Ein außergewöhnliches Ereignis?

Von Susanne Arlt · 05.12.2012
In diesem Jahr gehören die USA zu den zehn am schwersten von extremen Wetterlagen betroffenen Staaten. Nach Trockenheit im Sommer hinterließ Ende Oktober Hurrikan Sandy längs der Ostküste eine Spur der Verwüstung. Ein Zeichen für den Klimawandel, meinen amerikanische Wissenschaftler.
Auch in dunklen Stunden ist immer noch ein bisschen Platz für Galgenhumor - selbst wenn die Pointe in diesem Fall nicht einmal lustig gemeint war:

Jahrhundertfluten haben wir nun wohl alle zwei Jahre, habe er kürzlich gegenüber dem Präsidenten geflachst, so New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo nach einem Besuch in Washington. In dem ansonsten durchaus ernsten Gespräch mit Barack Obama sei man sich aber einig gewesen, dass all jene, die die aktuellen Klimaveränderungen nicht als dramatisch betrachten wollten, wohl nur als realitätsfremd bezeichnet werden können. Haben also die Industrienationen der Welt mit ihrem gigantischen CO²-Ausstoss Naturkatastrophen wie den Hurrikan Sandy selbst zu verantworten? Die Wissenschaft gibt auf diese Frage keine eindeutige Antwort:

Es gibt keinen eindeutigen Beweis, man kann nicht sagen: Aha! Dieser spezielle Hurrikan wurde durch die globale Erwärmung ausgelöst, sagt Professor Michio Kaku von der New York City University. Aber, sagt der Physiker, es gibt eine Reihe von Indikatoren, die auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und anomalen Wetterphänomenen hindeuten: So habe Sandy seine gewaltige Energie aus dem warmen Wasser der Karibik und des Westatlantiks gewonnen, deren Temperaturen gegenwärtig knapp drei Grad über den normalen Werten lägen.

Seine verheerende zerstörerische Gewalt bekam Sandy aber schließlich erst nach dem Zusammentreffen mit einem Wintersturm über dem amerikanischen Festland. Ein Zufall, aber keine Ausnahme: Wir müssen uns daran gewöhnen, sagt auch Kaku, dass die Menschheit immer häufiger mit extremen Wetterlagen konfrontiert wird:

"Manche nennen es die neue Normalität. Wir hatten Jahrhundert-Waldbrände in Texas, Jahrhundert-Fluten am Mississippi, Jahrhundert-Dürren im Südwesten der USA - es hat einen Grund, dass wir plötzlich im Wechsel Jahrhundert-Dies und Jahrhundert-Das haben."

Die Serie schwerer Naturkatastrophen ist mittlerweile auch zum Thema der Innenpolitik in den USA geworden: Nach Sandy haben führende demokratische Senatoren eine Verstärkung des Küstenschutzes und eine generelle Verbesserung der Infrastruktur gefordert: Tunnel und Brücken seien zum Teil vor 100 Jahren gebaut worden, als noch niemand an den Klimawandel gedacht habe, so der New Yorker Senator Chuck Schumer. Es geht aber nicht nur um den passiven Schutz, sondern auch um den aktiven Kampf für eine Begrenzung der CO²-Emission und eine ernsthaftere Umweltschutzpolitik in den USA:

"Ich denke es gäbe viel zu tun gegen die Auswirkungen des Klimawandels um Zeit zu gewinnen für die bahnbrechenden Entwicklungen für eine echte Verringerung der Emission."

Klimatologen wie Dr. Radley Horton von der New Yorker Columbia Universität sehen im traditionellen Küstenschutz durch Deiche oder Flutsperrwerke nur eine Zwischenlösung. Denn die globale Erwärmung und der Treibhauseffekt entfalten ihre Gefahren nicht nur durch spektakuläre Sturmfluten, sondern auch durch den schleichenden, kaum wahrnehmbaren Anstieg der Ozeane:

"Der Meeresspiegel an den New Yorker Küsten ist im letzten Jahrhundert um über 30 Zentimeter gestiegen, in diesem Jahrhundert kommen mindestens 50 Zentimeter hinzu. Selbst wenn es keine starken Stürme wie Sandy geben sollte, wird das zum mehr Überflutungen führen."

Die von Horton genannten Zahlen sind Mindestwerte, tatsächlich steigt das Wasser der Weltmeere aber schneller, als Fachleute bislang angenommen haben: Statt der von UN-Experten errechneten 2 Millimeter steigt der Spiegel derzeit um 3,2 Millimeter im Jahr. Die Klimarisiken sind unterschätzt worden, auch weil die Wissenschaft lange nicht zu einer einheitlichen Bewertung gefunden hat. Zu denen, die mittlerweile anders urteilen als noch vor ein paar Jahren, gehört auch Professor Michio Kaku:

"Ich war ein Skeptiker, ich habe mir immer gesagt: Lass mich in Ruhe damit: Die Erde ist so groß, was der Mensch macht ist so klein, dass es nie und nimmer zur globalen Erwärmung führen kann."

Kaku sagt das voller Selbstironie. Heute führen die Symptome für ihn zu einer klaren Diagnose: Schrumpfende Gletscher, schmelzende Polkappen, die Ausbreitung tropischer Krankheiten auf der Nordhalbkugel lassen kaum Zweifel, dass die globale Erwärmung keine zyklische Entwicklung ist, sondern die Folge menschlichen Handelns. Das wird Folgen für die Landkarte haben: Auch wenn der Meeresspiegel nur wie bislang vorausberechnet steigt, wird sich die Küstenlinie auch in Metropolen wie New Orleans, New York oder Boston nachhaltig verändern. Im Klartext: Hier wird man auf Dauer nicht mehr sicher leben können, auch ohne den nächsten Hurrikan.
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