Ehrung für mäzenatische Kaufleute

Von Günter Beyer |
In Bremen profitiert seit Jahrhunderten nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Kultur von der Seefahrt. Mit einer Ausstellung widmet sich die Kunsthalle aus Anlass des 150. Geburtstags der Traditionsreederei "Norddeutsche Lloyd" zwei der wichtigsten Persönlichkeiten des Bremer Kulturlebens um 1900 und zeigt rund 200 druckgraphische Arbeiten vor allem europäischer und amerikanischer Künstler.
"Navigare necesse est" - Seefahrt tut not. So steht es eingemeißelt im Portal von "Haus Seefahrt" in Bremen. Vom Seehandel profitiert seit Jahrhunderten die Hansestadt - und nicht zuletzt die Kunst. Zum 150. Geburtstag der Reederei "Norddeutscher Lloyd" ruft eine reich bestückte Ausstellung in der Kunsthalle in Erinnerung, wie die Sammlungen durch Schenkungen mäzenatischer Kaufleute wuchsen.

Hermann Henrich Meier junior, geboren 1845, war der Sohn des Gründers des Norddeutschen Lloyd und Inhaber einer gut gehenden Import- und Exportfirma, die ihre Waren selbstverständlich auf Lloyd- Schiffen verfrachtete und vor allem an den Überfahrten der Auswanderer nach Amerika verdiente. Der erfolgreiche Unternehmer war aber auch leidenschaftlicher Kunstliebhaber, erzählt Anne Röwer-Kann, Kustodin des Kupferstichkabinetts.

"Er war Jurist, aber er hatte offenbar so viel Impetus, dass er sein Leben lang immer hingeguckt hat. Er hat sich wohl auf all seinen Reisen in die Museen und in die Kunsthandlungen, die Galerien begeben und dort sein Auge trainiert. Immer nur geguckt, geguckt."

Und gekauft hat er natürlich auch! Mit saftigen Seestücken in Öl - Dampfer mit qualmenden Schloten oder dramatische Schiffsuntergänge - konnte man Meier nicht kommen. Er interessierte sich vor allem für Druckgrafik vom feinsten - Stiche, Radierungen, Lithografien. 1887 wurde Meier "Vorsitzer" - wie es damals hieß - des Bremer Kunstvereins und zugleich einer seiner bedeutendsten Mäzene, der später seine auf 60.000 Blätter angewachsene Sammlung dem Verein schenkte.
Max Klinger kannte er persönlich; ein Freundschaftsporträt von 1898 zeigt Meier als würdevollen weißbärtigen und beleibten Patriarchen.

"Wir haben die Ausstellung genannt ‚Altes, Neues, Allerneuestes’. Das Alte ist die Abteilung des 17. bis 18. Jahrhunderts bis zu Goya, wo er sehr viel gesammelt hat, das Neue ist das gesamte 19. Jahrhundert inklusive noch Klinger, Käthe Kollwitz ist dabei, Liebermann, Leibl, und die frühen deutschen Lithografen, und das Allerneueste nennen wir dann die Franzosen um 1900. Pierre Bonnard und die Nabis und die Plakatkünstler."

Weil Meier die Spendierhosen anhatte, besitzt die Bremer Kunsthalle Canalettos vollständigen Radier-Zyklus mit Dresden-Motiven um 1750. Auch William Hogarth ist mit drastischen Einblicken in Londons einschlägige "Beer Street" und "Gin Lane" vertreten. Für Goyas aufwühlenden Zyklus "Die Schrecken des Krieges" interessierte sich der hanseatische Kaufmann ebenso wie für den französischen Grafiker Jacques Callot, von dem allein er 1500 Blätter erwarb.

Nicht zu übersehen ist Meiers frühe Begeisterung für das seinerzeit Allerneueste - die angelsächsische und französische Plakatkunst des Fin de siecle.

"Die Plakatkunst selber war populär, aber das Sammeln und Bewahren und das sich darum Kümmern, dass man gute Drucke bekam, und Drucke vor der Schrift, also vor der Werbung, das war sicher sehr, sehr ungewohnt und ging erst in den 1890er Jahren los."

Die Vorzugsdrucke mit grellbunter, schreiender Plakatkunst trieb Meier in Galerien oder direkt beim Drucker auf. Toulouse-Lautrecs Aristide Bruant, der Sänger mit dem roten Schal, ist darunter oder Jules Chérets farbensprühendes Plakat für das erste Gastspiel der amerikanische Tänzerin Loie Fuller im Varieté Folies-Bergères.

"Die so genannte Angewandte Kunst war nicht in dem Rang wie die freie Kunst, und französische Begriffe für diese Plakatkunst sind ja auch sehr negativ, es heißt: ‚Die Galerie der Straße’, und die, die sich so einsetzten für die Plakatkunst, die wurden leise verrückt erklärt, sie waren die ‚Affichomanen’."

Auch die Anfänge der deutschen Plakatkunst sind zu bewundern - etwa eine schrille Werbung für Schuhwichse Marke "Eule" und dem eingängigen Slogan: "Womit ick meine Stiebeln wichse? / Mit Eulen-Wichse wichse ick se!"
Neben Hermann Henrich Meier ehrt die Schau einen zweiten Mäzen - Heinrich Wiegand, ab 1892 Direktor des Norddeutschen Lloyd, auch er engagiertes Vorstandsmitglied im Kunstverein.

"Er war nun nicht selber Sammler, sondern er ließ sammeln. Er hatte vom Norddeutschen Lloyd eine Summe bereitgestellt für einen jungen Kunsthistoriker, der in Japan direkt einkaufen konnte, und in zwei Jahren ungefähr, 1905 und 1906, eine Sammlung von ungefähr 450 japanischen Farbholzschnitten zusammenkaufte und nach Deutschland spedierte, auf den Dampfern des Norddeutschen Lloyd natürlich, und die dann dem Kunstverein übergab."

Das Interesse an Japan, das sich viele Jahrhunderte gegenüber dem Westen verschlossen hatte, war Ende des 19. Jahrhunderts jäh erwacht. Vor allem französische Künstler griffen begierig die Einflüsse aus dem Fernen Osten auf.

Ein kleiner Teil der Meierschen Sammlung übrigens hat einige politische Turbulenzen hinter sich. Etliche Blätter - darunter Radierungen von Manet, Delacroix und Daumier sowie zwei kleine Lithografien von Toulouse-Lautrec - waren während des Zweiten Weltkriegs in das brandenburgische Schloss Karnzow ausgelagert worden. 1945 ließen sowjetische Soldaten einen Teil der Kunstschätze mitgehen, ihre Spur verlor sich, bis 1993 ein Unbekannter einen Packen mit 101 Blättern bei der deutschen Botschaft in Moskau abgab. Im Jahre 2000 stimmten die russischen Behörden der Rückführung zu. Zur selben Zeit trat ein Mosaik aus dem berühmten Bernsteinzimmer, das in der Hansestadt aufgefunden worden war, die Reise nach Russland an.

Gleichwohl, Meiers Grafik-Spende hat im Krieg Federn lassen müssen, wobei der Verbleib einzelner Blätter immer noch unklar ist, urteilt Anne Röwer-Kann.

"So war die Druckgrafik nur so als Paket eingepackt und weggeben worden, und wir haben sehr schwer den Überblick gewinnen können, und das war auch ein Nebenprodukt dieser Ausstellung, dass wir sagen können: Wir hatten zum Beispiel von Manet die große Lithografie mit dem Pferderennen, weil sie auf einer alten Kartei auftaucht, aber das Blatt ist weg."

Service: "Altes, Neues, Allerneuestes - Sammeln um 1900"
Eine Ausstellung zu Ehren von Hermann Henrich Meier jr. und Heinrich Wiegand
Vom 20. Februar bis 1. April 2007 in der Kunsthalle Bremen