"Eichborn und Aufbau wollen zusammengehen"

Jürgen König im Gespräch mit Dieter Kassel |
Der Aufbau Verlag will sich mit dem Frankfurter Eichborn Verlag zusammentun. Beide Unternehmen sollen als "eigenständige Marken erhalten bleiben", sagt Deutschlandradio-Kulturkorrespondent Jürgen König.
Dieter Kassel: Kooperation, Übernahme, Fusion, Liebesheirat oder Vernunftehe – das klingt jetzt gerade so, als seien wir mitten im "Radiofeuilleton" bei den Wirtschaftsmeldungen angekommen. Und ja, auf eine gewisse Art und Weise sind wir das sogar, denn auch Buchverlage sind am Ende Wirtschaftsunternehmen, und deshalb sind die gerade genannten und auch noch ein paar andere Begriffe sehr häufig gefallen in den letzten Tagen und Wochen im Zusammenhang mit den Verlagen Aufbau und Eichborn. Vor gut zwei Stunden nun wurde den Spekulationen, so vermute ich mal, ein Ende gesetzt, denn da endete die Pressekonferenz dieser beiden Verlage in Berlin. Unser Kulturkorrespondent Jürgen König war da und ist inzwischen ins Studio gekommen. Guten Tag, Herr König!

Jürgen König: Guten Tag, Herr Kassel!

Kassel: Was war denn das nun am Ende, was da heute verkündet worden ist, ging es nur um eine lockere Zusammenarbeit bei der Logistik oder geht es tatsächlich um die Zusammenlegung der beiden Verlage?

König: Also ich bin versucht, genau so anzufangen, wie die Herren das heute um zehn Uhr getan haben, nämlich man hatte eingeladen zu einer Pressekonferenz, um über eine neue Vertriebskooperation beider Verlage – Aufbau und Eichborn – zu informieren. Das taten die Geschäftsführer des Aufbau-Verlages und der Eichborn-Vorstand Stephan Gallenkamp dann auch. 42 Minuten lang dauerte das, und dabei hatten alle, die in dem überfüllten Raum im Aufbau-Verlag anwesend waren, natürlich auch den kleinen Vermerk auf der Einladung gelesen, nämlich, dass die beiden Mehrheitseigner – Matthias Koch vom Aufbau-Verlag, er hält 75 Prozent der Anteile am Aufbau-Verlag, und auch der Vertreter der Hauptaktionäre von Eichborn, Ludwig Fresenius war da, hält seinerseits 75 Prozent –, beide seien anwesend.

Und da hat man sich natürlich schon gedacht, dass da irgendwie noch was kommen muss. Und um also mit dem Ende, mit dem eigentlichen, auf das wir alle gespannt gewartet hatten, zu beginnen: Eichborn und Aufbau wollen zusammengehen. Eine Fusion wurde noch nicht verkündet, wenn auch der Eichborn-Vorstand Stephan Gallenkamp unumwunden zugegeben hat, dass er das für den einzig sinnvollen Weg hält, beide mittelständischen, beide konzernunabhängigen Verlage zu erhalten und ihnen zu ermöglichen, im Grunde genommen so wie bisher weiterzumachen, also weiter ein unabhängiges Programm zu gestalten.

Die beiden Verlage sollen auch als eigenständige Marken erhalten bleiben, das sei ihnen ganz wichtig, denn immerhin seien ja doch Aufbau und Eichborn noch eigene Marken. Das ist also – um Ihre Frage zunächst mal zu beantworten – das Eigentliche, was verkündet wurde, dass sie also zusammengehen wollen.

Kassel: Wobei ganz konkret, das habe ich schon richtig verstanden, beschlossen und unter Dach und Fach ist die Absicht, bei Vertrieb im Außendienst schon ab Sommer wirklich zusammenzuarbeiten. Alles andere ist, Sie haben es gesagt, Absichtserklärung oder wie man es auch modern auf Englisch sagt, ein Letter of Intent, der unterschrieben wurde?

König: Ganz genau. Dieser Letter of Intent wurde heute Morgen unterschrieben, und ich glaube, man kann auch davon ausgehen, dass die Verlage zusammenkommen werden. Wann, wurde noch nicht gesagt, aber in diesem Jahr könne das schon noch der Fall sein. Mit den Belegschaften wurde jeweils gestern gesprochen, vom Betriebsrat von Eichborn wurde mitgeteilt, man sei nicht begeistert gewesen – das kann man sich auch vorstellen –, denn die Pläne sehen vor, dass Eichborn umziehen wird von Frankfurt am Main nach Berlin. Und dass das natürlich alle möglichen Fragen und Schwierigkeiten mit sich bringt, liegt auf der Hand.

Kassel: Wie hat man denn das Ganze nun begründet, denn so etwas – egal ob es nur eine Fusion ist oder ein bisschen weniger – macht man ja nicht nur, weil einem die Laune danach steht?

König: Nein, es waren einfach die Umsätze rückläufig, zumal bei Eichborn, aber auch Aufbau war ja 2008 schon in der Insolvenz, wurde dann von Matthias Koch sozusagen übernommen. Aufbau hat sich zwei Jahre lang versucht, inhaltlich zu konsolidieren, wie es hieß auch mit einigem Erfolg, aber Eichborn geht es schlecht, hatte zweistellige rückläufige Zahlen zu verzeichnen. Was man also will, ist, gemeinsam irgendwie das Überleben sichern. Es wurde gesagt, dass nur noch 30 Prozent des Umsatzes beider Verlage, wie es heißt, in der Fläche gemacht werden, also indem Verlagsvertreter mit ihrem Täschchen unterm Arm den viel zitierten Buchladen an der Ecke aufsuchen, das macht nur noch 30 Prozent der Umsätze aus.

70 Prozent des Geschäftes dagegen gingen über die Handelsriesen, also Amazon oder Thalia, und bei diesen Großunternehmen, Handelsunternehmen, bei ihnen hätten eben mittelständische Verlage einen schweren Stand. Hinzu kommt, dass auch die Konzentration im Verlagswesen es den kleinen immer schwerer macht. Man muss sich vorstellen, die großen können bis zu sechsstellige, teilweise sogar siebenstellige Summen für Rechte bezahlen, haben gigantische Werbeetats, und daneben haben es die kleinen oder auch mittelgroßen Verlage einfach schwer, überhaupt noch wahrgenommen zu werden.

Kassel: Das heißt, beide Verlage, so wie sie es heute verkündet haben, sehen die Schuld eher in der allgemeinen Lage, also dass da auch vielleicht besonders bei Eichborn eine hausgemachte Krise im Spiel sei, das hat man so nicht zugegeben bei dieser Gelegenheit?

König: Doch, durchaus. Der Verlag sei – das sagte Stephan Gallenkamp wörtlich – am Anfang ja mit einem geradezu disparat weiten Programm angetreten. Man hat das also ja schon in den letzten Jahren versucht zu konsolidieren und sucht eben irgendwie einen Weg, jetzt in die Zukunft zu kommen. Auch der ganze Bereich E-Books zum Beispiel ist natürlich einer, an dem kein Verlag mehr heute vorbeigehen kann. Aber von beiden Verlagen hieß es, man habe gar nicht das Personal, um da also angemessen auftreten zu können.

Und auch da versucht man, diese personellen Notwendigkeiten zu bündeln, sodass sozusagen ein großer Servicepool in dem neuen Aufbau-Haus – auf das müssen wir auch noch zu sprechen kommen – existieren wird, der dann sozusagen zwei unabhängige Verlage bestückt sozusagen. Matthias Koch, der Mehrheitseigner des Aufbau-Verlages, er hat heute die Ziele einmal sehr prägnant formuliert:

Matthias Koch: Ziel ist, beide Unternehmen in Berlin im Aufbau-Haus zusammenzuführen. In welcher rechtlichen Form das geschieht, können wir jetzt noch gar nicht sagen, da müssen wir die Gremien anhören, wir müssen mit den Kleinaktionären oder freien Aktionären von Eichborn sprechen, was die wollen – da sind wir ja nicht unabhängig in dem, was wir tun. Wir können nur sagen: Wir werden die beiden Firmen in Berlin im Aufbau-Haus zusammenführen. Das ist die Absicht und das werden wir auch so umsetzen.

König: Und dann wurde natürlich sehr schnell die Frage gestellt, warum man denn gerade jetzt an die Öffentlichkeit gegangen sei. Es wurde auch gefragt, ist das nicht ein bisschen früh, wenn Sie noch gar nicht genau wissen, was Sie überhaupt wollen. Und dazu nahm Ludwig Fresenius Stellung, und er hat eben die Gerüchteküche, die ja in den letzten Tagen, aber im Grunde genommen seit Monaten schon tobt, dass man immer gesagt hat, was passiert mit den beiden Verlagen – Sie haben es ja, Herr Kassel, eingangs schon gesagt. Hören wir mal, wie Ludwig Fresenius das begründete:

Ludwig Fresenius: Warum heute hier? Warum heute hier ist auch, dass also ich gehört habe in der Branche, dass der eine sagt, Eichborn ist an den verkauft, der Nächste hat gesagt, Eichborn ist an den verkauft, und es ist auch Tatsache so, dass also diese Woche sehr aufregend war, am Montag. Das ist alles, wirklich alles brandneu. Im Laufe dieser Woche, kann man sagen, waren wir vielleicht an zwei, mindestens mal an zwei verschiedenen Adressen. Und da muss ich sagen, das halten auch meine Nerven nicht aus. Und deswegen hatte ich dann auch am Dienstag gesagt, wir müssen das heute machen, also ich springe jetzt auf, das hat ja keinen Sinn, heute sagen so, morgen so, und das geht auf Dauer nicht gut.

König: Also Ludwig Fresenius war das, der Sprecher der Aktionärsmehrheit bei Eichborn. Sie merken schon, wie er richtig erleichtert war. Vorher hatte man bei den Aufbau-, aber auch bei den Eichborn-Leuten immerzu sehr betretene Gesichter gesehen. Also ich habe schon den Eindruck gehabt, dass das die Verlage schon ein bisschen drückt und dass man nun voller Hoffnungen in die Zukunft guckt.

Kassel: Über diese Zukunft reden wir gerade mit unserem Kulturkorrespondenten Jürgen König über die gemeinsame Zukunft der Verlage Eichborn und Aufbau. Sie haben das neue Aufbau- und dann vielleicht irgendwann mal Aufbau- und Eichborn-Verlagsgebäude in Berlin erwähnt. Das ist neu im Sinne von "das gibt es auch noch gar nicht"?

König: Das ist neu im Sinne von "das wird gerade gebaut", ein Neubau, gelegen an der Grenze, ziemlich genau auf der Grenze von Berlin-Mitte und Berlin-Kreuzberg, und das ist ein sehr großes, unübersehbares Haus, auch oben der Schriftzug, Aufbau-Haus wird da stehen, das wird Verlagssitz sein, aber eben nicht nur das: Es soll auch ein Ort werden, an dem Künstler aller Genres zusammenarbeiten können. Es wird einen Theatersaal geben, Kunstausstellungen werden möglich sein. Es soll – das ist das Ziel – jeden Tag mindestens eine Veranstaltung geben, von denen dann auch viele im Internet übertragen werden sollen. Es gibt überdies soziale Einrichtungen, ein Café, eine Kita oben auf dem Dach.

Es wird auch einen Buchladen geben – mit alledem hofft man sozusagen, diese etwas, das darf ich sagen, etwas öde Ecke um den Moritzplatz in Berlin versucht man zu beleben, zum Zentrum zu machen und eben auch viel, wenn ich das so formulieren darf, viel Geist zu versammeln, eben auch aus den Verlagsprogrammen Aufbau und Eichborn, die dann eben also dort hinkommen sollen mit Lesungen – Aufbau ist ja auch ein Theaterverlag, da sind also auch Schauspieler, Theater mit beteiligt. Also dieses Aufbau-Haus soll der Sache Schwung geben, und Ludwig Fresenius von Eichborn hat das auch klar gesagt: Diese Idee des Aufbau-Hauses sei es gewesen, die ihn letztlich überzeugt hätte, Aufbau den Zuschlag zu geben. Es hat da ja auch andere Interessenten gegeben.

Kassel: Wurde eigentlich bei dieser Pressekonferenz auch darüber geredet, was aus der Anderen Bibliothek wird? Mit der ist ja, kann man vielleicht anmerken, nicht so ganz ideal umgegangen worden in den letzten Jahren.

König: Das ist richtig , also darüber wurde im Detail nichts gesagt. Was aber gesagt wurde, dass die Aufbau-Leute, der René Strien, einer der Geschäftsführer des Aufbau-Verlags sagte das, er habe Eichborn immer beneidet um diese wunderbare Andere Bibliothek, und er hat sie in so großen Zügen gelobt, dass ich mal vermute, dass man das schon weiterführen wird. Konkret wurde dazu nichts gesagt. Also alles zusammengenommen kann man sagen, hier sind zwei konzernunabhängige Verlage, die sich zusammenschließen wollen, die keine andere Wahl haben. Was man nicht weiß, ist, ob sie denn nun auch zusammen passen. Und dazu kann man nichts sagen außer: Man weiß es nicht.

Kassel: Darüber werden wir, glaube ich, noch viel reden können. Heute geredet haben wir mit unserem Kulturkorrespondenten Jürgen König über die Zusammenarbeit und mehr oder weniger eben doch auch Zusammenlegung der beiden Verlage Eichborn und Aufbau, die im Detail erklärt haben, was sie für die Zukunft planen, vor ungefähr zwei Stunden in Berlin auf einer Pressekonferenz.