eine eigene Bühne finanziert hat. In der Sowjetzeit begründete er seinen späteren Ruhm als Regisseur mit einem Studententheater.
Heute ist das Fomenko-Studio eine technisch perfekt ausgestattete Bühne und eins der teuersten Theater in Moskau. Die Vorstellungen sind immer ausverkauft, eine Eintrittskarte kostet soviel wie die Hälfte einer durchschnittlichen russischen Monatsrente. Für die Theaterexpertin Kristina Matwienko ist das Repertoire des Fomenko-Studios und anderer Staatsbühnen zu sehr dem Geschmack der Zuschauer angepasst.
Kristina Matwienko: „Es gibt praktisch keine bekannten Regisseure in Russland mehr, die Stücke zu Gegenwartsproblemen auf die Bühne bringen. Denn diese Stücke gefallen dem betuchten Publikum nicht. Dafür kauft es keine Karten. Und den großen Theatern geht es heute nur darum, die Kassen zu füllen.“
Bisher ist das Theater in Russland im Unterschied zum Fernsehen, ein in gewissen Grenzen noch unzensierter Raum, sagt der Moskauer Theaterkritiker Roman Dolzhanskij.
Roman Dolzhankij: „”Doch wenn man im Theater von der Bühne herab schreit, Putin ist ein Schuft, dann interessieren sich die Machthaber dafür. Auch gibt es eine Selbstzensur, also Leute, die Angst haben.
Diese Selbstzensur stammt zum Teil noch aus der Sowjetzeit, zum Teil ist sie erst heute entstanden. Im Theater ist die Selbstzensur viel größer als die Zensur von oben."“
Umso beachtlicher ist es, dass sich in Russland eine politische Satireshow großer Beliebtheit erfreut, die vor gut einem Jahr vom Schriftsteller Dmitrij Bykow und dem Schauspieler Michail Jefremow erfunden wurde und beim Berliner Festival RusImport ebenfalls zu sehen war.
Bykow dichtet Poesie russischer und sowjetischer Klassiker um, die von Jefremow vorgetragen wird, wobei er in die Rolle des jeweiligen Dichters schlüpft. Zielscheibe beißender Ironie ist vor allem Kremlchef Putin. Das hört sich dann so an.
Bykow ist sich durchaus dessen bewusst, dass er mit seiner Persiflage ein gewisses, auch persönliches Risiko eingeht, denn, so sagt er:
„Jedes Gespräch über die ernsthaften Probleme bei uns im Land ist tabu. Nicht weil es verbotenen Themen gibt, sondern weil es verbotene Ebenen gibt. Wie Pasternak seiner Cousine geschrieben hat: Verderblich ist nicht der Inhalt eines Gedankens, sondern der Gedanke an sich. Man darf über Korruption sprechen, aber nicht über deren Gründe und Mechanismen.
Man darf über die Zentralisierung reden, aber nicht über Mittel, sie zu überwinden. Die Zensur in Russland ist weniger politisch als viel mehr intellektuell. Das kann man eigentlich nur begrüßen, weil dadurch alle klugen Menschen fühlen, dass sie gefährlich sind. Sogar ich manchmal.“