Ein abgekartetes Spiel

Im Oktober wird die zweite Runde im sogenannten "Exzellenz-Wettbewerb" deutscher Universitäten entschieden. Für den Bamberger Soziologen Richard Münch ist dieser Wettbewerb ein abgekartetes Spiel.
Denn hier wie bei anderer Gelegenheit entscheiden, so seine These, nicht wissenschaftliche Leistungen darüber, wer in der Forschung wie viel Geld für weitere Forschung erhält. Vielmehr seien es Kartelle, Monopole und Oligarchien im Wissenschaftsbetrieb, die dazu führen, dass immer wieder dieselben Universitäten und Institute den Löwenanteil der Forschungsförderung einstecken.

Wie kommt Münch zu solchen Behauptungen? Er hat nachgerechnet und zum Beispiel herausgefunden, dass die am meisten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) begünstigten Universitäten gar nicht den höchsten Ausstoß an wissenschaftlichen Publikationen vorweisen können. Es seien vor allem Traditionsuniversitäten – wie etwa München, Heidelberg oder Bonn – und Technische Universitäten- wie Karlsruhe, wiederum München oder Aachen -, die der Exzellenz-Wettbewerb begünstige, aber nicht die leistungsfähigeren, weil kleineren Hochschulen wie Duisburg, Würzburg oder Erlangen. (Die eigene Universität Bamberg, erwähnt Münch in diesem Zusammenhang nicht, aber es ist klar, dass er auch sie für übervorteilt hält.) Die Forschungsförderung belohnt, mit anderen Worten, nicht den Erkenntnisgewinn des gedanken- und erfindungsreichen Professors, sondern den Umfang seines Mitarbeiterstabs.

Der Mechanismus, der für diese Irrationalität bei der Mittelvergabe sorgt, ist für Münch zum einen das Gekungel in Fachausschüssen, im Gutachterwesen und in den forschungspolitischen Institutionen. Hier setze sich Größe der Universität und politischer Einfluss durch. Zum anderen kritisiert Münch die fast blinde Orientierung der Forschungsförderung an Kennziffern und Ranglisten, dummdeutsch: an "Rankings". Man zählt die Aufsätze eines Forschers lieber als sie zu beurteilen – weil zählen leichter geht. Oder man addiert eingeworbene Finanzmittel ohne Rücksicht darauf, wofür sie eingeworben wurden und welcher Verwendung sie danach zugeführt worden sind. Viel Drittmittel, also Exzellenz, so der Fehlschluss, der außer Acht lässt, dass allein schon die Stromrechnungen von experimentellen Physikern höher sind als sämtliche Personalkosten aller Germanisten zusammen, dass also die Höhe der verbrauchten Mittel nichts über die geleistete Forschung aussagt.

Münch macht im Zuge dieser Attacke auf die Praktiken der Forschungsförderung eine Reihe völlig zutreffender Beobachtungen: Die Wissenschaft wird durch den ständigen Zwang zum Schreiben von Drittmittelanträgen von ihrer eigentlichen Arbeit ferngehalten. Es werden immer nur Projekte, also Pläne beurteilt, aber nie Ergebnisse. Der Zusammenhang zwischen den Drittmitteln und den Publikationen ist schwach. Für manche Disziplinen insbesondere der Geisteswissenschaften passt die Form der arbeitsteiligen Großforschung fast nie und führt nur zum Aufbau von Fassaden der Interdisziplinarität, hinter denen aber nach wie vor Einzelforscher völlig unabhängig voneinander den eigenen Interessen nachgehen.

Das Urteil des Buches lautet also in einem Satz: Es geht völlig unsachgemäß zu in der Forschungsfinanzierung. Dem kann man, nach allem, was wir wissen, zustimmen. Leider aber beschädigt Richard Münch seinen Befund dadurch, dass er selber völlig unsachgemäß vorgeht. Er schimpft auf die Amerikanisierung der Wissenschaft und nennt gleichzeitig das Hochschulsystem der Vereinigten Staaten vorbildlich wettbewerbsorientiert. Er polemisiert gegen spezialisierte Forschung und kommt selber doch nicht ohne sie aus. Und er pflegt ein Ideal der produktiven Wissenschaft, die auf einzelnen Köpfen – Professoren - beruht, die sich mit ganz großen Fragen beschäftigen, die nicht arbeitsteilig bearbeitet werden können. Das aber ist ein typisch geisteswissenschaftliches Ideal, und man fragt sich, ob der Wissenschaftssoziologe Münch schon einmal ein großes Labor von innen gesehen hat. Forschung ist zu ganz großen Teilen auch Routine und Masse und Arbeitsteilung und Stromrechnung. Das rechtfertigt nicht die merkwürdigen Praktiken der Mittelvergabe an Forscher samt der dazugehörigen Exzellenz-Phrasen in unserem Land. Aber es setzt der schäumenden Polemik dagegen empirische Grenzen.

Rezensiert von Jürgen Kaube

Richard Münch: Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main
475 Seiten, 15 Euro