Ecodesign

Mode für die Ewigkeit, nicht für den Müll

06:58 Minuten
Textilien, Schuhe und Polster liegen neben einem Container für Altkleider auf der Straße.
Selbst nachhaltige Kleidung wird oft weggeschmissen. Das gesamte Modesystem laufe noch falsch, sagt Ina Budde. © imago/ Hermann J. Knippertz
Ina Budde im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 25.11.2019
Audio herunterladen
Fast 90 Prozent der Kleidungsstücke landen nach der ersten Nutzung im Abfall, kritisiert die Modedesignerin Ina Budde. Anlass für sie, von vornherein auf Kleidung zu setzen, die für die Wiederverwertung gemacht ist. Nur: Wie kann das gelingen?
Liane von Billerbeck: Dass man vielerorts überlegt, was man so aus Dingen und Stücken und Stoffen machen kann, die ihre besten Tage hinter sich haben – dieses Upcycling –, das feiert ja fröhliche Urständ. Klingt ja auch immer gut, ist aber der Modedesignerin und Gründerin Ina Budde viel zu wenig. Sie will geschlossene Materialkreisläufe entwickeln, also Kleider designen, die von vorneherein zum Wiederverwerten hergestellt werden. Dafür hat sie sogar ihre Lehrtätigkeit aufgegeben und eine Firma gegründet.
Das interessiert uns an diesem Tag, an dem auch der Bundespreis des Ecodesign 2019 verliehen wird. Den hat Ina Budde 2017 bekommen. Guten Morgen, Frau Budde!
Ina Budde: Ja, guten Morgen allerseits!
Billerbeck: Eine Modedesignerin, die nicht mehr irgendwelche neue Mode entwerfen will. Wie das?
Budde: Ich habe als Designerin gestartet und habe realisiert, dass eigentlich über das Design hinaus wir noch so viel mehr machen müssen. Erst mal ist es gut zu wissen, dass um die 80 Prozent des nachhaltigen Impacts eines Produktes tatsächlich in der Designphase entschieden wird. Das heißt, Gestalter haben also einen großen Einfluss und auch eine große Verantwortung, wie ich denke.
Allerdings habe ich gemerkt, selbst wenn ich Produkte beispielsweise mit biologischer Baumwolle wähle, ist das natürlich eine Entscheidung, die positiv ist, aber oft ist es so, dass viele Produkte, die selbst nachhaltig gestaltet sind, am Ende im Abfall landen.
Das hat mich frustriert, und ich habe überlegt, was kann man da machen. Und ich habe erkannt, dass es viel mehr ein systemischer Fehler ist, wo man auch Lösungen anbieten muss, wie Produkte zurück in den Kreislauf genommen werden können und wir wirklich den Abfall völlig neu definieren können.

Nur ein Prozent der Kleidungsstücke werden recycelt

Billerbeck: Sie engagieren sich mit Ihrer Firma für geschlossene Materialkreisläufe. Das heißt, Sie machen nicht einfach mehr Design, sondern Sie gehen jetzt in die Technik und die ganze Organisation dieser Modeproduktion. Das ist ja eine völlig neue Arbeit.
Budde: Richtig, das ist eine völlig neue Arbeit. Wir haben gesehen, dass es im Prinzip drei große Herausforderungen gibt. Zunächst einmal ist wichtig zu verstehen, dass die Kleidungsstücke, die wir heute produzieren, das sind 100 Milliarden Kleidungsstücke jährlich, dass 87 Prozent davon tatsächlich nach der ersten Nutzung im Abfall landen.
Billerbeck: Wahnsinn.
Budde: Ja, das ist wirklich eine riesige Nummer. 12 Prozent werden auch recycelt, das ist heute allerdings eher ein downcycling. Fasern werden kürzer und sie landen bestenfalls noch in Autositzen zum Beispiel, als Füllmaterial. Ein Prozent dieser Fasern oder sogar weniger als ein Prozent werden heute mit ganz innovativen Technologien recycelt, die es erst seit einigen Jahren gibt. Da haben wir uns gefragt: Warum ist das so, was ist der Grund, dass diese großartigen Innovationen noch nicht flächendeckend genutzt werden? Da gibt es eben drei Herausforderungen, die zu lösen sind.
Zum einen haben diese hochwertigen Technologien ganz andere Voraussetzungen, was sie für Produkte nehmen und recyceln können, das heißt, die Gestalter müssen schon ganz am Anfang ansetzen und entscheiden, wie kann ich jetzt dieses Produkt auch recyclingfähig gestalten? Das ist der erste Punkt.
Und der zweite Punkt ist im Prinzip, dass auch Kunden und Endkonsumenten natürlich wissen müssen, wo sie die Produkte auch zurückgeben können. Der dritte Punkt ist, dass auch die Altkleidersortierer, die die Produkte letztendlich zurücknehmen, eben auch die recyclingfähigen Produkte erkennen müssen und zum richtigen Recycler leiten.
Und alle diese drei Herausforderungen, sage ich mal, gehen wir an mit einer Plattform, mit einer digitalen Plattform.

Design für Langlebigkeit und für Recycling

Billerbeck: Das klingt nach einer großen Aufgabe, wenn ich mich erinnere, dass alleine Burberry Kleidung im Wert von 30 Millionen Euro einfach vernichtet hat, was ja, wie ich Sie höre, keine Ausnahme ist, sondern eher die Regel. Was muss sich denn in der Modewirtschaft ändern, damit man wieder gern ein neues Kleidungsstück kauft?
Budde: Es geht auf jeden Fall nicht nur um Verzicht. Eigentlich ist die Möglichkeit, wenn wir uns das System anschauen, es gibt tolle Ideen wie zum Beispiel cradle to cradle. Man kann Produkte so gestalten, dass sie wirklich endlosen, beziehungsweise unendlichen Wert haben. Wenn wir das so angehen, dann müssen wir das nicht als Einschränkungen sehen, sondern wir können wirklich Produkte gestalten, die positiv sind für Mensch und Umwelt, die beispielsweise auch multifunktional sind, die eine lange Lebensdauer haben und auch eine ästhetische langlebige Qualität – und letztendlich eben für den Kreislauf gestaltet sind, also wieder Ressource für etwas Neues werden können.
Billerbeck: Das heißt, das sind Materialien, die von vornerein Qualität haben, die lange halten, die auch vom Schnitt her so sind, dass sie mir lange gefallen – und die auch noch recyclebar sind.
Budde: Absolut, genau! Man sollte schon einen holistischen Ansatz wählen.
Billerbeck: Was ist das?
Budde: Ein ganzheitlicher Ansatz, indem man quasi beides – Design für Langlebigkeit und Design für Recycling – vereint und das eben auch zum Vorteil der Kunden. Es ist doch auch viel schöner, wenn ich ein Produkt habe, was beispielsweise einfach zu reparieren ist oder eine Modemarke, die sich darüber Gedanken macht, beispielsweise einen Wiederfärbungsservice anzubieten, wenn ein Produkt beispielsweise nicht mehr so eine schöne Farbe hat, es noch mal aufzufrischen. Und all diese Ideen, die auch um das Produkt herum angeboten werden können.

Ein Code soll Transparenz herstellen

Billerbeck: Kurze Frage noch: Wer überprüft denn nun, ob dieser Kreislauf eingehalten wird? Findet man dann irgendeinen Hinweis dann an dem Kleidungsstück?
Budde: Genau! Wir beraten sozusagen Modeunternehmen, auch namhafte wie zum Beispiel Hugo Boss, die eben sich auf den Weg begeben haben. Wir beraten eben diese Unternehmen und ihre Gestalter, welche Materialien sie besser wählen können, wir prüfen auch diese Stoffe, ob sie wirklich den Voraussetzungen der Recycler entsprechen.
Und um das dann auch zu kommunizieren an die Kunden, bekommt jedes Kleidungsstück einen Code, den man scannen kann, wo zum einen die transparente und nachhaltige Produktion sichtbar ist und zum anderen auch die Vorteile für den Kunden, dieses Produkt auch wirklich lange zu nutzen und die Möglichkeiten, es auch secondhand zu nutzen oder es auch zurückzugeben für das Recycling. All diese Informationen findet man eben in diesem Code, und mit diesem Code organisieren wir auch die Rücknahmekanäle beispielsweise über Firmen wie Texaid.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema