Eichel: Schweizer Banken schützen Steuerbetrüger

Moderation: Hanns Ostermann · 27.02.2008
Der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel hat die Schweiz aufgefordert, besser mit den deutschen Steuerbehörden zusammenzuarbeiten. Solange die Schweiz nicht richtig kooperiere und Steuerflüchtlingen ein Schlupfloch gewähre, verweigerten auch Luxemburg, Österreich und Belgien ein gemeinsames Vorgehen innerhalb der EU, sagte der SPD-Politiker.
Hanns Ostermann: Schon die erste Zwischenbilanz der Staatsanwaltschaft in Bochum zeigt das verheerende Ausmaß: 91 von 150 Beschuldigten gaben zu: Ja, wir haben Steuern hinterzogen! 72 Personen oder Firmen zeigten sich selbst an, und es werden immer mehr, denn die Fahnder sind zahlreichen weiteren Fällen auf der Spur. Wie viele Millionen Euro im Verlaufe der Zeit in den Steuersäckel zurückfließen werden, das weiß derzeit wohl niemand. Und parallel wird intensiv darüber nachgedacht, wie man die Steuerschlupflöcher schließen kann. Die Politik ist im Zugzwang, sie fand bislang noch keine geeigneten Mittel, kriminelles Verhalten zu unterbinden. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist jetzt Hans Eichel von der SPD, der ehemalige Bundesfinanzminister. Guten Morgen, Herr Eichel!

Hans Eichel: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Warum war die Politik bislang untätig, oder war sie es gar nicht?

Eichel: Nein, sie war überhaupt nicht untätig, aber in Deutschland war der Trieb, das zu klären, auch unterschiedlich ausgeprägt. Ich habe ja frühzeitig versucht, Kontrollmitteilungen durchzusetzen, das heißt, das einfach die Banken ganz automatisch den Finanzämtern mitteilen, wie viel steuerpflichtige Vorgänge es gibt. So ist das in Amerika, so ist das in Großbritannien, so ist das in Frankreich, so ist das in Schweden und vielen anderen Ländern. Das ist am Widerstand des Bundesrates und der Mehrheit dort von CDU/CSU und FDP damals gescheitert. Ich hoffe, dass jetzt Union und FDP anders darüber denken. Das sind deutsche Möglichkeiten. Und dann haben wir die Kontenabfrage schließlich, das ist etwas anderes, durchgesetzt.

Ostermann: Aber Sie haben doch seinerzeit, Herr Eichel, vier Jahre lang zusammengesessen, um Schlupflöcher bei Kapitalerträgen zu stoppen auf europäischer Ebene. Das ist doch ein mühsamer Prozess.

Eichel: Ein äußerst mühsamer Prozess und zwar deswegen, weil in der Europäischen Union drei Länder sagen: Wir machen auch nicht richtig mit. Das ist Luxemburg, Österreich und Belgien, die verstecken sich hinter der Schweiz und sagen, so lange die Schweiz nicht richtig zusammenarbeitet, so lange die Schweiz den Steuerflüchtlingen und ihrem Schwarzgeld, ihrem nicht versteuerten Geld, einen Rückhalt gewährt und sagt: Zu uns könnt ihr kommen, wir werden nicht mit den deutschen Steuerbehörden zusammenarbeiten und auch mit denen von Frankreich, Italien und so weiter nicht, – so lange machen wir es auch nicht. Und deswegen, der Hauptbremser in Europa ist die Schweiz.

Ostermann: Also sind es nicht die Steueroasen Andorra, Monaco, Liechtenstein.

Eichel: Doch, die sind es auch, aber Monaco zum Beispiel hat gerade erklärt, wenn alle bereit sind, zusammenzuarbeiten mit den Steuerbehörden der anderen Länder, dann machen sie es auch. Es hängt an der Schweiz, und deswegen muss man zuallererst mit der Schweiz reden. Und im übrigen haben wir es mit einem weltweiten System zu tun. Die meisten Länder sagen, wir arbeiten zusammen, und dann gibt es eine kleine Zahl von Ländern, das sind diese Steueroasen, da gehört auch Hongkong und Singapur und Macao noch dazu und andere. Da haben sich alle großen Länder dieser Erde damals unter meinem Vorsitz verpflichtet, wir wenden den Informationsaustausch an, das heißt, wir arbeiten mit den Steuerbehörden zusammen, und wir werben in unseren Weltregionen dafür, dass das geschieht. Daran muss man arbeiten.

Ostermann: Das ist der eine Punkt und die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite, Sie haben das Beispiel Schweiz genannt. Sehen Sie denn überhaupt mittelfristig, langfristig irgendeine Chance, das Bankgeheimnis zu lüften, denn man muss doch klar sagen, die reichen Länder in Europa, Deutschland ist jetzt ein trauriges Beispiel, die leiden darunter.

Eichel: Ja sicher. Also in der Schweiz gibt es eine heftige Diskussion darüber. Ich hatte gestern Abend eine Fernsehsendung in der Schweiz. Dort war zum Beispiel der neue, der kommende Vorsitzende der sozialistischen Partei, dort war der alte Staatsanwalt Bertossa, der sehr viel ermittelt hat. Die haben ganz offensiv dafür geworben, dass die Schweiz zusammenarbeitet. Das heißt ja nicht, dass das Steuergeheimnis dort verschwindet, das Bankkundengeheimnis, wie sie es nennen...

Ostermann: Das ist nicht nötig?

Eichel: Nein, das ist eine Schweizer Veranstaltung, das können die Schweizer für sich ja auch machen. Das geht uns nichts an. Sie dürfen es nur nicht machen, wenn sie damit deutsche Steuerbetrüger schützen. Wenn sie das selber so sehen, bitte, ist das ihre Angelegenheit. Aber die Schweiz stellt sich heute zwischen die deutschen Steuerbehörden und die deutschen Steuerflüchtlinge und verhindert, dass die deutschen Steuerflüchtlinge ehrlich zahlen müssen. Das geht nicht. Diese Diskussion ist in der Schweiz heftig entbrannt. 59 Prozent der Schweizer haben in einer letzten Umfrage gesagt, sie wollen nicht, dass reiche Ausländer auf Bankkonten in der Schweiz Schwarzgeld deponieren können. Das finde ich sehr ermutigend. Schweiz ist ja auch eine alte Demokratie. Es wehren sich die Bankenvertreter, es wehren sich eine Reihe politischer Parteien, aber die Schweiz kann nicht auf Dauer zu den Systemen in der Welt gehören, die Steuerbetrüger schützen.

Ostermann: Das heißt, es hilft dann auch nur seitens der Europäischen Union oder seitens Deutschland, den Druck zu verschärfen, der im Land selbst sowieso schon da ist.

Eichel: Im Land selbst ist er sowieso da, und wir müssen ganz klar machen, das ist ja auch ein Problem für die Banken. Wer zu Schweizer Banken geht, der muss wissen, dass er mit Banken arbeitet, die auch Steuerbetrüger schützen. Ist das eigentlich gewollt? Die Frage, wollen das die Schweizer Banken? Es gibt immer mehr nachdenkliche Stimmen auch im Bankenlager, die sagen, das schädigt unseren Ruf und das schädigt damit unsere Geschäfte und so können wir uns nicht weiter verhalten. Das ist auch wahr.

Ostermann: Deutschland, beziehungsweise die einzelnen Bundesländer können doch aber auch selbst etwas tun. Warum stellen die Steuerbehörden nicht mehr Personal ein?

Eichel: Ja, das müssen Sie sie fragen. Ich finde das nicht in Ordnung. Ich habe als Finanzminister gesagt, wir brauchen eine Bundessteuerverwaltung, dann wird da ordentlich zugeguckt. Und die Länder haben das nicht gemacht. Peer Steinbrück versucht das jetzt in der Föderalismusreform wieder. Nun fragen Sie die einzelnen Bundesländer, warum sie nicht ihrerseits auch ordentlich für Steuerfahndung sorgen. Das muss nämlich in Deutschland sein.

Ostermann: Herr Eichel, wie lange werden uns die Steueroasen noch beschäftigen?

Eichel: Das wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Entscheidend ist, dass alle großen Länder dieser Welt wirklich dagegen zu Felde ziehen. Und ganz entscheidend im Moment ist, dass auch die Vereinigten Staaten richtig dabei sind. Die Amerikaner bekommen in der Schweiz zum Beispiel und in Liechtenstein weitestgehend die Informationen, die sie wollen. Andere Länder bekommen das nicht. Die Amerikaner begnügen sich damit. Ich hoffe, dass sie jetzt zu einem richtigen gemeinsamen Kampf bereit sind, denn inzwischen geht es ja schon um zehn Länder auf dieser Erde, in denen die Strafverfolgungsbehörden nun hinter den Steuerflüchtlingen her sind. Das alles hat sich aus den Liechtensteiner Daten ergeben. Man sieht, es geht in Wirklichkeit um ein globales System und es geht massiv um globale Ungerechtigkeit. Ein Teil, die meisten sind ja steuerehrlich, aber ein Teil der Reichen entzieht sich seinen Pflichten. Das kann keine Demokratie dieser Welt hinnehmen.

Ostermann: Hans Eichel von der SPD, der ehemalige Bundesfinanzminister. Ich danke Ihnen für das Gespräch bei uns im Deutschlandradio Kultur.

Eichel: Bitte schön.