Ein biederes harmloses Kabarettstück

Von Bernhard Doppler |
"Prinz Methusalem" ist bereits das dritte Johann-Strauß-Werk, das die Staatsoperette Dresden unter dem musikalischen Leiter Ernst Theiss ausgegraben hat. Das Orchester und das Ensemble musizieren gewürzt mit musikalischen Einfällen und bis in die kleinsten Rollen auf hohem Niveau.
Nach "Carneval in Rom" und "Spitzentuch der Königin" ist "Prinz Methusalem" bereits das dritte Johann-Strauß-Werk, das die Staatsoperette Dresden unter dem musikalischen Leiter Ernst Theiss ausgegraben hat, sorgfältig, mit wissenschaftlicher Akribie in Zusammenarbeit mit der neuen kritischen Johann-Strauß-Gesamtausgabe von Michael Rot. Die Staatsoperette ist ja inzwischen die einzige Institution geworden, die beharrlich die Tradition des musikalischen Unterhaltungstheaters erkundet, die vielfach verloren gegangene Professionalität der Operettendarsteller pflegt und damit Alternativen zum kommerziellen Musical zur Diskussion stellt.

Dass "Prinz Methusalem" trotz dieser Bemühungen allerdings kaum ins Repertoire anderer Theater zurückkehren dürfte, spricht nicht gegen die Entdeckungsarbeit. Unter Ernst Theiss musizieren das Orchester und das Ensemble, gewürzt mit musikalischen Einfällen, bis in die kleinsten Rollen auf hohem Niveau, und auch die vielfach verloren gegangene Kunst des Setzens von Operetten-Pointen beherrschen die Darsteller, etwa vorbildlich Bernd Könnes als Sigismund.

Was aber eine durchschlagende Wirkung verhindern dürfte, ist das Libretto beziehungsweise seine neue Fassung. Die Überlegung ist zwar richtig, dass die Textbücher von Operetten immer wieder neu aktualisiert und der Zeit angepasst werden sollen, aber der Bearbeiter Peter Ensikat hat aus "Prinz Methusalem" ein biederes harmloses Kabarett-Stück gemacht, das niemandem weh tut und noch schwammiger und banaler ist als die Politiker, die es kritisiert. (Die Revolutionäre bei Strauß werden bei Ensikat zum Bund der "Nicht-Steuer-Zahler")

Die Inszenierung von Adriana Altaras, so lustig, tempo- und einfallsreich sie auch ist, dreht darüber hinaus die Zeit zurück macht aus dem Stück mit den zwei verfeindeten Kleinststaaten ein Biedermeier-Märchen, das an Georg Büchners "Leonce und Lena", aber auch an Lortzing-Opern erinnert.

Die Liebesszenen zwischen Pulcinella (Jessica Glatte) und Methusalem (Jana Frey) gefallen auch in ihren erotischen Spannungen sicherlich sehr, zumal der junge Prinz zumindest bei der Premiere von einer Frau – wie bei Strauß – gesungen wird. (In der Zweitbesetzung wird man auch einen Mann hören können). Doch das Paradox des Prinzen Methusalem löst die Inszenierung nicht auf: Ein blutjunger lyrischer Liebhaber und der Name eines Mannes im biblischen Alter. ("Wie kann man sein Kind nur Methusalem nennen!"- ein stehender Satz in der Operette)

"Prinz Methusalem" ist eine Operette des Stillstands. Ehen – bei Strauß immer ein Gefängnis - werden zwar geschlossen, aber gleichzeitig tut, man alles, um die Hochzeit zu verhindern; Revolutionen werden angezettelt und gleich wieder erstickt. Immer ein Schritt vor und gleichzeitig einer zurück! Die Uraufführung fand nach dem großen, ein gewaltiges Vermögen vernichtenden Wiener Börsenkrach statt, nach dem österreichische Staatspapiere nicht mehr auf der Londoner Börse gehandelt werden konnten. "Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist": Das gilt gerade auch für "Prinz Methusalem", in dem man auch die Depression in leicht alkoholisierter Walzerseligkeit ertränkt.

Womöglich liegt es auch am Standort Dresden-Leuben, dass man in der Staatsoperette auf sein treues Abonnementen-Publikum zugehen will, das unbeschwerte Unterhaltung sucht. Die Absurdität der Operette kippt jedenfalls nirgendwo ins Abgründige und der beschwingte Walzer ist nicht – Prinz Methusalem - Zeichen des politischen Stillstands. Dennoch: Die Staatsoperette hat wieder einmal das Genre zur Diskussion gestellt. Die Operette lebt.