Ein aktuelles Stück zur Krise: "König Lear"

Die neue Spielzeit hat noch nicht begonnen, allenfalls die Lektüre der Spielzeithefte vermittelt einen ersten Eindruck davon, was die nächste Theatersaison erwarten lässt. Und da stößt man immer wieder auf einen Autor, den man zwar jedes Jahr auf einem der Spitzenplätze vermuten darf, der aber allem Anschein nach einer besonders starken Spielzeit entgegengeht: William Shakespeare.
Um einen Schwerpunkt auszumachen, den auch das Publikum und nicht nur die reisenden Theaterkritiker als solchen erkennen, muss man den Radius der Betrachtung eingrenzen. Und so liegen den folgenden Beobachtungen die Spielpläne der nordrhein-westfälischen Theater zugrunde, die meisten nicht weiter als eine Stunde Fahrzeit voneinander entfernt. Und was da das Publikum zwischen Aachen und Dortmund, Bonn und Essen zu sehen bekommen wird, das sieht ganz nach einem Shakespeare-Festival aus. Gleich vier Häuser eröffnen mit dem Elisabethaner: zweimal "König Lear" in Köln und Bochum, "Othello" in Bonn und "Romeo und Julia" in Essen. Die Tragödien sind gefragt, auch "Hamlet" und "Richard III." haben Auftritte auf NRW-Bühnen, die Komödien – sonst Dauerbrenner im Programm – fehlen auffällig. Und es kristallisiert sich ein Stück des Jahres heraus: "König Lear". Neben Bochum werden auch Moers und Wuppertal Shakespeares düsteres, nihilistisches Stück auf die Bühne bringen.
Beschlossen worden muss das vor ungefähr einem Jahr sein – Theaterplanungen brauchen viel Vorlauf. Damals haben Bankenzusammenbrüche und heraufziehende Wirtschaftskrise massiv die öffentliche Debatte bestimmt. Und in der Tat, wenn die Weltliteratur ein Stück zur Krise zu bieten hat, dann "König Lear": Am Anfang scheint alles geregelt, am Ende ist nur nacktes Chaos übrig. Der alte König Lear will abdanken und sein Reich aufteilen unter seinen drei Töchtern – je nach der Tiefe ihrer Zuneigung zu ihm soll die Größe des Erbes ausfallen. Zwei heucheln ihm das Blaue vom Himmel herunter und werden reich belohnt, die dritte ist ehrlich und schlicht und geht leer aus.
Macht gegen Liebe, wenn das keine Spekulation ist und eine haltlose dazu: Lear investiert in ein ungreifbares, irrationales, ja inexistentes Produkt – glanzlos-nüchterne Angebote versprechen keinerlei Attraktivität. Und als sich seine Spekulation sich als falsch erweist, stürzt er ins Bodenlose. Der Kurswert des Menschen tendiert gegen Null, nur sein äußerer Status hatte Bedeutung. Und sein Sturz löst eine Kette weiterer Katastrophen aus. Die Entwicklung wird völlig unkontrollierbar, die Folgen stehen in keinem nachvollziehbaren Verhältnis mehr zu den Ursachen.
Man kann den Inhalt des Stücks beschreiben mit Begriffen, die auch in jedem Börsenbericht vorkommen könnten. Nun wird kein Mensch im Ernst behaupten, "König Lear" sei ein Stück über den Finanzcrash. Die Übereinstimmungen beziehen sich nur auf das holzschnittartig beschriebene äußere Gerüst. Dahinter öffnet sich eine überlebensgroße Tragödie, die die Figuren und die Konflikte vergrößert auf ein Maß, das die Bühne füllt und die Phantasie der Zuschauer. Aber im Untergrund der Geschichte sind Erfahrungen, die man auch im Alltag machen kann: Machtlosigkeit, Unsicherheit, Kontrollverlust. Und insofern ist es natürlich kein Zufall, dass "Lear" zu einem Stück der Krise wird.
Beschlossen worden muss das vor ungefähr einem Jahr sein – Theaterplanungen brauchen viel Vorlauf. Damals haben Bankenzusammenbrüche und heraufziehende Wirtschaftskrise massiv die öffentliche Debatte bestimmt. Und in der Tat, wenn die Weltliteratur ein Stück zur Krise zu bieten hat, dann "König Lear": Am Anfang scheint alles geregelt, am Ende ist nur nacktes Chaos übrig. Der alte König Lear will abdanken und sein Reich aufteilen unter seinen drei Töchtern – je nach der Tiefe ihrer Zuneigung zu ihm soll die Größe des Erbes ausfallen. Zwei heucheln ihm das Blaue vom Himmel herunter und werden reich belohnt, die dritte ist ehrlich und schlicht und geht leer aus.
Macht gegen Liebe, wenn das keine Spekulation ist und eine haltlose dazu: Lear investiert in ein ungreifbares, irrationales, ja inexistentes Produkt – glanzlos-nüchterne Angebote versprechen keinerlei Attraktivität. Und als sich seine Spekulation sich als falsch erweist, stürzt er ins Bodenlose. Der Kurswert des Menschen tendiert gegen Null, nur sein äußerer Status hatte Bedeutung. Und sein Sturz löst eine Kette weiterer Katastrophen aus. Die Entwicklung wird völlig unkontrollierbar, die Folgen stehen in keinem nachvollziehbaren Verhältnis mehr zu den Ursachen.
Man kann den Inhalt des Stücks beschreiben mit Begriffen, die auch in jedem Börsenbericht vorkommen könnten. Nun wird kein Mensch im Ernst behaupten, "König Lear" sei ein Stück über den Finanzcrash. Die Übereinstimmungen beziehen sich nur auf das holzschnittartig beschriebene äußere Gerüst. Dahinter öffnet sich eine überlebensgroße Tragödie, die die Figuren und die Konflikte vergrößert auf ein Maß, das die Bühne füllt und die Phantasie der Zuschauer. Aber im Untergrund der Geschichte sind Erfahrungen, die man auch im Alltag machen kann: Machtlosigkeit, Unsicherheit, Kontrollverlust. Und insofern ist es natürlich kein Zufall, dass "Lear" zu einem Stück der Krise wird.