Eiffelturm

Die Nadel von Paris

Ausstellungsbesucher der Weltausstellung in Paris 1889 wandeln unter dem Eiffelturm.
Besucher der Weltausstellung in Paris 1889 unter dem Eiffelturm © picture alliance / dpa / EXPO_2000_Hannover_GmbH
Von Günther Wessel · 04.07.2014
Der Eiffelturm ist eines der bedeutendsten Bauwerke der Neuzeit. Errichtet wurde die Stahlkonstruktion unter der Leitung von Gustave Eiffel zur Weltausstellung 1889. Der "Nadel von Paris" hat der Journalist Alexander Kluy nun eine virtuose Kulturgeschichte gewidmet.
Weltausstellungen wirken heute ein wenig aus der Zeit gefallen – zu schnelllebig sind die technischen Neuerungen und Produktzyklen. Im 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert galten sie als Leistungsschauen des Erfindergeistes und der Ingenieurkunst, und so wundert es nicht, dass sie sich auch mit Bauwerken schmückten. Das Material des technischen Fortschritts war Eisen, vor allem seitdem eiserne Brücken ab Mitte des 19. Jahrhunderts kühn Täler und Flüsse überspannten. Ingenieure kamen auf die Idee, einen gigantischen Turm zu bauen, und zur Weltausstellung 1889 setzte sich der Vorschlag von Gustave Eiffels Ingenieurbüro durch.
Alexander Kluy erzählt unterhaltsam und kenntnisreich, was Eiffel als Ingenieur auszeichnete. Sein Buch beinhaltet eine konzentrierte Biografie, die ebenso von Eiffels Arbeiten an der New Yorker Freiheitsstatue berichtet - er baute die Stahlkonstruktion - wie von seinen Verwicklungen in den Skandal um den Bau des Panamakanals.
Kritiker sprachen von der "Schande von Paris"
Er berichtet davon, wie die Entwürfe für den Turm immer wieder überarbeitet wurden und von der Finanzierung des Baus: die Baukosten übernahm Eiffel, der dafür die Nutzungsrechte für 20 Jahre erhielt. Eiffel ließ alle 18.000 Einzelteile des Turms vorab fertigen und dann wie eine Baukastenkonstruktion ab Januar 1887 vor Ort mit 2,5 Millionen Nieten zusammenfügen.
Kalt ließ das Bauwerk niemand. Es wurde noch zu Bauzeiten als technisches Wunderwerk gefeiert, während eine Protestnote den Turm als "Schande von Paris" titulierte. Kluy deutet das klug als generellen Protest gegen die Urbanisierung und den brachialen Komplettumbau von Paris ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Überhaupt verankert der Autor die Wahrnehmung des Bauwerks immer wieder gut im historischen Kontext: Er greift dabei auf Literatur, bildenden Künste, auf die Fotografie und auch den Film zurück.
Hitler inszenierte sich vor dem Eiffelturm als Herrscher
So wird deutlich, dass man den Turm bald weniger für seine technische Raffinesse bewunderte, sondern mehr und mehr als ästhetisches Phänomen wahrnahm: Um 1911/12 malte Robert Delaunay zahlreiche Eiffelturmporträts, die in ihre Gebrochenheit später Kirchenmotive deutscher Maler wie Klee oder Feininger inspirierten.
Kluy zeigt aber auch wie das Pariser Wahrzeichen zur Machtinszenierung diente: Als siegreicher und entschlossener Herrscher schaut Adolf Hitler 1940 vor der Architektur-Ikone in die Kamera, während 1951 Konrad Adenauer und André François-Poncet, Hoher Kommissar Frankreichs in Deutschland von 1949 bis 1955, mit dem Rücken zum Betrachter auf den Turm zugehen - hier beherrscht niemand niemanden.
Dieses Buch ist ein Glücksfall: Virtuos changiert Alexander Kluy zwischen Historie, Kunstgeschichte, Kunstphilosophie und technischen Details – selbst der Stromverbrauch des Turmes im Jahr 2008 wird angegeben. Wer nach Paris will, sollte Kluys Buch lesen. Ach was, auch wer zuhause bleibt.

Alexander Kluy: Der Eiffelturm. Geschichte und Geschichten
Matthes und Seitz, Berlin 2014
352 Seiten, 34,90 Euro