Ein Architekt von Gegenwelten
Wenn Stefan Mayer mit Regisseuren zusammenarbeitet, hat er kein Problem, deren Vorstellungen in sein Bühnenbild einzubauen. Aber wenn er selbst inszeniert, gibt er Bühnenbild und Kostüm ungern aus der Hand. Dann will er Experimentierräume schaffen, "in denen Menschen aufeinander knallen wie Billardkugeln". Mit Schillers "Räubern" in einer Inszenierung von Nicolas Stemann kommt Stefan Mayer als Bühnenbildner zum Theatertreffen nach Berlin.
Eine junge Frau kniet neben einem alten Radio, gerade hat sie es angestellt. Ihre roten Haare fallen auf die Schultern. Die Bühne ist schwarz, ihr Gesicht der einzige helle Fleck im Raum. Ein starker Scheinwerfer leuchtet es von unten an und blendet sie. Trotzdem sucht ihr Blick einen Punkt im finsteren Zuschauerraum. Ist sie wach? Träumt sie?
"Bei mir geht es so, wenn ich inszeniere, dass ich auch die Haare zurückhaben will, das Gesicht, die Augen sehen will, nicht zu viel Schminke, Pampe darüber, weil mich der Mensch interessiert."
Stefan Mayer probt im Alten Schauspielhaus in Stuttgart Heinrich von Kleists "Käthchen von Heilbronn". Hier ist er nicht nur für das Bühnenbild verantwortlich, er führt auch Regie. Sein Platz ist in der ersten Reihe. Zumindest sieht es so aus, als sei da sein Platz: Es ist ein kleines Regie-Pult mit einem Buch aufgebaut, um Notizen zu machen.
Aber Stefan Mayer sitzt nicht, sondern er tigert vor der Bühne auf und ab in Kapuzenpullover und Jeans; die dunklen Haare wippen in die breite Stirn. Kaum unterbricht er die Schauspieler, gibt nur kurze Anweisungen für den Lichttechniker. "Und black", bitte die Bühne dunkler machen.
"Das eigene Inszenieren ist bei mir nicht, um noch größere Bühnenbilder zu bauen, um alles fahren zu lassen, was man sonst nicht darf, das ist grauenvoll, sondern Experimentierräume zu schaffen, in denen Menschen aufeinander knallen wie Billardkugeln."
Das "Käthchen" ist Stefan Mayers vierte eigene Inszenierung nach Fassbinders "Bremer Freiheit" und Büchners "Leonce und Lena" am Schauspielhaus Bochum und der Oper "Turandot" am Theater Dortmund. Starke Frauen interessieren ihn. Sein Käthchen soll kein verträumtes Mädchen sein, das aus der Kleinstadt in die große Welt stolpert.
"Was wir auch gespürt haben, als wir klein waren, einen anderen inneren Zwang, und dann ans Theater gegangen sind anstatt zur Post. Und dass das bei Käthchen ähnlich ist, dass sie losgeht und dann in eine andere Gesellschaftsordnung sich begibt, die sehr patriarchalisch geprägt ist. Und da kommt Käthchen hinein und behauptet von Anfang an eine andere Welt. Das verstört einerseits die Gesellschaft und auf der anderen Seite verzaubert sie."
Eine andere Welt entwerfen, das kann und will Theater, und deshalb zog es Stefan Mayer dorthin.
"Ich kann eine Gegenwelt entwerfen, und keiner kann mir gegen den Karren fahren. Ich kann es wieder wegnehmen, weil Theater vergänglich ist. Ich kann eine neue entwerfen. Ich kann mehrere gleichzeitig entwerfen, und niemand kann mich umbringen und bestrafen. Theater darf alles."
Und deshalb zögert er auch nicht, Theaterstücke umzubauen oder Teile zu streichen. Bei seinem "Käthchen" etwa gibt es am Schluss keine Hochzeit zwischen ihr und dem Grafen, sondern...
"Die hauen ab. Die verlassen am Schluss die Gesellschaft und hängen einer anderen Utopie nach."
1959 in Stuttgart geboren, verschlang Stefan Mayer schon als ZwölfJähriger die Stücke von Horvath. Freiwillig begleitete er seine Eltern in Theatervorstellungen. Mit 17, nach der Realschule, machte er Praktika in allen Bereichen des Württembergischen Staatstheaters, damals unter der Intendanz von Claus Peymann, bis er sich an der Kunstakademie Stuttgart bewerben konnte.
"Damals konnte man nur mit Abitur Bühnenbild studieren. Ich hatte dann gehört, dass sie ein Gesetz verabschieden, dass man auch mit einer Begabtenprüfung machen kann."
Stefan Mayer ist kein zartgliedriger Intellektueller, sondern ein Mann wie ein Baum, massiv, einer der so aussieht, als könne er zupacken und wolle auch nur das. Er entwarf neun Jahre lang Bühnenbilder für Jürgen Kruse, elf baute er für Karin Henkel, zwei für Nicolas Stemann. Stefan Mayer sucht die Auseinandersetzung mit anderen; aus der erwächst irgendwann ein Raum. Aber wenn er Regie führt, dann entwirft er das Bühnenbild lieber selbst.
"So weit bin ich noch nicht, dass ich die Lockerheit habe, mich auf andere einzulassen, die Sicherheit auf einen Fight auch. Außerdem macht es mir Spaß."
Freie Zeit bleibt da kaum übrig, aber Pausen mag er sowieso nicht. Falls er dann doch mal theaterfreie Zeit hat, verbringt er sie auf dem Motorrad - und mit seinen beiden kleinen Kindern in München.
Meistens ist Stefan Mayer in einem Theaterhaus anzutreffen oder auf der Autobahn, im Laster ein Bühnenmodell, im Radio die Musik aufgedreht. Für ihn ist das Leben Theater und Theater eine Lebensentscheidung.
"Schlafen kann ich, wenn ich tot bin, hat Fassbinder gesagt. Ich kann es nicht steuern. Ansonsten kann ich nur mit Heiner Müller sagen, arbeiten, arbeiten und nicht verzweifeln."
Service:
Mit Schillers "Räubern" in einer Inszenierung von Nicolas Stemann kommt Stefan Mayer als Bühnenbildner zum Theatertreffen nach Berlin. Vorstellungen am 11. und 12. Mai jeweils um 19.30 Uhr im Haus der Berliner Festspiele.
In Stuttgart ist gerade Stefan Mayers Inszenierung des "Käthchen von Heilbronn" zu sehen.
"Bei mir geht es so, wenn ich inszeniere, dass ich auch die Haare zurückhaben will, das Gesicht, die Augen sehen will, nicht zu viel Schminke, Pampe darüber, weil mich der Mensch interessiert."
Stefan Mayer probt im Alten Schauspielhaus in Stuttgart Heinrich von Kleists "Käthchen von Heilbronn". Hier ist er nicht nur für das Bühnenbild verantwortlich, er führt auch Regie. Sein Platz ist in der ersten Reihe. Zumindest sieht es so aus, als sei da sein Platz: Es ist ein kleines Regie-Pult mit einem Buch aufgebaut, um Notizen zu machen.
Aber Stefan Mayer sitzt nicht, sondern er tigert vor der Bühne auf und ab in Kapuzenpullover und Jeans; die dunklen Haare wippen in die breite Stirn. Kaum unterbricht er die Schauspieler, gibt nur kurze Anweisungen für den Lichttechniker. "Und black", bitte die Bühne dunkler machen.
"Das eigene Inszenieren ist bei mir nicht, um noch größere Bühnenbilder zu bauen, um alles fahren zu lassen, was man sonst nicht darf, das ist grauenvoll, sondern Experimentierräume zu schaffen, in denen Menschen aufeinander knallen wie Billardkugeln."
Das "Käthchen" ist Stefan Mayers vierte eigene Inszenierung nach Fassbinders "Bremer Freiheit" und Büchners "Leonce und Lena" am Schauspielhaus Bochum und der Oper "Turandot" am Theater Dortmund. Starke Frauen interessieren ihn. Sein Käthchen soll kein verträumtes Mädchen sein, das aus der Kleinstadt in die große Welt stolpert.
"Was wir auch gespürt haben, als wir klein waren, einen anderen inneren Zwang, und dann ans Theater gegangen sind anstatt zur Post. Und dass das bei Käthchen ähnlich ist, dass sie losgeht und dann in eine andere Gesellschaftsordnung sich begibt, die sehr patriarchalisch geprägt ist. Und da kommt Käthchen hinein und behauptet von Anfang an eine andere Welt. Das verstört einerseits die Gesellschaft und auf der anderen Seite verzaubert sie."
Eine andere Welt entwerfen, das kann und will Theater, und deshalb zog es Stefan Mayer dorthin.
"Ich kann eine Gegenwelt entwerfen, und keiner kann mir gegen den Karren fahren. Ich kann es wieder wegnehmen, weil Theater vergänglich ist. Ich kann eine neue entwerfen. Ich kann mehrere gleichzeitig entwerfen, und niemand kann mich umbringen und bestrafen. Theater darf alles."
Und deshalb zögert er auch nicht, Theaterstücke umzubauen oder Teile zu streichen. Bei seinem "Käthchen" etwa gibt es am Schluss keine Hochzeit zwischen ihr und dem Grafen, sondern...
"Die hauen ab. Die verlassen am Schluss die Gesellschaft und hängen einer anderen Utopie nach."
1959 in Stuttgart geboren, verschlang Stefan Mayer schon als ZwölfJähriger die Stücke von Horvath. Freiwillig begleitete er seine Eltern in Theatervorstellungen. Mit 17, nach der Realschule, machte er Praktika in allen Bereichen des Württembergischen Staatstheaters, damals unter der Intendanz von Claus Peymann, bis er sich an der Kunstakademie Stuttgart bewerben konnte.
"Damals konnte man nur mit Abitur Bühnenbild studieren. Ich hatte dann gehört, dass sie ein Gesetz verabschieden, dass man auch mit einer Begabtenprüfung machen kann."
Stefan Mayer ist kein zartgliedriger Intellektueller, sondern ein Mann wie ein Baum, massiv, einer der so aussieht, als könne er zupacken und wolle auch nur das. Er entwarf neun Jahre lang Bühnenbilder für Jürgen Kruse, elf baute er für Karin Henkel, zwei für Nicolas Stemann. Stefan Mayer sucht die Auseinandersetzung mit anderen; aus der erwächst irgendwann ein Raum. Aber wenn er Regie führt, dann entwirft er das Bühnenbild lieber selbst.
"So weit bin ich noch nicht, dass ich die Lockerheit habe, mich auf andere einzulassen, die Sicherheit auf einen Fight auch. Außerdem macht es mir Spaß."
Freie Zeit bleibt da kaum übrig, aber Pausen mag er sowieso nicht. Falls er dann doch mal theaterfreie Zeit hat, verbringt er sie auf dem Motorrad - und mit seinen beiden kleinen Kindern in München.
Meistens ist Stefan Mayer in einem Theaterhaus anzutreffen oder auf der Autobahn, im Laster ein Bühnenmodell, im Radio die Musik aufgedreht. Für ihn ist das Leben Theater und Theater eine Lebensentscheidung.
"Schlafen kann ich, wenn ich tot bin, hat Fassbinder gesagt. Ich kann es nicht steuern. Ansonsten kann ich nur mit Heiner Müller sagen, arbeiten, arbeiten und nicht verzweifeln."
Service:
Mit Schillers "Räubern" in einer Inszenierung von Nicolas Stemann kommt Stefan Mayer als Bühnenbildner zum Theatertreffen nach Berlin. Vorstellungen am 11. und 12. Mai jeweils um 19.30 Uhr im Haus der Berliner Festspiele.
In Stuttgart ist gerade Stefan Mayers Inszenierung des "Käthchen von Heilbronn" zu sehen.