Percy Adlons schräge Charaktere und neue Perspektiven

Er drehte Filme wie "Zuckerbaby" und "Out of Rosenheim": Der Regisseur Percy Adlon feierte vor wenigen Monaten 80. Geburtstag. Nun ist eine DVD-Box erschienen mit 20 Spiel- und Dokumentarfilmen aus rund 40 Jahren Filmschaffen. Sie vereint Nachdenkliches mit intelligenter Unterhaltung.
Irgendwo in der US-amerikanischen Wüste steht das Motel "Bagdad Café". Dort trifft die bayerische Touristin Jasmin auf die schwarze Besitzerin Brenda. Und das ungleiche Paar stellt eine Unterhaltungsshow auf die Bühne, die aus der Wüstenabsteige einen Renner macht. "Out of Rosenheim", so der Titel, erschien 1987 und wurde Percy Adlons erfolgreichster Film. Ein schräges Werk über Kleinkunst, kauzige Typen und Frauenfreundschaft. Wobei der Regisseur bewies, dass ihm Frauencharaktere besonders liegen.
"Ich bin im Krieg aufgewachsen, die meisten Männer waren im Feld oder waren sehr alt, und ich war da auf dem Land von Frauen umgeben; und vertraue Frauen und verstehe was von Frauen. Und habe einfach gerne Frauenrollen geschrieben."
Percy Adlon studiert Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft und nimmt Schauspielunterricht. In Aachen spielt er Anfang der 60er-Jahre Theater, geht dann aber nach München und avanciert beim Bayerischen Rundfunk zum gefragten Sprecher.
"Ich nannte den BR mein Kloster, weil ich da allein vor dem Mikrofon saß und meine Bilder herstellen konnte. Ich kam nämlich sehr schnell in die literarische Abteilung und habe dann zwölf Jahre lang Literatur vorgelesen."
Dann beginnt er Künstlerportraits zu drehen, zum Beispiel über den Dichter Robert Walser oder den Starzeichner und Illustrator Tomi Ungerer, der 1971 New York verlässt und sich in ein Bauernhaus nach Kanada zurückzieht.
"Es gibt größere Disziplin mit dem Zeichnen als mit der Malerei. Mit dem Zeichnen: Es wird nie radiert. Ich habe keinen Gummi. Das ist immer Fettstift. Ich benutze Fettstift, so dass ich keinen Gummi benutzen kann."
Keine Erfolge in Hollywood
Percy Adlon lässt den Künstlern Raum, bedrängt sie nicht mit Fragen, sondern beobachtet sie bei der Arbeit und im Alltag. So entstehen intime Portraits, rund 150 Dokumentarfilme. Und zehn seiner besten gehören zur DVD-Box. Anfang der 80er-Jahre dreht Percy Adlon seine ersten Spielfilme: Von "Céleste", der Geschichte von Marcel Prousts Haushälterin, über Cervantes "Don Quichote" bis hin zu "Fünf letzte Tage", ein Kammerspiel über die Gefängnis- und Verhörtage der NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl. Schließlich widmet sich der Filmemacher Gegenwartsstoffen. Und mit "Zuckerbaby", der Geschichte über die schwergewichtige Angestellte eines Begräbnisinstituts, die sich in einen U-Bahn-Fahrer verliebt, feiert er 1985 seinen Durchbruch.
Die skurrile romantische Komödie mit Marianne Sägebrecht, die ihren U-Bahn-Fahrer verfolgt, trifft den Nerv der Zeit – 15 Jahre vor "Six Feet Under". Vom Berlinale-Wettbewerb abgelehnt, bekommt Erika Gregor, die Co-Leiterin des Berlinale Forums, den Film während des laufenden Festivals zufällig in die Hände.
"Drei Tage später lief er im Delphi nachts um 12 Uhr. Die Reaktion während des Films war schon irrsinnig. Und zum Schluss stand alles auf den Sitzen: johlte, brüllte, klatschte. Marianne war ein Star…"
…und Percy Adlon als Autorenfilmer etabliert. Mit "Out of Rosenheim" und "Roseline goes Shopping", die alle zur DVD-Box gehören, dreht der Regisseur eine Trilogie, in deren Zentrum Marianne Sägebrecht steht. Zudem macht Adlon schräge Charaktere, knallige Farben und ungewöhnliche Kameraperspektiven zu seinem Markenzeichen. 1989 geht er mit seiner Frau Eleonore nach Hollywood, feiert dort aber keine großen Erfolge.
Dokumentation über Hotel Adlon
Mit dem Fernsehfilm "In der glanzvollen Welt des Hotel Adlon" gelingt ihm 1996 eine sehenswerte Dokumentation über das Berliner Prachthotel seiner Familie. Und 2010 dreht Percy Adlon ein komödiantisches Portrait über den Komponisten Gustav Mahler und seine Frau Alma. "Mahler auf der Couch", so der Titel, ist eine Mischung aus Ehedrama, Künstlerleben und Psychoanalyse, wobei die Begegnung zwischen dem verzweifelten Mahler und dem genervten Siegmund Freud viele bizarre Momente liefert.
Die Percy Adlon Box vereinigt Nachdenkliches mit intelligenter Unterhaltung, stilvolle Portraits und historisch-essayistische Betrachtungen. Wobei die thematische Nähe von je einem Dokumentarfilm und einem Spielfilme durchaus innovativen Charakter hat.