Edelfaules über den Wein

Ein neues Verfahren zur Bestimmung des Befalls von Reben beziehungsweise Trauben mit Grauschimmel (Botrytis cinerea) wurde entwickelt. Da dieser Schimmel sehr vielgestaltig ist, lassen sich unter Umständen von einer Rebe gleich mehrere Sorten isolieren.
Hintergrund: Der Grauschimmel verursacht an vielen Kulturpflanzen wie Obst, Gemüse oder Zierpflanzen Schäden. Im Weinbau kann er zu erheblichen Ernteeinbußen führen und zudem einen muffigen Geschmack im Wein hinterlassen. Bislang wurde der Befall per Augenschein eingeschätzt und danach geeignete Bekämpfungsmaßnahmen mit Pestiziden eingeleitet. Nun gibt es einen Schnelltest, mit denen man innerhalb weniger Minuten den tatsächlichen Befall der Trauben feststellen kann. Auf diese Weise kann ein Befall früher erkannt werden als bisher. Außerdem erlaubt der Test eine schnelle Überprüfung des Lesegutes in der Kelterei.

Haben wir bisher Wein aus schimmligen Trauben getrunken? In gewisser Weise ja – und das wird auch so bleiben. Denn der Grauschimmel ist das ganze Jahr auf der Rebe vorhanden und kann sie in allen Wachstumsstadien schädigen. Ob es allerdings zur Schädigung kommt, das heißt zur Schimmelbildung, hängt von der Feuchtigkeit, also von der Witterung ab. Je mehr Sonne, desto weniger Botrytis. Deshalb ist Botrytis gerade für den nördlichen Weinbau, sprich für den deutschen, eine Herausforderung.

Allerdings kann der Grauschimmel für den Winzer auch einen Glücksfall darstellen: Befällt er erst die vollreifen Trauben – noch dazu bei warmer Herbstwitterung - dann wird da eine Spezialität daraus: Die Beerenauslese. Denn die Botrytis perforiert die Haut der Beere. Dadurch verdunstet bei warmer Witterung das Wasser und man erhält zuckrige, rosinenartige, schimmlige Beeren. Dabei bildet sich auch der eigentümliche Geschmackston. In diesem Falle spricht man von Edelfäule. Deshalb ist die Beerenauslese auch eine deutsche Spezialität – aus der Not wurde eine Tugend.

Wie viel Schimmelgift trinke ich mit dem "Spezialitätenschimmel"? Nach bisheriger Kenntnis keine. Denn Botrytis bildet offenbar auf der Traube keine Mykotoxine – zumindest keine bisher bekannten. Das heißt nicht, dass es im Weine keine Schimmelgifte gäbe – aber sie stammen von anderen Schadorganismen wie zum Beispiel Aspergillus carbonarius. Der kann sich beispielsweise als Folge eines Botrytisbefalls auf der Traube breitmachen. Im Traubensaft und damit auch im Wein findet man Schimmelgifte wie Ochratoxin A, Patulin und Trichothecin. Erhöhte Gehalte wurden vor allem bei Rotweinen aus klimatisch günstigeren Weinbaugegenden beobachtet.

Durch rechtzeitigen Einsatz von Fungiziden, sorgfältige Lese, schnelle Verarbeitung und geeignete Kellertechnik lassen sich erhöhte Rückstandsgehalte vermeiden. Die Hefe absorbiert Trichothecin. Außerdem baut der Grauschimmel Ochratoxin A ab. Und zu guter letzt zerstört das Schwefeln das Patulin.

Kann man Botrytis auch "natürlich" bekämpfen? Der Winzer kann zwar nicht das Wetter beeinflussen, aber durch die Art des Rebschnittes das Mikroklima im Wingert. Je leichter der Wind die Reben trocknen kann, desto geringer der Pilzbefall. Weil bei der Botrytis Resistenzen gegen die üblichen Pflanzenschutzmittel auftreten, werden auch biologische Methoden zur Bekämpfung entwickelt. Beispielhaft sind Killertoxine aus einer Hefe namens Pichia membranifaciens. Diese Hefe findet sich gewöhnlich auf fermentierten Oliven. Sie bildet ein Eiweiß, das bestimmte Schadorganismen wie den Erreger der Graufäule abtötet. Die gentechnischen Verfahren erlauben heute eine effektive Produktion dieser Killertoxine. Ob damit weniger oder nur andere Risiken verbunden sind, lässt sich heute noch nicht sagen. Aber es ist auf jeden Fall vorteilhaft, wenn für die Monokultur Weinberg verschiedene Bekämpfungsstrategien zur Verfügung stehen.

Literatur
Mateo R et al: An overwiev of ochratoxin A in beer and wine. International Journal of Food Microbiology 2007 Epub ahead of print
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