Eichel gegen Einrichtung einer großen "Bad Bank"

Hans Eichel im Gespräch mit Christopher Ricke · 21.04.2009
Der ehemalige Finanzminister Hans Eichel hat davor gewarnt, sogenannte Schrottpapiere in einer einzigen "Bad Bank" zu bündeln. Es sei viel einfacher, eine einzelne Bank "an den Staat abzuschieben". Daher unterstütze er Finanzminister Peer Steinbrück, der vermeiden wolle, dass "am Schluss die Steuerzahler für den ganzen Krempel" aufkommen müssten.
Christopher Ricke: Üble Kredite, faule, morbide, all diese schlechten Papiere mit hohem Risiko, die sollen in "Bad Banks" zusammengefasst werden, damit die Banken, die sich in der Weltfinanzkrise ordentlich verzockt haben, ohne diese Altlasten wieder in die Zukunft gehen können. Heute geht es im Bundeskanzleramt um die Frage: Wann kommt eine "Bad Bank", reicht eine, brauchen wir viele, und wie werden diese "Bad Banks" ausgestaltet und kontrolliert?
Ganz so schlecht muss eine "Bad Bank" also gar nicht abschneiden. Es gibt eine kleine Chance auf Gewinn. – Ich sprach vor dieser Sendung mit dem SPD-Politiker Hans Eichel. Der war von 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister. Und ich habe ihn gefragt: Herr Eichel, teilen Sie denn diesen Optimismus, dass die "Bad Bank", für die der Steuerzahler erheblich in die Pflicht genommen wird, dann doch noch mal irgendwann Gewinn abwirft?

Hans Eichel: Also da bin ich sehr vorsichtig. Schweden war ja ein ganz kleines Beispiel einer Bankenkrise. Jetzt haben wir es mit einer globalen Krise zu tun. Sie hat ganz andere Dimensionen. Einen anderen Weg, als diese toxischen Papiere aus den Bankbilanzen auf Zeit herauszunehmen, gibt es nicht. Es kann sein, dass der Steuerzahler gar nicht so zur Kasse geben wird, wie das jetzt den Anschein haben könnte, aber sicher kann da keiner sein.

Ricke: Eine solche Konstruktion mit schlechten Banken braucht eine strenge Aufsicht und man diskutiert jetzt darüber, wie viele "Bad Banks" man braucht, ob man die Risiken und die Chancen bündelt, oder ob man sie eher streut. Ist denn eine große "Bad Bank" nicht viel einfacher zu beaufsichtigen als ein ganzes Rudel?

Eichel: Ja, sie ist vor allem sehr viel leichter an den Staat abzuschieben. Ich denke, die "Bad Banks" müssen in der Sichtweite der Banken bleiben, die diese schlechten Papiere eingesammelt haben, damit dann, wenn es besser läuft, sie auch diese Papiere verwerten und nicht etwa meinen, sie sind das endgültig beim Steuerzahler losgeworden, denn dann kann man ja das Bankgeschäft überhaupt lassen. Wenn man die schlechten Risiken dem Staat übergibt und sagt, nur die guten Dinge, die machen die Banken, dann braucht es keine Privatbanken mehr.

Ricke: Der Bundesfinanzminister, Peer Steinbrück, dreht da den Spieß genau um. Er will zwischen toxischen, also vergifteten, und momentan illiquiden, also momentan leidenden Papieren, unterscheiden. Ist das durchzusetzen, dass man nur bei den momentan illiquiden, wo man also Hoffnung haben kann, Staatshilfe anbietet und die Banken zwingt, die toxischen selbst voll abzuschreiben in ihren eigenen "Bad Banks"?

Eichel: Das kann ich im Augenblick nicht beurteilen. Es muss die Funktionsfähigkeit des Bankensystems wiederhergestellt werden. Aber Peer Steinbrück hat natürlich Recht. Er will alles vermeiden, was dazu führt, dass am Schluss die Steuerzahler für den ganzen Krempel, den die Banken angerichtet haben, einstehen muss, und deswegen kämpft er diesen Kampf und da hat er auch meine volle Sympathie.

Ricke: Wäre es nicht klug, bevor man für die Banken solche Auswege baut, dass man erst einmal prüft, ob die Banken überhaupt überlebensfähig sind? Es gibt reichlich Banken, deren Geschäftsmodell fraglich ist, und es ist kein Schelm, der da an die Landesbanken denkt.

Eichel: Nein. Es sind ja nicht nur die Landesbanken. Wenn Sie meinetwegen sehen, die größten Minusgeschäfte hat die UBS, der größte Vermögensverwalter der Welt gemacht. Aber die Landesbanken haben diese Risiken genauso eingekauft. Da haben Sie Recht. Wir brauchen auch keine sieben Landesbanken in Deutschland. Das sind viel zu viele. Das ist alles richtig und auch das muss im Zuge jetzt der Bereinigung der Situation geschehen.

Ricke: Es wird aber mit dem Begriff der Systemrelevanz doch gerettet, was man retten kann. Wäre es nicht klüger, es auch ein wenig dem Markt jetzt zu überlassen und erst einmal auf eine Bereinigung des Bankensektors zu setzen?

Eichel: Na ja, das hat einen riesigen Nachteil. Wenn das einmal anfängt – man hat das bei Lehman Brothers ja gesehen -, dann ist sehr schnell im ganzen Bereich, im ganzen Finanzmarktbereich das Vertrauen zerstört und wenn das zerstört ist, dann geht gar nichts mehr. Das ist ja auch der einzige Grund, warum der Staat mit Steuerzahlergeld so da hineingeht. Der Bankensektor – ich will das vergleichen mit dem Verkehrssektor, nur ist das virtuell sozusagen. Wenn der Verkehrssektor nicht mehr funktioniert, wenn alles stillsteht, steht die ganze Wirtschaft still, und wenn das Geld nicht mehr fließt, wenn die Finanzmärkte nicht mehr funktionieren, dann steht auch die ganze Wirtschaft still. Deswegen muss der Staat eingreifen, um das Funktionieren sicherzustellen. Aber er muss natürlich gleichzeitig sehen: Es geht nicht so, dass die einen die Sache in den Sumpf reiten und dann die Steuerzahler sie dort herauskaufen und anschließend machen die Banken weiter wie gehabt. Das kann nicht sein.

Ricke: Jetzt gibt es ja verschiedene Rettungskonzepte. Ohne die im Detail zu diskutieren, kann man doch feststellen: in den USA will man die Schrottpapiere auch mit Hilfe privater Investoren aufkaufen, in Großbritannien hat man so etwas gebaut wie eine Art staatliche Katastrophenversicherung, bei der sich die Banken Versicherungsverträge kaufen können, in Deutschland diskutiert man über eine Anstalt öffentlichen Rechts, in die Papiere ausgelagert werden können. Es wird also noch eine Weile dauern, bis der Stein der Weisen gefunden ist. Wie lange, glauben Sie, hat man in Deutschland noch Zeit?

Eichel: Das ist schwierig. Den Stein der Weisen wird es wahrscheinlich nicht geben. Es ist ja auch so, dass von diesem Umfang der Krise doch wohl alle überrascht gewesen sind. Dass es nicht gut aussah, das wussten wir alle, aber dass es so schlimm würde, das hat wohl eigentlich doch keiner vorausgesehen. Ich glaube aber auch, sehr viel Zeit hat man nicht, denn je länger das dauert, umso tiefer wird die Krise und vor allen Dingen: Wir kommen aus der Wirtschaftskrise, die wir ja längst haben, nicht heraus, wenn die Finanzmärkte nicht wieder in Ordnung sind. Deswegen war es auch richtig, bei dem Gipfel der 20 größten Industrie- und Schwellenländer dieser Erde, dass Europa mit einer Stimme gesagt hat, wir müssen jetzt in den Mittelpunkt die Ordnung an den Finanzmärkten stellen und dann kann man zusätzlich sehen, was man gegen die Rezession tun kann, denn ohne dass die Finanzmärkte in Ordnung kommen, kommt die Wirtschaft nicht in Ordnung.

Ricke: Der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel.