Ein anderer Blick auf Anne Frank

Nach einem Gespräch mit Ellen Feldman · 15.07.2005
Anne Frank berichtet in ihrem Tagebuch von einem Jungen namens Peter, der mit ihr im Versteck lebte und zu dem sie eine zarte Zuneigung empfand. Die amerikanische Schriftstellerin Ellen Feldman beschreibt in ihrem Roman, wie das Leben jenes Jungen, der im KZ ermordet wurde, im amerikanischen Exil hätte weitergehen können.
Anne Frank berichtet in ihrem weltberühmten Tagebuch auch von einem Jungen namens Peter van Daan, der mit ihr im Versteck lebte, und beschreibt, wie es zwischen den beiden zu zaghaften Annäherungen kam.

Die amerikanische Schriftstellerin Ellen Feldman besuchte das Anne-Frank-Haus in Amsterdam. Sie hörte dort beiläufig von einer Museumsangestellten, dass man nicht genau wisse, was aus jenem Peter van Daan geworden wäre. Bei ihren Recherchen fand Feldman heraus, dass er im KZ Mauthausen umgebracht wurde. Sie beschloss, sein Leben in einem fiktiven Roman weiterzuspinnen: Was wäre gewesen, wenn der Junge, der Anne Frank liebte, noch lebte?

In ihrem Buch "Der Junge, der Anne Frank liebte", das Anfang des Jahres in den USA erschien und enthusiastische Kritiken erntete und im August auf Deutsch erscheint, emigriert Peter ins amerikanische Exil, wo er eine Familie gründet und ein erfolgreicher Geschäftsmann wird. Äußerlich lebt er den amerikanischen Traum, doch innen bleibt er ein zerrissener Mensch, der seine Vergangenheit verleugnet. Erst recht, als das "Tagebuch der Anne Frank" in den USA erscheint, auch in seinem engsten Umkreis gelesen wird und ihn mit seiner eigenen Geschichte konfrontiert.

Fazit sprach mit der Schriftstellerin Ellen Feldman und ihrer Übersetzerin Mirjam Pressler über das Buch. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch.

Fazit: Woher kommt diese Faszination für die Figur des Peter?

E. Feldman: Als mir die Angestellte sagte, dass er nicht überlebt hat, da war die Idee seines Überlebens, oder auch die Schuld der Überlebenden, und die Vorstellung davon, die eigene Vergangenheit zu verleugnen und sich neu zu erfinden, was er ja tut, nämlich zu sagen: Ich werde mich selbst neu erfinden. Da ich nun eine amerikanische Autorin bin und Amerika das Land der Neuerfindungen ist, wollte ich beschreiben, wie jemand durch so etwas gegangen sein kann, so etwas durchgemacht haben kann und jetzt sein Leben wieder neu beginnt und wie ihn die Vergangenheit aber trotzdem noch verfolgt.

Sie können das vollständige Gespräch mit Ellen Feldmann und Mirjam Pressler in der rechten Spalte als Audio hören.

Ellen Feldman:
"Der Junge, der Anne Frank liebte"
Übersetzung Mirjam Pressler
Deutsche Verlagsanstalt
17,90 Euro