"Ein begehbares Wunder"

Florian Brunner im Gespräch mit Holger Hettinger · 05.08.2008
Der Kornkreismacher Florian Brunner, im bürgerlichen Beruf Verleger in Saarbrücken, schätzt, dass sich in Deutschland etwa 50 Menschen auf dieses Hobby spezialisiert haben. Man gehe dabei mit Brettern, die unter die Füße geschnallt werden, und zumeist nachts ins Feld. Die Ruhe, die man in dem "schalltoten Raum" erfahre, grenze an eine spirituelle Erfahrung.
Holger Hettinger: Ende Juli, Anfang August ist Kornkreiszeit. Die eindrucksvollen Formationen in Kornfeldern sind faszinierend anzuschauen, haben einen hohen ästhetischen Reiz und geben dem Betrachter Rätsel auf. Wie ist dieser Kornkreis entstanden? Meteorologische Einflüsse, Erdmagnetismus, das Militär, Außerirdische gar oder war es schlicht und einfach Florian Brunner. Der Verleger aus Saarbrücken ist nämlich Kornkreismacher und hat ein Buch geschrieben über seine Leidenschaft. Schönen guten Morgen, Herr Brunner!

Florian Brunner: Hallo, guten Morgen!

Hettinger: Herr Brunner, ich möchte es noch mal aus Ihrem Mund hören. Dieses ganze Geraune um die Kornkreise, von wegen Erdstrahlen, Abdruck eines gelandeten Ufos, sichtbar gewordener Hilfeschrei der geschundenen Erde – das alles ist Unfug, die Kornkreise sind von Menschen gemacht?

Brunner: Die Kornkreise sind von Menschen gemacht. Es mag vielleicht ein Muster geben, was es mal als Naturphänomen gegeben haben mag, zum Beispiel Windbruch. Da gibt es durchaus die eine oder andere Erscheinung, die durchaus ein bisschen kreisförmig am Boden liegt, aber weitestgehend ist das alles Menschenwerk.

Hettinger: Wie macht man einen Kornkreis, wie geht das ganz konkret?

Brunner: Also es werden Menschen gebraucht. Es gibt Leute, die das alleine machen, es gibt aber auch eine ganze Gruppe von Leuten, die das machen. Also am idealsten, einfach einen schönen Kreis zu machen, ist, indem man zwei Personen hat, die eine Schnur haben. Und diese Schnur wird am einen Ende festgehalten und am anderen Ende steht eine Person, die einmal um die andere Person herumgeht. Wie ein kleiner Zirkel, würde ich mal sagen. Und dann wird das mit Brettern, die unter dem Fuß liegen oder unter den Fuß geschnallt werden, einfach platt gedrückt, runter gedrückt wie ein großer Entenfuß, möchte ich mal fast sagen. Die haben auch eine größere Schuhgröße als 42. Und dadurch entsteht in Windeseile ein zum Teil sehr faszinierender, sehr sauberer Kreis.

Hettinger: Weil diese Kreise ja auch ineinander geschachtelt werden, da gibt es ja richtige Muster. Konzipiert man so was vorher irgendwie am Computer oder am Reißbrett oder geschieht so was spontan?

Brunner: Es gibt zwei Wege auch da. Es gibt Leute, die so was mehr oder weniger spontan machen, das habe ich auch schon erlebt. Man geht oft mit einem Gedanken ins Feld, so könnte das Ganze aussehen. Man hat vielleicht eine kleine Skizze, die man sich vorher zurechtlegt. Und es kann durchaus passieren, dass man spontan mal eine Idee hat, die sich vielleicht der Bodenbegebenheit anpasst. Zum Beispiel gibt es irgendwo mal eine Quelle, dass man da nicht durchgehen kann, oder es ist Matsch. Man versucht einfach, den ganzen Sachen auszuweichen. Und da kann es passieren, dass eben ein Kornkreis spontan eben etwas modifiziert wird. Dabei kommen also sehr interessante Sachen raus. Es kann auch mal sein, dass ein Kornkreismacher sich mehr oder weniger verläuft, dass ein Fehler passiert im Feld. Und ja, dann gibt es aber auch die einen oder anderen Tricks und Kniffe, die ein Kornkreismacher dann anwendet.

Hettinger: Dann ist es noch unerklärlicher.

Brunner: Dann sieht es noch echter aus.

Hettinger: Menschen, die an eine übernatürliche Entstehung von Kornkreisen glauben, die sagen, dass in einem Kornkreis die Halme nur umgelegt sind. Würde ein Mensch das mit einem Brett oder mit einer Walze machen, dann wären die Halme umgeknickt.

Brunner: Das ist richtig. Es gibt da verschiedene Ansätze. Zum einen sagt man, die Halme werden gebogen und nicht abgeknickt. Es gibt durchaus ein Stadium von dem Reifegrad eines Halmes, das ist erlaubt, dass man einfach einen Halm umlegt. Dann sind die entsprechend gebogen. Aber wenn man zum Beispiel, wie das jetzt vor zwei, drei Wochen war, die Halme schon richtig trocken und strohig hat, dann bricht das natürlich ab. Und was sehr schön aussieht, also die Kornkreismacher, ich bin da natürlich nicht der Einzige, es gibt einen ganzen Staat von Leuten, die das machen, die versuchen, möglichst in dem Stadium, wenn das Korn noch halbwegs grün ist, das Korn umzulegen. Und durch den sogenannten Fototropismus, das ist also praktisch das Bestreben einer Pflanze zum Licht, zum Himmel hin zu wachsen, richten sich Teile noch mal auf. Da gibt es so kleine Wachstumsknoten, das ist ein ganz normaler, natürlicher Prozess, die es erlauben, dass ein Halm wieder nach oben wächst. Und das sieht äußerst fantastisch aus, und das lässt auch erahnen, dass so ein Kornkreis gar nicht von Menschen gemacht werden kann, weil es einfach sehr sauber da liegt und scheinbar ohne jede Spur von Menschen.

Hettinger: Erzählen Sie mal, was sind das für Leute, die sich in dieser Kornkreisszene tummeln.

Brunner: Das sind keine dummen Leute. Man lacht gerne darüber, wenn Leute in irgendeiner Art und Weise sich mit Kornkreisen befassen, sie werden als Spinner abgetan. Also es sind wirklich Leute wie du und ich, sage ich mal, die sich im Feld orientieren und da nachschauen, was gibt es denn da für wunderschöne Formationen. Das sind ja zum Teil wirkliche Kunstwerke, sehr komplexe Sachen. Und die Leute, die sich dorthin bewegen, zieht es aus zweierlei Gründen. Auf der einen Seite die Faszination an diesen ästhetischen Gebilden, ich sage jetzt auch Landschaftskunst, das ist ein, denke ich mal, durchaus ein Aspekt, der dahintersteht. Das ist zwar vom Kunstaspekt noch ein bisschen spezieller einzugrenzen, aber es strahlt eine sehr große Faszination aus. Und auf der anderen Seite gibt es halt eben Leute, die ein gewisses Bedürfnis nach Spiritualität haben. Sie begegnen einer Gruppe von Menschen, die im Prinzip das Gleiche suchen. Sie finden im Feld ein begehbares Wunder. Und man hat dort durchaus das Gefühl, es ist eine gewisse Mystik da, die Landschaft wirkt, dieses riesige Gebilde wirkt auf die Leute. Und die Leute lassen eben diese Situation als mystisches Erlebnis auf sich wirken, und es zieht sie praktisch wie eine kleine Sucht immer wieder in die Kornfelder. Oder zum Beispiel nach Südengland, wo das wirklich ein ganz großer Anziehungspunkt ist.

Hettinger: Höre ich da raus, dass selbst Sie als Kornkreismacher, der da ganz ästhetische und auch handwerkliche Zugänge dazu hat, dass das auch was mit Ihnen macht?

Brunner: Ja, absolut. Also ich war sogar anfangs durchaus der Meinung, dass da ein technisches Phänomen dahintersteht, dass es also gar nicht irgendwie ein Naturphänomen ist, aber ich persönlich war auch von diesen Riesen-Gebilden gefesselt, als ich Bilder gesehen habe in Büchern und in Zeitschriften. Auf mich selbst hat das eine sehr magische Anziehungskraft gehabt. Ich habe mich sehr oft in die Natur bewegt, als ich meinen ersten Kornkreis gesehen hatte, das war damals in Norddeutschland, ich war so regelrecht platt, ähnlich wie die Kornkreise. Es war einfach faszinierend, da reinzugehen und das auf sich wirken zu lassen. Und diese Ruhe, die in einem solchen Feld herrscht, ist schon durchaus faszinierend. Es ist ähnlich wie in einem schalltoten Raum, das Korn rundum schluckt die Akustik, es ist eine ganz andere Atmosphäre, wie man sie zum Beispiel auf der Straße hat. Es lädt ein, innezuhalten und einfach mal so ein ganz klein wenig in sich reinzuhorchen und einfach auch die Landschaft zu genießen.

Hettinger: Wobei Kornkreise macht man ja nachts, glaube ich.

Brunner: Kornkreise macht man in der Regel nachts, ja. Ich bin sogar der Meinung, man könnte es am helllichten Tage machen. Man würde die Kornkreismacher gar nicht wahrnehmen. Nachts gibt es noch ein ganz spezielles mystisches Erfahren. Man muss sich vorstellen, die Kornkreismacher gehen ins Feld, bereiten diese Situation vor und haben tatsächlich nachher eine Art tranceartiges Erlebnis. Sie gehen halt rein und haben durchaus eine recht große Kraftanstrengung, um so einen Kornkreis zu machen. Ich erinnere mich an eine Situation, da hatte ich mit meinem Kompagnon und einem kleinen Team von fünf Leuten hier im Saarland einen Kornkreis gemacht, den wir mit dem Bauern so allerdings auch abgesprochen hatten, muss man dazusagen. Und da bin ich in der Nacht 1,2 Kilometer mit dem Stampfer am Stück losgestampft. Wenn ich das jetzt aus dem Standgreif machen müsste, würde ich wahrscheinlich nach 100 Metern umfallen, von der Kraft gar nicht mehr in der Lage weiterzumachen, aber damals war ich eigentlich in einem Zustand, der mich dazu bewegt hat, das zu machen. Und ich habe danach keine Erschöpfung gespürt.

Hettinger: Florian Brunner, Sie haben es eben gesagt, Sie haben das mit dem Bauern abgesprochen, diesen Kornkreis zu machen. Wie kann das sein, dass der diesen "Vandalismus" in Anführungszeichen zulässt, weil er kann ja mit dem Korn nachher nichts mehr machen?

Brunner: Das ist richtig. Es gibt da natürlich nicht jeden Bauer, der dafür zu erquicken ist, sein Feld plattzumachen. Es hat sich gezeigt, wenn wir Bauern gefragt haben, zum Beispiel für unser Buch haben wir die eine oder andere Formation fotografieren wollen und auch kommentieren, wie man so was macht, da haben wir Bauern angesprochen. Wir haben gefragt, wären Sie bereit, Ihren Acker zur Verfügung zu stellen, dass wir dort sogar bei helllichtem Tage einen Kornkreis machen. In der Regel war es so, dass die Landwirte, die wir angesprochen haben, und das war eine ganze Reihe von Landwirten, dass die Spaß daran empfunden haben, also durchaus mit einem Augenzwinkern dahinterstanden, oft eben in Gegenden, in denen sonst eigentlich kulturell auch relativ wenig passiert, muss man dazusagen. Wir hatten ein Bauern in Mecklenburg-Vorpommern in Beelitz erlebt, das war die reinste Wonne. Da hat sich eine richtige Freundschaft draus entwickelt. Es war einfach plötzlich mal was los. Es gibt aber auch Bauern, jetzt nicht dort oben, aber in anderen Orten, in England ist das zum Beispiel der Fall, die machen einen richtigen Reibach daraus. Die verlangen Eintritt und die verkaufen Andenken, Souvenirs oder auch Mehl, was zum Beispiel aus dem Kornfeld gewonnen wurde. Die machen damit möglicherweise sogar noch einen größeren Ertrag, als wenn sie die Ernte verkaufen. Oft ist es eben halt der Schalk im Nacken, und die Landwirte spielen auch ein ganz klein wenig mit.

Hettinger: Diejenigen, die mitspielen, hat man auch so ein bisschen das Gefühl, da hat sich so eine ganze esoterisch angehauchte Szene da drumherum gerankt, die diesen Kornkreisen auch regelrecht hinterherreisen. Wie ist denn da das Verhältnis zwischen den Kornkreismachern, also die, die das Phänomen herstellen, und diejenigen, die eigentlich auch daran glauben möchten, dass hier ein übernatürliches Phänomen zugrunde liegt? Bekriegt man sich da?

Brunner: Es gibt durchaus Diskussionen, die schon kriegsähnliche Zustände annehmen. In Internetforen passiert so was, das ist vor einigen Jahren also richtig heiß hergegangen. Man weiß voneinander, und man versucht sich allerdings auch ein bisschen aus dem Weg zu gehen, um eben diese Diskussion nicht unbedingt anzureißen. Aber die eine Gruppe kommt ohne die andere nicht aus. Ohne die Kornkreismacher, und ich schätze diese Zahl hier in Deutschland durchaus bei 50 Leuten, die Kornkreisszene, die sich also als Interessenten darstellen, das sind locker einige Tausend, eben halt viel um die Esoterikszene herum, die möchten im Prinzip keinen direkten Kontakt zu den Kornkreismachern. Sie halten es auch für ein entsprechendes Sakrileg. Also sie behaupten, es gibt echte Kornkreise, die also wirklich durch ein Naturphänomen oder ein überirdisches Phänomen erscheinen. Und sie sagen, es gibt eben halt auch welche, die von Menschen gemacht werden. Die sind ihnen durchaus bewusst, aber sie sagen ganz einfach, es gibt zweierlei Kategorien, und möchten daran festhalten, wiederum möglicherweise besseren Wissens. Es gibt durchaus auch Gespräche, die ich auch geführt hatte mit Kornkreisfreunden, Kornkreisgläubigen und -beobachtern, die durchaus die Indizien von uns auf den Tisch gelegt bekommen haben, und wir haben zeigen können, so wird ein Kornkreis gemacht. Und wir konnten auch erklären, wie eine komplexe Formation entsteht. Es ist eben eine, würde ich sogar sagen, schon fast eine Religion, die für die Leute da steht. Ich belächele die Leute nicht, die jetzt im Feld sich eben halt um Außerirdische bemühen, indem sie meditieren oder messen oder was auch immer. Das sind Leute, die eben wirklich ein Bedürfnis nach Spiritualität haben, das wir meisten Menschen eben miteinander teilen. Aber in der Kornkreisszene ist es eindeutig so, dass die Leute eben halt dort ein Zuhause, ein spirituelles Zuhause empfinden. Und das finde ich schon sehr spannend. Man könnte fast sagen, wir schaffen Kultplätze.

Hettinger: Vielen Dank. Florian Brunner war das. Er ist Kornkreismacher, im bürgerlichen Beruf Verleger, aus Saarbrücken. Zusammen mit Harald Hoos hat er ein Buch geschrieben, das heißt "Kornkreise. Der größte Streich seit Max und Moritz". Das Buch ist im Geistkirch Verlag erschienen.