Ein Bild, zwei Erben

Von Kerstin Schweighöfer |
Jan Steen, der Meister des holländischen Genrebildes, malte um 1673 die "Hochzeitsnacht von Tobias und Sara". Vermutlich ein Brandschaden teilte das Bild im 19. Jahrhundert in zwei Hälften. Restauriert und wiedervereint hängt es heute im Brediusmuseum Den Haag. Ende gut, alles gut? Nein, denn eine Hälfte der "Hochzeitsnacht" ist Raubkunst: Sie wurde vom jüdischen Kunsthändler Jacques Goudstikker auf seiner Flucht vor den Nazis zurückgelassen. Nun soll sie den Erben zurückgegeben werden.
Das Gemälde war im 19. Jahrhundert auseinandergeschnitten worden, wahrscheinlich, nachdem es durch einen Brand beschädigt worden war. Erst 1996 wurden die beiden Hälften wieder zusammengefügt - in einer aufwendigen Operation, die mehr als sechs Monate dauerte:

"Wenn man ganz gut schaut, sieht man, dass es da irgendwie so einen Streifen gibt, wo beide Stücke zusammengesetzt sind."

Jetzt jedoch muss befürchtet werden, dass die ganze Arbeit umsonst war - und das Bild sogar wieder auseinandergeschnitten werden könnte. Denn die linke Hälfte mit Tobias und Sara stammt aus dem Vorrat des jüdischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker - und 2006 hatte die niederländische Regierung nach langem juristischem Tauziehen beschlossen, mehr als 200 Werke aus Goudstikkers Kunstbestand an die in Amerika lebenden Erben des Amsterdamer Händlers zurückzugeben, darunter "Sara und Tobias".

Die Stadt Den Haag hat zwar versucht, diese Hälfte anzukaufen. Sie ist Eigentümer der anderen Hälfte mit dem Drachen. Die wurde 1907 von Abraham Bredius erworben, Kunstsammler und damals Museumsdirektor des Haager Mauritshauses. Aber die Goudstikker-Erben verlangen für ihre Hälfte zwei Millionen Euro. "Das kann sich die Stadt nicht leisten", seufzt Museumssprecher Schnabel:

"Ja, das war dann eine Möglichkeit, das Goudstikker-Teil anzukaufen, aber das ist sehr teuer, das ist natürlich sehr viel Geld."

Um eine erneute Teilung des Meisterwerkes zu verhindern, haben die Niederländer nachgegeben und wollen ihre - kleinere - Hälfte an die Erben verkaufen - für nur 600.000 Euro. Viel zu wenig, klagen Kunstliebhaber. Auch Museumsdirektor Wim Pijbes vom Amsterdamer Reichsmuseum hat Bedenken:

"Wie in aller Welt will man den Wert eines halben Gemäldes feststellen? Man kann zwar sagen, die eine Hälfte ist schöner und wichtiger als die andere, aber der Wert wird doch durch die Gesamtheit bestimmt, die Summe der Teile ist mehr wert als die beiden Teile selbst!"

Wim Pijbes hat sich mit anderen Museumsdirektoren und führenden Kunsthistorikern zu einem Aktionskomitee zusammengeschlossen, um zu verhindern, dass der Jan Steen die Niederlande verlässt. Sie wollen versuchen, doch noch zwei Millionen Euro zusammenzubekommen, um die Goudstikker-Hälfte anzukaufen. Auch hoffen sie darauf, dass es der Stadt Den Haag verboten wird, ihre Hälfte zu verkaufen. Darüber entscheidet am 17. Dezember ein Gericht. Denn Sammler Abraham Bredius hat in seinem Testament festlegen lassen, das nichts aus seiner Sammlung die Stadt Den Haag jemals verlassen darf. Der Richter muss entscheiden, was wichtiger ist - der Entschluss der Regierung, den Goudstikker-Kunstbestand zurückzugeben, oder der Letzte Wille von Abraham Bredius. Für Direktor Wim Pijbes vom Reichsmuseum ist es eine klare Sache:

"Am Wichtigsten hat das Gemälde selbst zu sein, darüber muss sich auch der Richter im Klaren sein. Es steht an erster Stelle. An Zweiter steht das öffentliche Interesse - Kunstliebhaber müssen dieses Meisterwerk weiterhin sehen können. Die Eigentumsfrage hingegen - die kommt erst ganz am Schluss!"

Wenn es den Erben, angeführt von Goudstikkers Schwiegertochter Marei von Saher, wirklich um die Kunst gehen würde, so Pijbes, dann könnten sie dem Museum Bredius nach dem Ankaufen der linken Hälfte das ganze Bild ja als Leihgabe zur Verfügung stellen. Goudstikker-Erbin Marei von Saher müsse endlich Farbe bekennen, fordert Pijbes und erinnert an das Urteil von König Salomon, worauf die echte Mutter nachgab, um das Leben ihres Kindes zu retten.

Wenn von Saher wirklich so unnachgiebig sei, solle sie doch zum Messer greifen und nach Den Haag kommen, um sich ihre Hälfte eigenhändig abzuschneiden.

Mal sehen, so Pijbes, ob sie wirklich so weit geht.

Viele Niederländer allerdings trauen es ihr durchaus zu - auch Museumssprecher Paul Schnabel:

"Da bin ich mir nicht so sicher."