Eckart von Klaeden verteidigt Steuererleichterungen für Hoteliers

Eckart von Klaeden im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckart von Klaeden, verteidigt die Senkung der Umsatzsteuer für Hoteliers durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Es sei völlig selbstverständlich, dass Deutschland als Folge des Gesetzes im Einzelhandel und in der Gastronomie unterschiedliche Mehrwertsteuersätze habe, sagte der Regierungskoordinator für Bürokratieabbau.
Marietta Schwarz: Als Bürokratiedschungel ist Deutschland verschrien, ein Land, das sich selbst übertrumpft, wenn es darum geht, Formulare auszufüllen. 9.199 solcher Informationspflichten gibt es allein für die Wirtschaft. Man kann sich vorstellen, was das kostet, an Zeit, aber auch an Geld, Geld, Milliardenbeträge, die man sparen könnte, und deshalb hat sich die schwarz-gelbe Koalition vorgenommen, Bürokratie abzubauen. Aber wie ernsthaft wird dieses Ziel eigentlich verfolgt? Darüber spreche ich mit dem CDU-Politiker Eckart von Klaeden. Er ist Staatsminister im Kanzleramt und koordiniert den Abbau der Bürokratie. Guten Morgen!

Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Frau Schwarz.

Schwarz: Herr von Klaeden, Sie merken es vielleicht schon: wir misstrauen diesem Vorsatz, wir können uns dieses Land nicht mit weniger Bürokratie vorstellen. Aber vielleicht haben Sie ja schon Beweise für das Gegenteil?

von Klaeden: Wir haben ja 2006 mit dem Programm bereits begonnen und haben damals die von Ihnen genannten über 9.000 Informationspflichten identifiziert und haben dann in einem Standardkostenmodell entsprechende Kosten zugewiesen und haben dann gesagt, 25 Prozent Netto dieser Informationspflichten wollen wir abbauen. Das ist gelungen ungefähr gut zur Hälfte mit einer Nettoentlastung der Wirtschaft mit ungefähr 7 Milliarden. Die bekanntesten Maßnahmen sind da zum Beispiel, dass das Handelsregister voll elektronisch zur Verfügung steht, dass es ein Gewerbezentralregister gibt, dass wir faires und umweltfreundliches Entsorgen alter Verpackungen organisiert haben. Allein das bringt über 200 Millionen Euro jährlich Entlastung für die Wirtschaft. Nach dem Standardkostenmodell ist es zu einer Entlastung der Wirtschaft bisher schon von 7 Milliarden gekommen. Das sind natürlich Entlastungen, die nicht jedem gleich zugutekommen, sondern die häufig auch sektoral stattfinden, und mit Bürokratiekosten ist es wie mit Zahnschmerzen: wenn man sie hat, dann sind sie schmerzhaft, und wenn sie weg sind, dann hat man den Schmerz relativ schnell vergessen. Deswegen haben wir eben das Standardkostenmodell mit dem Statistischen Bundesamt, das uns hilft, die Dinge wirklich objektiv nachzuvollziehen. Jetzt muss es weitergehen: einmal mit den weiteren 5 Milliarden bei den Informationspflichten und dann bei der Messung des gesamten Erfüllungsaufwandes, wo wir ebenfalls in prioritären Bereichen 25 Prozent einsparen wollen.

Schwarz: Jetzt könnte man im Moment auf den Gedanken kommen, dass die Bundesregierung sich ein bisschen auf diesen Lorbeeren ausruht, denn Bürokratie wird ja auch aufgebaut. Also die Arbeitsämter zum Beispiel müssen über eine Million Bescheide verschicken für 20 Euro zu viel gezahltes Kindergeld, aktuelle Diskussion. Die Kosten für diese Bescheide werden mit 21 Euro pro Stück beziffert. Das hört sich nicht effizient an.

von Klaeden: Ich glaube, dass diese Zahlen nicht richtig sind, die da genannt werden, aber richtig ist: jede Gesetzesänderung führt natürlich zunächst einmal zu Bürokratie, weil sie umgesetzt werden muss. Die Kosten, die Sie jetzt aber miteinander verglichen haben, sind ja die: selbst wenn diese Zahlen stimmen würden, dann wären die Kosten für den Bescheid einmalig, während die Kosten, die auf der anderen Seite stehen, monatlich anfallen. Das ist schon mal kein nachzuvollziehender Vergleichszeitraum. Aber es ist richtig: bei jeder Gesetzesänderung entstehen Umsetzungskosten, sonst müsste man die Gesetze ja auch nicht ändern, wenn man sie nicht umsetzen würde. Aufgabe ist auch nicht, Bürokratie völlig abzubauen, das wird gar nicht funktionieren, sondern es geht darum, die Bürokratiekosten auf ein vertretbares Maß zu reduzieren, also unnötige Bürokratie zu vermeiden, und da sind wir schon ein ganz gewaltiges Stück weiter gekommen.

Schwarz: Eine weitere Gesetzesänderung ist ja das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit den Steuererleichterungen für die Hoteliers. Die müssen jetzt für das Frühstück den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent abrechnen, für die Übernachtung 7 Prozent. Der FDP-Vize Andreas Pinkwart spricht von einem bürokratischen Monstrum. Geben Sie ihm Recht?

von Klaeden: Nein, ich gebe ihm nicht Recht, weil bei jeder Gesetzesänderung – das habe ich gerade schon einmal gesagt – natürlich Umsetzungskosten entstehen, aber es ist etwas völlig Selbstverständliches, dass man im Einzelhandel und auch in der Gastronomie unterschiedliche Mehrwertsteuersätze hat. Wenn Sie zum Beispiel ein Hamburger-Restaurant besuchen, um nicht den Namen zu nennen, der uns allen auf der Zunge liegt, dann zahlen Sie für denselben Hamburger, wenn Sie ihn im Restaurant verzehren, 19 Prozent und wenn Sie ihn mitnehmen 7 Prozent Mehrwertsteuer, und ich kann mich an niemanden erinnern, der beim Hamburger-Kauf sich über besondere Bürokratiekosten beschwert hat. Jeder Tante-Emma-Laden hat für die Produkte, die er verkauft, unterschiedliche Mehrwertsteuersätze. Ich habe den Eindruck, dass dort jetzt auch Dinge problematisiert werden, die uns völlig klar sind und die auch in anderen Bereichen ohne Schwierigkeiten funktionieren. Was richtig ist, ist, dass wir uns vorgenommen haben, das Mehrwertsteuersystem in Deutschland insgesamt zu überarbeiten, weil es nicht mehr stimmig ist, aber das hat jetzt mit dieser konkreten Entlastung nichts zu tun und die Dinge, die mir hier aus dem Finanzministerium bekannt sind, gehen in die Richtung, dass an unbürokratischen Umsetzungen gearbeitet wird, dass also, was zunächst einmal von Gegnern dieser Entlastung problematisiert worden ist, nach meiner Einschätzung nicht eintreten wird.

Schwarz: Herr von Klaeden, ein drittes Beispiel hat jetzt nichts mit Gesetzesänderungen zu tun: die Arbeit der Jobcenter. Die soll aufgespalten werden, weil sie nicht verfassungskonform ist. Die CDU, Ihre Partei, sperrt sich aber gegen eine Verfassungsänderung. Für den Arbeitsuchenden wird der Weg zurück in die Arbeit komplizierter, für die Verwaltung teurer. Warum sperrt sich die CDU also gegen eine Lösung, nämlich eine Verfassungsänderung?

von Klaeden: Das ist nicht korrekt, dass wir uns einer Verfassungsänderung verweigern. Die Frage ist bloß, wie die Verfassung geändert werden soll, und sie muss natürlich so geändert werden, dass sie der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes Rechnung trägt. Also wir können nicht das, was das Verfassungsgericht als nicht vereinbar mit dem Demokratieprinzip bezeichnet hat, durch eine Verfassungsänderung beseitigen. Das funktioniert nicht. Wenn Sie gestern die zuständige Ministerin Frau von der Leyen im ARD-Fernsehen gehört haben, dann hat sie das ausdrücklich gesagt. Sie hat gesagt, sie ist nicht gegen eine Verfassungsänderung, aber die Feststellung, dass man einer Verfassungsänderung nicht ablehnend gegenübersteht, heißt ja noch lange nicht die Übereinstimmung in der Frage, wie die Verfassung zu ändern ist. Und wenn festgestellt ist, dass die Regelung nicht verfassungsgemäß ist, ist es klar, dass solange wir die Verfassungsänderung nicht haben wir uns auf eine verfassungskonforme, möglichst bürokratiearme Umsetzung des Urteils vorbereiten müssen. Da werden Dinge kritisiert, die im Rechtsstaat völlig selbstverständlich sein müssen, denn wenn wir Verfassungsgerichtsurteile nicht mehr umsetzen und Politik und Verwaltung sich nicht mehr an die Verfassung halten, dann ist es vorbei mit dem Rechtsstaat. Dass dieses Vorgehen jetzt unter dem Hinweis auf Bürokratiekosten in dieser Weise kritisiert wird, ist mir nicht nachvollziehbar.

Schwarz: Eckart von Klaeden, Koordinator der Bundesregierung für Bürokratieabbau. Vielen Dank, Herr von Klaeden, für das Gespräch.

von Klaeden: Bitte, Frau Schwarz.