Durch's All segeln

Von Guido Meyer · 21.06.2005
6000 Jahre nachdem die Ägypter und Mesopotamier das Segel erstmals zum Warentransport auf Flüssen eingesetzt haben, findet es nun im Vakuum des Weltraums neue Verwendung. Nächste Woche will die amerikanische Planetary Society der Welt erstes privat finanziertes Sonnensegel ins All schießen, und zwar von einem russischen U-Boot aus.
Leipold: "Ein Sonnensegler ist ein treibstoffloser Raumfahrtantrieb. Wir nutzen hier den Lichtdruck der Sonne, rein durch die Impulsübertragung der Photonen, die an einem hochreflektierenden Segel reflektiert werden. Und dieser treibt das Raumfahrzeug dann an."

Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln herrschte vor einigen Jahren noch Optimismus, so bei Manfred Leipold, damals beim DLR-Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung. Dass das Prinzip funktioniert, ist unbestritten, doch an der Umsetzung dieser Antriebe hakt es nunmehr seit einem Jahrzehnt. Dabei benötigt man dringend neue Antriebssysteme, insbesondere für Langzeitmissionen. Denn das ewige Schwungholen, indem man Raumsonden sich Himmelskörpern nähern und dann wieder aus ihrem Schwerefeld herauskatapultieren lässt, ist lästig und zeitaufwendig. Berndt Dachwald vom Institut für Raumsimulation des DLRs.

Dachwald: "Man sieht ja jetzt schon bei Missionen ... um diese Missions-Energie zu sparen, müssen die sehr oft an Planeten vorbeifliegen, um dort Energie zu holen. Und das wird irgendwann für noch hochenergetischere Missionen nicht mehr möglich sein. Dann krieg´ ich Missionsdauern von 20, 30 Jahren. Und solche Missionen können dann nur noch mit Solarsails realisiert werden. Aber ob Solarsails jetzt schon in allernächster Zeit kommen, ist komischerweise am schwierigsten zu beurteilen, weil’s im Moment noch ´ne sehr starke Lobby für die solarelektrischen gibt. Und die sind ja jetzt auch über 30 Jahre entwickelt worden. Und diese Investitionen will man natürlich nicht versunken sehen."

Nun will die private Planetary Society aus Pasadena, Kalifornien, das Sonnensegeln praktisch unter Beweis stellen. Cosmos 1 heißt die Mission, die für längere Zeit die Erde umkreisen soll. Die Konstruktion sieht aus wie eine Windmühle im Weltraum, mit acht Blättern, jedes fünfzehn Meter lang, aber nur ein Viertel so dick wie ein Müllbeutel. Louis Friedman, der Projekt-Direktor von Cosmos 1.

Friedman: "Unser Ziel ist ganz einfach: Alles, was wir wollen, ist den ersten Flug eines Sonnensegels erfolgreich durchzuführen. Dazu müssen wir so hoch kommen, dass keine Luftmoleküle die Bahn des Segels stören. Alle anderen Ziele sind zweitranging: wie weit wir kommen, wie lange der Flug dauern wird, die Daten, die wir bekommen. "

Im luftleeren Vakuum des Weltraums werden Sonnensegel natürlich nicht von Wind angetrieben, sondern von den Lichtteilchen der Sonne, den Photonen. Diese masselosen Elementarteilchen üben einen Druck auf die nur fünf Mikrometer dicken Folien aus und treiben das Segel so an. Ohne zusätzlichen Energieaufwand ließen sich so eines Tages Lasten über weite Strecken durch den Weltraum transportieren. Ann Druyan von der Planetary Society.

Druyan: "Die Nutzlast wird dabei in der Spitze einer russischen Interkontinentalrakete vom Typ Volna untergebracht sein, die wiederum von einem U-Boot in der Barentssee starten soll. Entfaltet wird das Segel mehr als zwanzig Meter Durchmesser haben und damit mehr als doppelt so groß sein wie alle bisherigen. "

Im Laufe eines jeden Tages wird Cosmos 1 mehrmals die Erde umrunden und über verschiedene Längen- und Breitengrade hinweg fliegen. Segelt es des Nachts über Europa, wird es am Himmel aufgrund seiner Reflektionen auffälliger sein als die wesentlich größere Internationale Raumstation. Bruce Betts, Projektdirektor der Planetary Society.

Betts: "Für einen Beobachter, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, wird das Sonnensegel so hell erscheinen wie der Vollmond, allerdings auf einen kleineren Punkt konzentriert. Zu anderen Zeiten, wenn die Segel von der Erde wegzeigen, wird es nur wenig Sonnenlicht in Richtung Erde reflektieren und daher kaum zu sehen sein. Meistens wird die Sichtbarkeit irgendwo dazwischen liegen, und es wird uns erscheinen wie ein heller Stern."