Ein Abend Weiß in Weiß
Das Weiß auf der Bühne steht für die Kälte des französischen Originals. Phädra, die unglückliche Herrscherin, findet Gefallen an ihrem Stiefsohn. Aus dem Sprachduktus des von Friedrich Schiller übersetzten Stücks entwickeln die Spielenden ihre Energie.
Aufführungen gibt's, denen ist der Bühnenbildner als Regisseur im ersten Augenblick schon anzusehen. Racines "Phädra" in der Fassung von Johannes Schütz am Schauspiel Köln ist so – beim Eintritt in die kahle Theaterhalle in der rechtsrheinischen Vorstadt Kalk ist unübersehbar, dass an diesem Abend das Bild die Taktzahl vorgeben wird; auch weil ein junger Mann schon beim Eintreffen des Publikums einsam Runde um Runde dreht auf einer Fläche ganz aus weißem Sand. Weiß auf weiß liegt vorne quer im Sand ein langer, kräftiger Balken; später werden wir ahnen, dass er aus nassgeklebtem Salz besteht - wenn die Titelheldin, die todgeweihte griechische Herrschergattin Phädra, diese umgestürzte Säule per Spitzhacke in Krümel schlagen wird.
Eine Abend also Weiß in Weiß, und wie bunte Fremdkörper wirkt darin das Personal – Phädra, die unglückliche Herrscherin, die erotisches Gefallen am Stiefsohn entwickelt; denn Gatte Theseus ist gerade fern und fremdelt im übrigen andauernd in anderen Betten, eine Art antiker Berlusconi. Der begehrte Jüngling verweigert sich aber, weil er eine andere, Jüngere liebt, eine politische Gefangene am Athener Hof. Ein sonderbarer, in sich selbst gekehrter Junge ist dieser Hippolyt – als Vater heimkehrt, schwärzt Mutter ihn an, aus namenloser Enttäuschung: Er habe sie bedrängt. Der Junge wird verstoßen und stirbt auf grässliche Weise, unschuldig zudem – die Mutter richtet sich selber. Theseus bleibt trauernd zurück und adoptiert des Sohns Geliebte.
Das allgegenwärtige Weiß steht für die mörderische Kälte und Konsequenz des französischen Originals; fast alle Aufführungen jüngerer Zeit scheiterten ja an dieser unausweichlichen Konstruktion des Textes. In den bunten Figuren, ausgestattet von Sabine Thoss, findet sich die deutsche Übertragung von Friedrich Schiller wieder, und der ist der eigentliche Star des Abends – mit Schillers Emphase beginnt Racines quasi zur Theorie erstarrtes Personal tatsächlich zu leben: diese zwischen unangemessenen Gefühlen zerriebene Frau, dieser an monströsen Ansprüchen zerschellende Sohn, der mit göttlichem Talent zu dauernd tragischem Missverstehen geschlagene Vater; die Amme, die im Willen zur Wahrheit alles zerstört, der Lehrer, der die toten Fetzen aufsammelt, die Mädchen am Rande, gefangen zwischen liebender Furie und kaltem Erkennen. Schiller gibt den Atem für die Wiederbegegnung mit "Phädra".
Johannes Schütz war Jürgen Goschs stilprägender Bühnenbildner, für den vor zwei Jahren verstorbenen Regisseur baute Schütz fast immer sehr ähnliche, nahezu verwechselbare Spiel-Kisten; zuweilen hängte er (wie jetzt auch in Köln) einen kaum sichtbaren Rahmen aus weißen Streben vor das Bild der Bühne. Hier beginnt "Kunst", sagt dieser Rahmen; und die Künstlichkeit dahinter hat auch jetzt enorme Kraft. Dem Personal in dieser Kunst-Behauptung gibt Schütz nicht sehr viel an szenischen Vorgaben mit fürs Spiel – fast alle Energie entwickeln die Mitglieder des Ensembles, Anja Lais vorneweg, aus Schillers Sprach-Fundus.
Vielleicht ist diese "Phädra" damit noch kein Meilenstein, obwohl natürlich alle Welt in Kölns Schauspiel derzeit immer nur das "Theater des Jahres" sieht. Schütz gelingt (mit Schillers Vademecum-Hilfe) eine nachhaltige Positionsbestimmung für den Umgang mit einem unerhört fremden Text – und das ist schon sehr viel.
"Phädra" am Schauspiel Köln
Eine Abend also Weiß in Weiß, und wie bunte Fremdkörper wirkt darin das Personal – Phädra, die unglückliche Herrscherin, die erotisches Gefallen am Stiefsohn entwickelt; denn Gatte Theseus ist gerade fern und fremdelt im übrigen andauernd in anderen Betten, eine Art antiker Berlusconi. Der begehrte Jüngling verweigert sich aber, weil er eine andere, Jüngere liebt, eine politische Gefangene am Athener Hof. Ein sonderbarer, in sich selbst gekehrter Junge ist dieser Hippolyt – als Vater heimkehrt, schwärzt Mutter ihn an, aus namenloser Enttäuschung: Er habe sie bedrängt. Der Junge wird verstoßen und stirbt auf grässliche Weise, unschuldig zudem – die Mutter richtet sich selber. Theseus bleibt trauernd zurück und adoptiert des Sohns Geliebte.
Das allgegenwärtige Weiß steht für die mörderische Kälte und Konsequenz des französischen Originals; fast alle Aufführungen jüngerer Zeit scheiterten ja an dieser unausweichlichen Konstruktion des Textes. In den bunten Figuren, ausgestattet von Sabine Thoss, findet sich die deutsche Übertragung von Friedrich Schiller wieder, und der ist der eigentliche Star des Abends – mit Schillers Emphase beginnt Racines quasi zur Theorie erstarrtes Personal tatsächlich zu leben: diese zwischen unangemessenen Gefühlen zerriebene Frau, dieser an monströsen Ansprüchen zerschellende Sohn, der mit göttlichem Talent zu dauernd tragischem Missverstehen geschlagene Vater; die Amme, die im Willen zur Wahrheit alles zerstört, der Lehrer, der die toten Fetzen aufsammelt, die Mädchen am Rande, gefangen zwischen liebender Furie und kaltem Erkennen. Schiller gibt den Atem für die Wiederbegegnung mit "Phädra".
Johannes Schütz war Jürgen Goschs stilprägender Bühnenbildner, für den vor zwei Jahren verstorbenen Regisseur baute Schütz fast immer sehr ähnliche, nahezu verwechselbare Spiel-Kisten; zuweilen hängte er (wie jetzt auch in Köln) einen kaum sichtbaren Rahmen aus weißen Streben vor das Bild der Bühne. Hier beginnt "Kunst", sagt dieser Rahmen; und die Künstlichkeit dahinter hat auch jetzt enorme Kraft. Dem Personal in dieser Kunst-Behauptung gibt Schütz nicht sehr viel an szenischen Vorgaben mit fürs Spiel – fast alle Energie entwickeln die Mitglieder des Ensembles, Anja Lais vorneweg, aus Schillers Sprach-Fundus.
Vielleicht ist diese "Phädra" damit noch kein Meilenstein, obwohl natürlich alle Welt in Kölns Schauspiel derzeit immer nur das "Theater des Jahres" sieht. Schütz gelingt (mit Schillers Vademecum-Hilfe) eine nachhaltige Positionsbestimmung für den Umgang mit einem unerhört fremden Text – und das ist schon sehr viel.
"Phädra" am Schauspiel Köln