Eberhard Rathgeb: "Cooper"

140 Seiten bedeutungsschwangeres Raunen

Ein Auto fährt im Nebel auf einer Landstraße.
Düstere Vorahnungen begleiten den Leser von Eberhard Rathgebs "Cooper" durch den ganzen Roman. © imago/CHROMORANGE
Von Knut Cordsen · 26.07.2016
Eine junge Familie fährt in ihr Wochenendhaus, die Köpfe voller freudiger Erwartungen. Doch dem Leser wird schnell klar: Eberhard Rathgebs Roman "Cooper" wird nicht glücklich ausgehen. Für unseren Kritiker hat er den Spannungsbogen aber überspannt.
Eberhard Rathgebs Roman "Cooper" ist kurz, und er handelt nicht von James Fenimore Cooper, dem Erfinder des "Lederstrumpf”. Angesichts einer Länge von gerade mal 140 Seiten ist man verleitet, von einem "Mini Cooper” zu sprechen, obwohl auch das gleichnamige Automodell nichts mit dieser Geschichte zu tun hat - selbst wenn auf dem Buchcover eine im dichten Nebel versunkene Tankstelle zu erkennen ist. Überhaupt taucht die Titel gebende Figur - vornamenlos - erst reichlich spät auf Seite 117 auf.
In und an diesem Roman ist einiges seltsam, einiges rätselhaft. Sein Grundton: ein bedeutungsschweres Raunen. Das setzt schon gleich zu Beginn ein, als es heißt, dass "über jeden ein Dossier geführt wird ... jede Regung und Empfindung wird festgehalten, jede Vorstellung, jeder Gedanke dokumentiert". Aber "kein Geheimdienst" stecke dahinter, versichert der Erzähler, diese "Mappe" mit Informationen über jeden von uns, "füllt sich von selbst, wie eine Regentonne".

"Cooper" ächzt unter Metaphernseligkeit

Womit ein gravierendes Problem des Buches aufscheint: Es ächzt unter seiner Metaphernseligkeit. Katachresen, Bildbrüche sind deshalb kein Einzelfall. Da "versickert" ein Tag "im Vergessen, das wie ein weißes Betttuch über die vergangenen Stunden geworfen wird". Und da es Eberhard Rathgeb irgendwie mit dem nassen Element hat (Regentonne, Versickern), steigt "der Wasserspiegel des schwarzen Flusses der Traurigkeit" stetig an, bevor der Autor schließlich zu jener vierköpfigen Familie kommt, die an einem schönen Samstagvormittag - "die Taschen der Seele voll mit Plänen, Vorstellungen, Wünschen" - zum frischerworbenen Wochenendhaus aufs Land fährt.
Die beiden Töchter auf der Rückbank wissen nicht, dass ihre Eltern das kleine Anwesen in der Waldeseinsamkeit erworben haben. Sie interessieren sich auf dem Weg zum unbekannten Ziel vielmehr für eine herumstreunende Katze an einer verlassenen Tankstelle. Diese Katze ist schwarz, hat nur noch ein Auge und die Mädchen streiten sich darüber, ob man sie "Pandora" nennen sollte. Man ahnt, dass Unheil dräut, dass dies "ein dunkler Tag" werden wird und in der trügerischen Idylle "das Schicksal" bald "um die Ecke" und "zur Tat" schreitet.

Rathgeb kündigt den Schrecken wortreich an

Der "grässliche Zwerg einer schlimmen Ahnung", der späterhin aus dem "verschatteten Winkel" des Bewusstseins der Mutter tritt und sich "vor ihren Augen in einen tobenden Riesen” verwandelt, hat sich zu diesem Zeitpunkt natürlich bereits im Hirn des Lesers eingenistet. Wir spüren den Horror, der da - von einem "hohen Gericht" verfügt - auf die arme Familie niedergehen soll. Aber er lässt uns kalt, mag er noch so fürchterlich sein. Das Alptraumgespinst, das Rathgeb hier ausbreitet, leidet darunter, dass der Erzähler ein solcher Raunerich ist.
Dadurch dass er den Schrecken Seite um Seite wort- und bildreich ankündigt, ist man dann kaum mehr überrascht, geschweige denn schockiert, als er sich tatsächlich ereignet. Von einer "Angst vor dem Werden” ist im Buch zum Ende hin die Rede. Vielleicht war es genau diese Angst, die diese andeutungsschwangere Geschichte so fad hat werden lassen.

Eberhard Rathgeb: Cooper
Hanser Verlag, München 2016
140 Seiten, 17,00 Euro

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