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Schulbücher aus dem Netz

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Schüler einer Klasse in Rüsselsheim arbeiten mit Tablet-PCs. © picture alliance / dpa / Arne Dedert
Von Nadine Kreuzahler · 22.09.2014
Weil Schulbücher oft veraltet sind, recherchieren viele Lehrer ihre Unterrichtsmaterialien im Web zusammen. Einen Lehrer hat das so geärgert, dass er eine Internet-Plattform für Bücher gegründet hat. Aber sind die Schulen überhaupt bereit dafür?
"Ich bitte euch, diese Abbildung zu erklären, beginnend von hier oben."
Biologieunterricht in der zehnten Klasse des Berliner Gymnasiums Tiergarten. Fortpflanzung und Genetik stehen auf dem Lehrplan. Klassenlehrer Florian Bublys legt eine selbst gemalte Folie auf den Overhead-Projektor.
"Ja, Halil? Also, zu sehen sind ein Mann und eine Frau ... - Stop. Geh doch mal bitte nach vorne an die Folie und zeig das mal ..."
Bublys verteilt kopierte Arbeitsblätter an die Schüler. Ein Mädchen fragt, ab wann ein Embryo zum Fötus werde - und schlägt es dann schnell selbst im Bio-Lehrbuch nach. Ansonsten bleibt der dicke Wälzer in den nächsten 90 Unterrichtsminuten unbenutzt:
"Grundsätzlich steht in Bio auch jedem Schüler und jeder Schülerin ein Buch zur Verfügung, die haben aber auch ihre Schwachstellen. Ich erstelle eigentlich alle Materialien selber. Meine Unterrichtsvorbereitung beruht sowohl auf der Literaturrecherche, als aber zu einem großen Teil, gerade in Politikwissenschaft, auf der Internetrecherche, auf tagesaktuellen Zeitungsartikeln. Ich wüsste gar nicht mehr, wie ich ohne Internet Unterricht vorbereiten sollte."
Schulbücher sind meistens veraltet
Drei Viertel aller deutschen Lehrer bereiten sich - laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach - so vor wie Florian Bublys. Viele nehmen den Aufwand in Kauf, weil sie auf aktuelle Entwicklungen eingehen wollen oder unzufrieden sind mit den Schulbüchern. Diese sind meistens veraltet oder werden Ansprüchen der neuen Generationen nicht mehr gerecht.
Darüber hat sich auch der Biologie- und Sportlehrer Heiko Przyhodnik geärgert. Gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler und Medienfachmann Hans Wedenig arbeitet er an der Abschaffung der gedruckten Schulbücher:
"Die sind schwer, die müssen mitgetragen werden, die werden selten eingesetzt im Unterricht, zum anderen entsprechen sie nicht dem Lern- und Lehrverhalten der Kinder heutzutage, die mit ihren End-Geräten herumspielen."
Ihre Lösung: der Schulbuch-O-Mat. Eine Plattform für freie und kostenlose digitale Schulbücher. Mit Hilfe von Crowdfunding - der Masse aus dem Netz, die versucht Projekte zu finanzieren - und mit einer Gruppe von Freiwilligen erarbeiteten sie das erste deutsche offene digitale Schulbuch: Biologie für die 7. und 8. Klasse. Dabei hielten sie sich an den Berliner Rahmenlehrplan.
Jeder kann sich das interaktive E-Book gratis herunterladen, kopieren und weiterverbreiten, es ergänzen und Änderungen vorschlagen. Die Resonanz war anfangs groß, mittlerweile ist der Enthusiasmus aber Ernüchterung gewichen. Zwei geplante Schulbücher sind in diesem Jahr an mangelndem Interesse gescheitert. Trotzdem glauben die Macher an ihre Idee. Hans Wedenig:
"Mittelfristig ist klar, dass der Weg in diese Richtung geht und deshalb haben die Verlage da auch längst schon erkannt, dass sie sich ein bisschen bewegen sollten."
Lehrer sollen sich miteinander vernetzen
Die Verlage - das sind die traditionellen Schulbuchverlage. Sie haben angefangen, ihre Lehrbücher nach und nach auf einer gemeinsamen Plattform zu digitalisieren. Der Cornelsen-Verlag verkauft seit diesem Schuljahr alle seine Bücher zusammen mit einem Download-Code für das E-Book. All diese Bücher sind Eins-zu-Eins-Kopien ihrer gedruckten Originale, weil diese Schulbücher so von den Kultusministerien genehmigt wurden. Über eine neu gegründete Plattform des Verlags sollen sich Lehrer aber außerdem miteinander vernetzen und Inhalte wie Filme oder Grafiken austauschen können. Klaus Holoch von Cornelsen:
"Jetzt hoffen wir, dass auf der anderen Seite auch alle aufwachen, und mal ernsthaft drüber nachgedacht wird, dass man die Schulen ordentlich ausstattet, dass man auch alles machen kann."
Das wünscht sich auch Biologie-Lehrer Florian Bublys. Dennoch weiß er um die knappen Kassen im Berliner Haushalt. Und er weiß aus eigener Erfahrung, dass die Schulen andere Sorgen haben als digitale Schulbücher:
"In Berlin herrscht akuter Lehrermangel. Und das ist eben, wenn man die Person nicht hat, die im Unterrichtsraum steht, dann hilft auch das digitale Schulbuch nicht."
Der Weg zum digitalen Klassenzimmer ist noch weit. Viele Fragen sind noch unbeantwortet. Die technische Ausstattung an den Schulen lückenhaft. Der Mehrwert von digitalen Schulbüchern noch mager. Auch können sich nicht alle Schüler ein Tablet leisten.
Die Schüler selbst scheint dies am wenigsten zu beschäftigen. Sie packen ihre Zettel und Hefte ein. Stellen die Stühle auf den Tisch. Und loggen sich nach Schulschluss einfach wieder per Smartphone in die digitale Welt ein. Das ist nämlich auf dem Schulgelände strikt verboten.
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