Ecuador

Staatlich verordnete Schlagzeilen

Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa während eines Interviews mit der spanischen Nachrichtenagentur EFE in Madrid am 25. April 2014.
Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa bezeichnet einen der besten Karikaturisten des Landes als "Lügner" und "Feigling". © picture alliance / dpa / Chema Moya
Von Peter B. Schumann · 05.07.2014
Im vergangenen Jahr trat in Ecuador, dem kleinen Andenland im Nordwesten Südamerikas, einen neues Mediengesetz in Kraft. Es sollte für Demokratisierung sorgen und die Entstehung kommunaler Radios fördern. Doch stattdessen dient es der Repression kritischer Meinungen.
"Das ist alles Lüge. Und Lügner sind Feiglinge, die sich hinter ihren Karikaturen verstecken. Hasser der Regierung…Und die Karikatur von Bonil ist eine einzige Lüge."
So Präsident Correa in einem Video über Xavier Bonilla, kurz Bonil genannt, einen der besten humoristischen Zeichner des Landes.Eine für deutsche Verhältnisse harmlose Karikatur über die Hausdurchsuchung bei einem oppositionellen Journalisten hatte Präsident Correa erzürnt. Sie führte zu einer Strafaktion der neue Medien-Aufsicht SUPERCOM. Diese forderte Bonil ultimativ auf, den "verleumderischen" Inhalt zu widerrufen, und verurteilte die Tageszeitung El Universo zu einer Geldstrafe von zwei Prozent ihres Quartalsumsatzes, rund 90.000 Dollar, weil sie dies nicht verhindert habe. Die maßlose Höhe dieser Sanktion hätte das Oppositionsblatt beinahe ruiniert.
Bonil antwortete mit dem ihm eigenen Humor. Auf der neuen Karikatur tritt die Polizei nicht mehr die Tür ein, sondern erscheint mit Blumen in der Hand und bittet freundlichst um die Übergabe von Notebooks und Handys, schleppt also nicht einfach kistenweise "Belege für Korruptionsfälle" weg - wie es in der ursprünglichen Fassung hieß. Der Fall machte international Schlagzeilen. Dabei sollte doch mit der SUPERCOM keineswegs eine Zensurbehörde errichtet werden. Ihr Direktor Carlos Ochoa:
"Von jetzt an soll jeder sagen, schreiben, zeichnen können, was er will - solange er sich seiner Verantwortung hierfür bewusst ist."
Vorwurf: "Zu wenig" über Correas Chile-Besuch berichtet
Er muss allerdings beachten, dass seine Informationen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse - laut Gesetz - "verifiziert, ausgewogen, präzise und kontextualisiert" sind. Denn Information ist nach dessen Definition ein "öffentliches Gut" und damit staatlicher Regulierung ausgesetzt.
Das bekamen die Tageszeitungen La Hora, El Universo, El Comercio und Hoy im Juni zu spüren. Ihnen wurde von der Aufsichtsbehörde vorgeworfen, nicht ausreichend über den Chile-Besuch von Präsident Correa berichtet zu haben. Damit hätten sie gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen. Noch sind die Verfahren nicht abgeschlossen, aber Hoy stellte am 29. Juni die Printausgabe ein und erscheint nur noch im Internet. Die Herausgeber erklärten:
"Der allmähliche Verlust an Freiheiten und verfassungsmäßigen Garantien, die Selbstzensur, zu der das Mediengesetz zwingt, die wiederholten direkten und indirekten Attacken auf die Presse, die die Regierung nicht kontrolliert, haben in den letzten sieben Jahren ein Klima geschaffen, das die weitere Entwicklung einer pluralistischen, freien, unabhängigen und für unterschiedliche Meinungen offenen Tageszeitung nicht mehr ermöglicht."
Seither versuchen staatlich gelenkte Medien in einer Kampagne, Hoy zu diskreditieren.Die internationale Organisation Reporter ohne Grenzenhat vor wenigen Tagen in einem umfangreichen Dossier zur Lage in Ecudaor festgestellt:
"Seit Inkrafttreten des Medien-Gesetzes, also seit Juni 2013 bis Juni 2014 gab es neun Fälle direkter Zensur, 18 erzwungene Korrekturen und 16 Verleumdungskampagnen gegen Journalisten."
TV-Programm wird von Aufforderungen zur Richtigstellung unterbrochen
Die Attacken richten sich nicht nur gegen die Printmedien, sondern auch gegen die in Radio- und Fernsehprogrammen geäußerten Meinungen. Sie werden von sogenannten cadenas unterbrochen, Einblendungen in die laufende Sendung, auf denen eine Richtigstellung der Information sowie eine öffentliche Entschuldigung für die Verbreitung gefordert werden.
Vertreter von Fundamedios, einer unabhängigen ecuadorianischen Medien-Stiftung, berichteten vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica außerdem über Eingriffe in Internetseiten und Verbote von auf Youtube hochgeladene Videos, die sich kritisch mit der Politik von Präsident Correa auseinandersetzten. Sie warfen der Regierung weiter vor:
"Die Journalistin Monica Almeida von der Zeitung El Universo deckte auf, dass die ecuadorianische Regierung das Unternehmen ‚Illumina di Lab‘ für 5,2 Mio. Dollar engagiert hat, um ein Zentrum zur Überwachung der sozialen Netzwerke aufzubauen… Dazu gehört auch die bekannte Existenz von Trolls im Internet oder von anonymen Mailadressen, die verwendet werden, um Kritiker der Regierung einzuschüchtern."
Die Bürger-Revolution hat einen sozialen Aufschwung ohnegleichen in der Geschichte des Landes bewirkt. Und das neue Medien-Gesetz hätte durchaus eine größere Vielfalt in die von privaten Unternehmen vielfach beherrschte Medienlandschaft bringen können. Aber so, wie es von die staatliche Aufsichtsbehörde SUPERCOM exekutiert, dient es dem Abbau von Demokratie in Ecuador.