Ein aussterbendes Volk
Je weniger wir von einem Volk wissen, umso mehr verharren wir in der Illusion, bei ihm sei die Zeit stehen geblieben. Wie gern stellen wir uns die Tschuktschen als Rentierzüchter, Pelztier- und Waljäger vor, die in langen Polarnächten in ihrer Jaranga sitzen und sich Geschichten erzählen.
Die Halbinsel Tschukota, der nordöstlichste Zipfel der ehemaligen UdSSR angrenzend an Alaska, ist die Heimat von Juri Rytscheu, der dort 1930 als Sohn eines Jägers geboren wurde und mit den alten Sitten und Gebräuchen aufwuchs. Mitte der Fünfziger Jahre ging er zum Studium nach Leningrad und begann zu schreiben. Zuerst in Tschuktschisch, später in Russisch. Alle seine Erzählungen und Romane handeln von seinem Volk, dessen Traditionen und Glaubensvorstellungen – und von den Brüchen und Veränderungen der Gegenwart. Etwa 12 bis 15.000 Tschutschuken leben heute noch in der Polarregion, öfter in Betonsilos als in den mit Walrosshäuten bespannten Zelten. Der Fernseher mit Satellitenschüssel und die unvermeidliche Schnapsflasche bestimmen den tristen Alltag. Ein kleines Volk, das dem Untergang geweiht ist.
Ihm entflieht Rytscheu in seinem neuen Buch "Der Mondhund". In dem zauberhaften Märchen sucht der Polarhund Monder seinen Platz in der Welt und die Liebe. Nur Polarhunde besitzen die Fähigkeit, bei Vollmond auf dem Tonstrahl ihres Heulens bis zum Mond zu fliegen und ein Stück von ihm abzubeißen. Wem dies glückt wie der junge Rüde Monder, der vermag alle Tiere zu verstehen und kann sich in sie verwandeln. Monder nutzt seine magischen Fähigkeiten, um die Welt zu erkunden. Er gleitet als Robbe durch das Meer, erfährt als Rabe vom Schöpfungsmythos der Welt und genießt die Leichtigkeit einer Mücke. Der Polarhund erfährt, dass die Welt nicht nur aus Eis und Tundra besteht. Doch Monder muss auch erkennen, wie viel Verrat, Mord und Totschlag in der Welt herrschen. So wird er immer unsicherer bei der Frage, was richtig ist und was falsch. Soll er in seine Heimat zurückkehren und wieder als Polarhund leben? Kaum findet er in seiner jeweiligen Gestalt eine Gefährtin, zieht es ihn wieder fort. Nur wer einmal die Gestalt eines Menschen angenommen hat, kann nicht in die Welt der Tiere zurück. Dafür erfährt Monder, dass nur der Mensch zu der "Großen Liebe" fähig ist.
Ein Märchen? "Ich bemühe mich, meine Bücher so zu schreiben, dass die Menschen einander lieben", sagte Jury Rytcheu vor sechs Jahren in einem Interview. "Der Mondhund" entstand drei Jahre später, gewidmet seiner großen Liebe, seiner damals im Sterben liegenden Frau Galja.
Juri Rytcheu: Der Mondhund
Aus dem Russischen von Antje Leetz
Unionsverlag. Zürich 2005
120 Seiten, 12,90 Euro
Ihm entflieht Rytscheu in seinem neuen Buch "Der Mondhund". In dem zauberhaften Märchen sucht der Polarhund Monder seinen Platz in der Welt und die Liebe. Nur Polarhunde besitzen die Fähigkeit, bei Vollmond auf dem Tonstrahl ihres Heulens bis zum Mond zu fliegen und ein Stück von ihm abzubeißen. Wem dies glückt wie der junge Rüde Monder, der vermag alle Tiere zu verstehen und kann sich in sie verwandeln. Monder nutzt seine magischen Fähigkeiten, um die Welt zu erkunden. Er gleitet als Robbe durch das Meer, erfährt als Rabe vom Schöpfungsmythos der Welt und genießt die Leichtigkeit einer Mücke. Der Polarhund erfährt, dass die Welt nicht nur aus Eis und Tundra besteht. Doch Monder muss auch erkennen, wie viel Verrat, Mord und Totschlag in der Welt herrschen. So wird er immer unsicherer bei der Frage, was richtig ist und was falsch. Soll er in seine Heimat zurückkehren und wieder als Polarhund leben? Kaum findet er in seiner jeweiligen Gestalt eine Gefährtin, zieht es ihn wieder fort. Nur wer einmal die Gestalt eines Menschen angenommen hat, kann nicht in die Welt der Tiere zurück. Dafür erfährt Monder, dass nur der Mensch zu der "Großen Liebe" fähig ist.
Ein Märchen? "Ich bemühe mich, meine Bücher so zu schreiben, dass die Menschen einander lieben", sagte Jury Rytcheu vor sechs Jahren in einem Interview. "Der Mondhund" entstand drei Jahre später, gewidmet seiner großen Liebe, seiner damals im Sterben liegenden Frau Galja.
Juri Rytcheu: Der Mondhund
Aus dem Russischen von Antje Leetz
Unionsverlag. Zürich 2005
120 Seiten, 12,90 Euro