Ein Bass für alle

Von Katharina Hamberger |
Klavier, Geige, Cello oder Schlagzeug: Alle diese Instrumente kann man schon in frühester Kindheit lernen. Beim Kontrabass dagegen mussten Kinder eine gewisse Größe erreicht haben. Das will der Bassist Claus Freudenstein nun ändern.
Claus Freudenstein muss sich auf einen Stuhl setzen, wenn er zusammen mit Tobias seinen Kontrabass stimmt. Denn Tobias ist gerade mal knapp 1,50 Meter groß – oder besser klein.

Tobias Winhart: "Also, ich war beim Claus mal in der Früherziehung, und ich wollt halt unbedingt ein Instrument lernen, und da hab ich halt Kontrabass schon im Visier gehabt, und jetzt spiel ich schon sechs Jahre und bin zehn Jahre alt und hab mit vier angefangen."

Der Zehnjährige würde wohl noch nicht so lange spielen, wenn es seinen Kontrabasslehrer Claus Freudenstein nicht gegeben hätte.

Claus Freudenstein: "Das Besondere ist, dass er einfach kleiner ist, als große Kontrabässe und das vor allem Kinder eben spielen können."

"Die Kinder, die jetzt anfangen, sind meistens fünf. Das heißt sie sind 1,20 groß - ungefähr. Also bei Vierjährigen, ich habs jetzt grad ausprobierte, ist es oft noch schwierig, weil einfach die Arme im Verhältnis zum Körper noch nicht so sind, wie bei einem weiterentwickelten Kind, aber ab fünf Jahre alten Kindern funktioniert’s super gut."

So erklärt Claus Freudenstein seine Erfindung. Seinen Minikontrabass hat der 39-Jährige auch deshalb erfunden, weil er über eine Eigenschaft besitzt, die sein Schüler Tobias sehr schätzt.

Tobias Winhart: "Und das Besondere am Claus ist, dass er halt nie aufgibt, wenn er einen Schüler hat, den gibt er nie auf. Er versucht aus jedem Schüler etwas heraus zu bekommen."

Freudenstein selbst nennt es "aus der Not heraus":

"Einfach, weil ein Kind da war, das des unbedingt probieren wollte, da gibt’s sogar noch Fotos aus der Zeit, wo der Knabe dann mit dem großen Bass dagestanden ist, alle haben sich ganz köstlich amüsiert. Ich hab’ mich dann damals auf die Suche gemacht, ob es denn so was gibt."

Und das gab es nicht. Entweder hätte die Produktion zu lang gedauert oder die Bässe wären einfach zu teuer gewesen. Drei- bis viertausend Euro sollte ein Instrument kosten.

Claus Freudenstein: "Und dann bin ich mit meinen Ideen, die ich so hatte und den gesammelten Bauteilen eben wieder zu den Geigenbauern und hab mich so durchgefragt, wer mir denn nach meinen Plänen einen bauen könnte und dann hat sich einer gefunden und hat dann nach meinen Angaben das erste Instrument gebaut, das war 2003."

Seit dem spielen Kinder in seinen Unterrichtsstunden und in ganz Europa mit seinen Bässen – und die sind nicht nur klein, sondern auch noch bunt. Tobias’ Bass zum Beispiel ist giftgrün.

Claus Freudenstein: "Das war einfach ein Versuch, und das hab’ ich dann in Schulen ausprobiert und hab das den Kindern dann gezeigt und auf das bunte Instrument sind sie natürlich immer zugesteuert und das hat die Idee dann bestätigt."

Claus Freudenstein selbst ist heute Bassist mit Leib und Seele. Hätte es seine Minikontrabässe schon in seiner Kindheit gegeben, dann hätte er sicher auch schon früher angefangen zu spielen. So aber kam alles ganz anders.

Claus Freudenstein: "Ich war vorher Finanzbeamter, hab’ dann erstmal E-Bass gespielt, aber auch sehr spät, mit 18 erst begonnen. Und bin dann währenddessen auf den Kontrabass gekommen. Das Finanzamt hat mir nie gefallen, muss man ganz ehrlich mal so sagen. Die Arbeit muss zwar gemacht werden, aber nicht von mir. Es ging dann ganz gut, hab’ geübt wie ein Tier und die Aufnahmeprüfung an den Musikhochschulen gemacht und dann Kontrabass studiert."

Heute ist Freudenstein Lehrer an der städtischen Musikschule im oberbayerischen Mühldorf - einer kleinen Kreisstadt am Inn zwischen München und Passau, in der er auch einen großen Teil seines Lebens verbracht hat. Etwas anderes würde er nie wieder machen wollen. Aber natürlich spielt er auch noch selbst.

Claus Freudenstein: "Das Instrument an sich, das einfach mir in allen Zügen entspricht und nahe kommt. Ein anderes Instrument hätte ich wahrscheinlich nie gespielt."

"Eines der wenigen Instrumente, das es im Jazz gibt, das es in der Rockmusik gibt, das es in der Klassik gibt, das gibt’s in der Volksmusik, das gibt’s in der Südamerikanischen Musik. Ein Bass ist überall dabei. Das ist das Schönste, dass ich Montagabend in einer Jazzband spiele, am Dienstagabend in einer Rockband und dann spiel ich im Orchester – das gibt’s mit keine anderen Instrument."

Noch hat er keine eigenen Kinder. Wenn aber, dann würde er ihnen auf jeden Fall Klavier beibringen – und natürlich Bass. Denn der sei ein gutes Streichinstrument, bei dem man Mitsingen kann. Darauf setzt er auch in seinen Unterrichtsstunden.

Freudenstein ist ein recht bescheidener Mensch, der um seine Erfindung kein großes Aufsehen machen will. Auffällig an ihm ist hauptsächlich sein grauer Zopf, der locker im Nacken zusammen gebunden ist und den er seit seiner Jugend trägt. Demnächst möchte er ein Haus bauen. Eine Villa wird es sicher nicht, dennreich wird er mit dem Minikontrabass nicht. Obwohl die Produktion am Anfang gut anlief.

Claus Freudenstein: "Ich weiß noch genau den Tag im Januar, als ich in der Staatsoper war in München und hab dem Solobassisten dort den Bass gezeigt und der war ganz aus dem Häuschen. Und der Bub, der damals damit gespielt hat, mochte den sehr gern und im Kollegenkreis ist das dann Stück für Stück, der wollte einen, der wollte einen, und natürlich bin ich dann nicht mehr hinterhergekommen mit dem, drum hab ich mir eine größere Firma dafür gesucht, die das dann in meinem Auftrag gebaut haben."

"Das ist aber die letzten Jahre leider ziemlich schief gegangen, weil ich da ganz schön über den Tisch gezogen wurde, jetzt hab’ ich einen neuen Bauer gefunden, der mir einen neuen Prototyp gebaut hat, den ich jetzt schon beim Patentamt habe anmelden lassen und jetzt geht’s dann daran, den wieder in Serie zu fertigen."

Und den Anspruch Millionär zu werden hatte Freudenstein sowieso nie. Wichtig ist anderes:

"Letzlich ist der Grundgedanke der Gute. Man kann jetzt dieses Instrument wie jedes andere auch anfangen, und man sieht es an den Schülerzahlen in den deutschen Musikschulen, dass der Kontrabass sich das fast verdreifacht hat in den letzten Jahren, und das ist natürlich darauf zurückzuführen und das streut sich jetzt über ganz Europa, diese Minibassbewegung. Das ist mittlerweile ein Instrument, das gang und gäbe ist."