Ebola

Als Helfer in Liberia

Mario Di Gennaro, Inga Hennig-Finke, Rainer Haak
Mario di Gennaro (links) ist einer von über 120 DRK-Freiwilligen, die in Liberia helfen © Foto: Claudia van Laak
Moderation: Liane von Billerbeck · 16.12.2014
Der Rettungssanitäter Mario di Gennaro hat sechs Wochen lang geholfen, ein Krankenhaus in Liberia aufzubauen. Dort grassiert noch immer Ebola - doch der DRK-Helfer hat auch Fortschritte erlebt.
Als einer von über 120 freiwilligen DRK-Helfern war Mario di Gennaro in Liberias Hauptstadt Monrovia. Er hat dort erlebt, dass der Aufbau eines Krankenhauses vor allem viel Planungsaufwand bedeutet - vom Konzipieren einer IT-Abteilung bis hin zur Rekrutierung von Personal. Doch jetzt sei alles fertig. Bis zu 100 Patienten könnten nun in der Zelt-Klinik behandelt werden, sagt Di Gennaro - wenn es denn nötig sein sollte.

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Man muss nur die Namen der westafrikanischen Länder Guinea, Sierra Leone und vor allem Liberia nennen, dann weiß jeder, dass es um Ebola geht, die Krankheit, die seit Monaten in diesen Ländern wütet. Über 6.400 Menschen sollen daran schon gestorben sein und noch immer ist nicht ganz klar, ob sie tatsächlich eingedämmt werden konnte oder sich nur in entfernteren Gebieten weiter ausbreitet.
Nach Liberia, das am stärksten von Ebola betroffene Land, sind freiwillige deutsche Helfer gegangen, die das Deutsche Rote Kreuz dorthin entsandt hat, ein Krankenhaus sollten sie aufbauen. Gestern wurde es in Betrieb genommen und damit ist auch die Arbeit eines dieser 121 DRK-Freiwilligen nach sechs Wochen im Ebola-Gebiet zu Ende, der wird jetzt zurück nach Deutschland fliegen, mein Gesprächspartner Mario Di Gennaro. Der Hesse ist ein erfahrener Rettungssanitäter, seit 25 Jahren. Ich habe gestern vor seinem Abflug aus Monrovia mit ihm gesprochen.
Herr Gennaro, sechs Wochen im Ebola-Gebiet, wie geht es Ihnen jetzt?
Mario Di Gennaro: Hervorragend. Wie Sie ja schon gerade gesagt haben, wir haben das Krankenhaus so weit fertiggestellt. Ich muss sagen, die Funktionsräume, die Stationen, all diese Dinge sind fertig, der Vorgarten ist noch nicht ganz fertig, aber auf jeden Fall ist das Ganze sozusagen funktionsbereit.
Von Billerbeck: Wie müssen wir uns dieses Krankenhaus vorstellen? Ist das ein Krankenhaus, wie es hierzulande auch üblich ist, oder wie sieht das aus?
Di Gennaro: Nein, im Entferntesten. Das Ganze ist gebaut worden in den letzten Wochen hier in Monrovia, die Stationen an sich sind große Zelte, die Funktionsräume, der Schwesternstützpunkt, die Apotheke, der Umziehraum, all diese Dinge werden auf Holzkonstruktionen gebaut und sind umspannt worden mit einer Plastikfolie, damit man sie auch ordentlich desinfizieren kann.
Von Billerbeck: Wie viele Kranke können denn dort versorgt werden?
Di Gennaro: Wir haben eine Stufenplanung gemacht, dass wir sagen, wir planen im Moment mit Personal und Material für zehn Patienten, für 50 Patienten. Aber die Ebola Treatment Unit und das Ebola-Krankenhaus soll bis zu 100 Patienten aufnehmen können, wenn denn nötig.
Von Billerbeck: Schildern Sie doch mal, was genau in diesen sechs Wochen Ihre Aufgabe war beim Bau dieses Krankenhauses, dieser Zeltstadt?
Di Gennaro: Ich bin in den Einsatz geschickt worden mit dem Titel "IPC", "Infection Prevention Control" sozusagen, der Chefdesinfektor des Krankenhauses. Aber als wir hier in Monrovia ankamen, habe ich erst mal andere Aufgaben übernommen wie zum Beispiel den IT-Bereich, unser Büro einsatzfähig zu machen, Netzwerk zu bauen, all diese Dinge. Und habe mich jetzt seit drei Wochen, dreieinhalb Wochen eigentlich mit Planung beschäftigt. Wir haben über das liberianische Rote Kreuz Personal angestellt, wir haben Personalbedarfsberechnung gemacht, wir haben Prozeduren beschrieben, sichere Prozeduren, wie wir uns vorstellen, dass die Mitarbeiter in unserer Ebola Treatment Unit arbeiten sollen.
Wir folgen den Standards von MFS, die dort sehr viel Erfahrung haben, das heißt, wir haben da nicht viel Neues zu machen, wir haben geguckt, passt das in unsere Arbeitsabläufe, wir haben Personalbeschreibungen, also Stellenbeschreibungen, würde man in Deutschland, glaube ich, sagen, gemacht, damit wir das Personal entsprechend rekrutieren können, haben quasi parallel zum Fortschritt des Baus alles so weit fertig gemacht, dass wir jetzt nach der funktionellen Übergabe loslegen können.
Von Billerbeck: Das klingt alles so bürokratisch, wenn Sie das erzählen. Was war denn das, was Sie in den sechs Wochen am meisten beeindruckt hat?
Di Gennaro: Es klingt bürokratisch, ich habe auch durchaus nicht nur am Schreibtisch gesessen, ganz im Gegenteil. Wir haben Trainings mit den lokalen Kräften gemacht hier vor Ort, und das Bewegendste für mich war, ich habe mir laufende Ebola-Zentren angeguckt, die schon Patienten haben oder noch Patienten haben, einfach um zu lernen, wie sind deren Prozeduren, um das sozusagen bei uns auch implementieren zu können.
Der schönste Augenblick war, als drei Frauen mit ihren Kindern eine Entlassungsnachricht bekommen haben, dass sie Ebola überlebt und morgen sozusagen dann entlassen werden. Und das war toll, die haben angefangen zu tanzen und das sah aus wie eine afrikanische Folklore-Vorstellung. Und wir haben uns trotz Schutzausrüstung gleich mit denen gefreut.
Von Billerbeck: Was ist denn das, was dort nach wie vor fehlt, was Sie, die Helfer und auch die Kranken in Liberia brauchen?
Di Gennaro: Oh, also, an Material fehlt es hier sicherlich nicht. Ich denke, wir arbeiten, wie es das Deutsche Rote Kreuz immer tut, über die nationale Gesellschaft, über das liberianische Rote Kreuz. Wir tun das natürlich mit Nachhaltigkeit, es sind schon Kollegen hier im Land, die sich Gedanken machen, wie geht es denn nach Ebola weiter. Also, ich denke, die Spendenbereitschaft ist sicherlich ein Thema, das ich ansprechen möchte. Dass ich jetzt sagen möchte, wir brauchen Schutzausrüstungen oder wir brauchen Gummistiefel oder all diese Dinge, das ist in meinem Überblick hier im Moment nicht der Fall.
Wir können sehr viel hier auch im Land beschaffen, auch das kurbelt die Wirtschaft hier wieder an, wir schaffen Arbeitsplätze, also, all diese Dinge versuchen wir hier im Land zu machen. Dass man jetzt aus Deutschland noch mit Material nachführen müsste, nur in dem Fall, falls wir das hier nicht kriegen würden.
Von Billerbeck: Sie haben es irgendwie in einem Nebensatz schon mal erwähnt, dass Wahlen abgehalten werden sollten in Liberia. Wie kann man sich das vorstellen, das ist doch ein Infektionsherd, ein möglicher, ersten Ranges, Wahlkampf und Versammlungen. Was halten Sie davon?
Di Gennaro: An einem der Tage gab es an der Hauptstraße, hier an einer der großen Straßen eine Wahlveranstaltung, mit sehr vielen Menschen auf einem Haufen, da sind wir dran vorbeigefahren und haben uns alle Sorgen gemacht, haben gesagt, oje, wie kann das sein. Aber meines Wissens hat die Regierung hier sofort auch reagiert und hat solche Veranstaltungen untersagt. Ich habe sogar gehört, dass in Sierra Leone auch Weihnachtsveranstaltungen abgesagt beziehungsweise unterbunden werden sollen, das weiß ich jetzt hier nicht. Aber die Regierung hat reagiert und möchte solche Menschenansammlungen erst mal nicht sehen. Und seitdem habe ich auch keine mehr wahrnehmen können.
Von Billerbeck: Nun fliegen Sie nach sechs Wochen Liberia-Arbeit für und mit Ebola-Kranken wieder zurück ins vorweihnachtliche Deutschland. Können Sie sich vorstellen, wie Ihre Landung da vonstattengehen wird, Landung im übertragenen Sinn?
Di Gennaro: Ja, ich hoffe, sie geschieht herzlich, nennen wir es mal so. Das Rote Kreuz, wir folgen nach wie vor den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes, ich werde zwei Tage oder zweimal am Tag Fieber messen, ich werde mit meiner Freizeitgestaltung sehr sensibel umgehen, das heißt, dass ich Menschenansammlungen auch meiden werde. Aber das mache ich nicht, weil ich Angst habe, jemanden anzustecken, weil, ich bin gesund, ich habe hier keine Temperatur gehabt, ich hatte nicht mal in den sechs Wochen Durchfall oder irgendwas, ich fühle mich pudelwohl.
Ich habe eigentlich eher Bedenken, dass ich mich jetzt in Deutschland von jemandem mit einer Grippe anstecken lasse, weil der noch gar nicht weiß, dass er die Grippe hat, und ich dann mit Fieber, mit Kontakt zu Ebola-Patienten als falscher Verdachtsfall in einem Behandlungszentrum lande. Und das möchte ich natürlich nicht. Aber ansonsten hoffe ich, dass in Deutschland die Sichtweise sich einfach auch ändert und weiß, die Viren sind nicht die gefährlichsten, die jetzt heimkommen, sondern eigentlich müssen wir uns vor den Grippe-Viren in Deutschland schützen.
Von Billerbeck: Mario Di Gennaro war das, Rettungssanitäter vom hessischen Deutschen Roten Kreuz, der als Freiwilliger sechs Wochen in Liberia geholfen hat und dort ein Krankenhaus aufgebaut hat. Herr Gennaro, ganz herzlichen Dank und alles Gute für Sie!
Di Gennaro: Ja, vielen Dank!
Von Billerbeck: Das Gespräch habe ich vor unserer Sendung aufgezeichnet. Und in einer Stunde etwa können Sie hier das Porträt einer Ebola-Überlebenden hören, also etwa gegen zehn vor acht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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