"Durch höhere Löhne Binnennachfrage stärken"
Das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Peter Bofinger, hat sich für höhere Lohnzuwächse in Deutschland ausgesprochen. Da die schwache Binnennachfrage das größte Hemmnis für einen wirtschaftlichen Aufschwung sei, müsse die Massenkaufkraft gestärkt werden.
Kolkmann: Nach den neuesten Prognosen scheinen sich die Hoffnungen auf ein Wirtschaftswachstum, das auch mehr Arbeitsplätze bringt, nicht zu verwirklichen, ganz im Gegenteil. Gestern präsentierte das Münchener IFO-Institut seinen dritten Geschäftsklimaindex nacheinander mit negativen Vorzeichen. Heute werden die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihr Frühjahrsgutachten vorlegen und Ende der Woche wird dann die Bundesregierung ihre Schlüsse daraus ziehen. Wir sind jetzt mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger verbunden, schönen guten Morgen in der Ortszeit von DeutschlandRadio Kultur.
Bofinger: Guten Morgen, Frau Kolkmann.
Kolkmann: Ist die Stimmung quer durch die Wirtschaft gedrückt?
Bofinger: Ja, ganz eindeutig, das zeigen auch die ganzen Stimmungsindikatoren. Es gibt auch eine ganze Reihe von Gründen dafür, dass die Stimmung nicht besonders gut ist, das ist, was das Außenwirtschaftliche angeht der Wechselkurs, der sehr hoch ist und der Ölpreis, der weiterhin sehr stark gestiegen ist und binnenwirtschaftlich weiterhin das große Problem der Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosenzahl von fünf Millionen drückt einfach auf die Stimmung der Arbeitnehmer und Verbraucher. Es ist insgesamt nicht verwunderlich, dass jetzt die Prognosen nach unten revidiert werden.
Kolkmann: Die Bundesregierung hat ja einiges getan zur Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt, warum hilft das nicht weiter, warum geht es nicht richtig aufwärts mit der Konjunktur?
Bofinger: Naja, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes klingt natürlich gut, aber für den einzelnen privaten Haushalt ist das ja eher ein Problem, denn wenn ich heute weiß, dass wenn ich arbeitslos werde, ich nach einem Jahr beim Arbeitslosengeld II lande, dann ist das natürlich auch ein Problem für den einzelnen Haushalt und das führt natürlich dazu, dass man versucht, Eigenverantwortung zu üben; das ist ja das, was gefordert wird, aber Eigenverantwortung heißt natürlich für den Einzelnen, dass er weniger ausgibt und mehr spart und das nachteilig für die Konjunktur.
Kolkmann: Entwickelt sich da eine Abwärtsspirale, mangelnde Kaufkraft reduziert den Konsum und das dämmt weiter die Konjunktur?
Bofinger: Abwärtsspirale ist vielleicht etwas zu weitgehend, aber das Problem ist, dass wir es einfach nicht schaffen, die Binnennachfrage wieder zum Anspringen zu bringen. Das ist jetzt seit Jahren das gleiche Problem. Im Herbst erwarten die Prognostiker, dass die Binnennachfrage, der private Verbrauch anzieht und im Jahresverlauf stellt man dann fest, da tut sich nichts und bei stagnierender Binnennachfrage hat ein Land wie Deutschland, das relativ groß ist, wo also der Binnenmarkt sehr viel wichtiger ist als der Exportmarkt, das Problem, dass die Konjunktur nicht in Fahrt kommt.
Kolkmann: Haben Sie ein Rezept dagegen?
Bofinger: Ich meine, die Entwicklung, die wir jetzt beobachten, zeigt eben, dass man in Deutschland nie einen sich selbst tragenden Aufschwung kriegt, wenn die Löhne nicht steigen. Wir haben im letzten Jahr stagnierende Löhne gehabt, das wird in diesem Jahr auch so sein und wenn die Massenkaufkraft nicht zunimmt, dann ist es relativ einfach, dann steigt auch der private Verbrauch nicht und dann fehlt es eben an diesen selbsttragenden Wachstumskräften.
Kolkmann: Nun sind ja gerade auch die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in den Ländern gescheitert. Mehr Geld in die Kassen der Verbraucher zu bekommen, ist ja häufig nicht finanzierbar.
Bofinger: Naja, das ist ja immer so eine Sache, das sind ja Prozesse, die sich wechselseitig nach oben oder unten ziehen können, wenn wir es schaffen könnten, in Deutschland wieder höhere Löhne zu haben, dann würde das auch bedeuten, dass die Steuereinnahmen wieder steigen würden, dass die Beiträge zum sozialen Sicherungssystem steigen würden, dass insgesamt die Wirtschaft wachsen würde und das würde auch wieder mehr Geld in die Staatskassen reinspülen, so dass der Staat das dann schon finanzieren könnte. Die Dynamik muss man in Gang kriegen, man muss das System zum Anspringen kriegen und wenn das nicht gelingt, hilft das ganze Sparen nichts.
Kolkmann: Nun tun die Unternehmen aber alles, um die Löhne zu drücken. Könnten Sie sich eine Erhöhung der Löhne durchaus leisten bei den Unternehmensgewinnen, die da sind?
Bofinger: Die Unternehmensgewinne in den letzten Jahren waren exzellent, in der Breite ist die deutsche Wirtschaft auch international sehr wettbewerbsfähig, erzielt enorme Außenhandelsüberschüsse, vor allem gegenüber den anderen Ländern in Europa. Ich meine, für den Großteil der Wirtschaft wäre es durchaus möglich, Lohnerhöhungen zu zahlen, die den Produktivitätsanstieg widerspiegeln und einen Ausgleich für die Inflationsrate, das heißt also Lohnerhöhungen von knapp drei Prozent wären für die Unternehmen machbar ohne dass sich ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert und gleichzeitig würde das dann die Binnennachfrage stimulieren.
Kolkmann: Wäre es auch für die Unternehmen außerdem möglich, mehr zu investieren?
Bofinger: Das Investieren kommt ja eigentlich nur dann, wenn auch die Auftragsbücher voller werden und wenn man eben in so einer stagnativen Phase ist im Inland und die Unternehmen feststellen, dass die Auftragseingänge sich doch sehr verhalten entwickeln, warum sollen sie dann investieren. Deswegen meine ich ja, man muss den Laden wieder anschmeißen und wenn die Unternehmen merken, dass die Auftragsbücher wieder voller werden, dann werden sie auch mehr investieren.
Kolkmann: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt - wie ist denn Ihre Prognose für dieses und das nächste Jahr, was die Konjunktur angeht?
Bofinger: Ich halte mich an die Prognose, die wir im Sachverständigenrat gemeinsam machen und wir haben im Februar unsere Prognose auf knapp ein Prozent revidiert für dieses Jahr und das deckt sich ja im Großen und Ganzen, wenn man die Prognoseunsicherheiten nimmt, mit dem, was jetzt wohl auch die Institute vorlegen werden. Für das nächste Jahr haben wir noch keine Prognose gemacht, da kann ich noch nichts dazu sagen.
Kolkmann: Was halten Sie von Franz Münteferings Kapitalismuskritik in diesem Zusammenhang?
Bofinger: Es gibt sicher eine ganze Reihe von Auswüchsen, die zu kritisieren sind, ich sehe besonders problematisch, dass von vielen Unternehmen der Anschein erweckt wird, dass die Arbeit, die in Deutschland von den Arbeitnehmern geleistet wird, letztlich überall in der Welt zu haben ist zum Zehntel oder Zwanzigstel des Preises und das ist eben ganz wesentlicher Bestandteil dieser Verunsicherung, weil eigentlich jeder Arbeitnehmer das Gefühl hat, sein Arbeitsplatz ist bedroht, obwohl das in der Breite der Wirtschaft überhaupt nicht begründet ist. Deswegen finde ich diese Kritik also richtig.
Wichtig ist auch bei dieser Debatte, dass wir uns überhaupt mal fragen, in welche Richtung soll sich eigentlich die soziale Marktwirtschaft in Deutschland entwickeln? Wollen wir hin zu einem Modell angelsächsischer Prägung mit einem sehr schlanken Staat oder aber, das muss man sich überlegen, sind nicht vielleicht auch die skandinavischen Länder modellhaft, die ja ein relativ kräftigen aber auch klugen Staat haben mit Staatsquoten von über 50 Prozent, wo sehr viel investiert wird in die Bildung. Wäre das nicht auch ein Modell? Ich finde, diese Diskussion muss man führen und die ist in der Vergangenheit doch sehr vernachlässigt worden.
Bofinger: Guten Morgen, Frau Kolkmann.
Kolkmann: Ist die Stimmung quer durch die Wirtschaft gedrückt?
Bofinger: Ja, ganz eindeutig, das zeigen auch die ganzen Stimmungsindikatoren. Es gibt auch eine ganze Reihe von Gründen dafür, dass die Stimmung nicht besonders gut ist, das ist, was das Außenwirtschaftliche angeht der Wechselkurs, der sehr hoch ist und der Ölpreis, der weiterhin sehr stark gestiegen ist und binnenwirtschaftlich weiterhin das große Problem der Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosenzahl von fünf Millionen drückt einfach auf die Stimmung der Arbeitnehmer und Verbraucher. Es ist insgesamt nicht verwunderlich, dass jetzt die Prognosen nach unten revidiert werden.
Kolkmann: Die Bundesregierung hat ja einiges getan zur Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt, warum hilft das nicht weiter, warum geht es nicht richtig aufwärts mit der Konjunktur?
Bofinger: Naja, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes klingt natürlich gut, aber für den einzelnen privaten Haushalt ist das ja eher ein Problem, denn wenn ich heute weiß, dass wenn ich arbeitslos werde, ich nach einem Jahr beim Arbeitslosengeld II lande, dann ist das natürlich auch ein Problem für den einzelnen Haushalt und das führt natürlich dazu, dass man versucht, Eigenverantwortung zu üben; das ist ja das, was gefordert wird, aber Eigenverantwortung heißt natürlich für den Einzelnen, dass er weniger ausgibt und mehr spart und das nachteilig für die Konjunktur.
Kolkmann: Entwickelt sich da eine Abwärtsspirale, mangelnde Kaufkraft reduziert den Konsum und das dämmt weiter die Konjunktur?
Bofinger: Abwärtsspirale ist vielleicht etwas zu weitgehend, aber das Problem ist, dass wir es einfach nicht schaffen, die Binnennachfrage wieder zum Anspringen zu bringen. Das ist jetzt seit Jahren das gleiche Problem. Im Herbst erwarten die Prognostiker, dass die Binnennachfrage, der private Verbrauch anzieht und im Jahresverlauf stellt man dann fest, da tut sich nichts und bei stagnierender Binnennachfrage hat ein Land wie Deutschland, das relativ groß ist, wo also der Binnenmarkt sehr viel wichtiger ist als der Exportmarkt, das Problem, dass die Konjunktur nicht in Fahrt kommt.
Kolkmann: Haben Sie ein Rezept dagegen?
Bofinger: Ich meine, die Entwicklung, die wir jetzt beobachten, zeigt eben, dass man in Deutschland nie einen sich selbst tragenden Aufschwung kriegt, wenn die Löhne nicht steigen. Wir haben im letzten Jahr stagnierende Löhne gehabt, das wird in diesem Jahr auch so sein und wenn die Massenkaufkraft nicht zunimmt, dann ist es relativ einfach, dann steigt auch der private Verbrauch nicht und dann fehlt es eben an diesen selbsttragenden Wachstumskräften.
Kolkmann: Nun sind ja gerade auch die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in den Ländern gescheitert. Mehr Geld in die Kassen der Verbraucher zu bekommen, ist ja häufig nicht finanzierbar.
Bofinger: Naja, das ist ja immer so eine Sache, das sind ja Prozesse, die sich wechselseitig nach oben oder unten ziehen können, wenn wir es schaffen könnten, in Deutschland wieder höhere Löhne zu haben, dann würde das auch bedeuten, dass die Steuereinnahmen wieder steigen würden, dass die Beiträge zum sozialen Sicherungssystem steigen würden, dass insgesamt die Wirtschaft wachsen würde und das würde auch wieder mehr Geld in die Staatskassen reinspülen, so dass der Staat das dann schon finanzieren könnte. Die Dynamik muss man in Gang kriegen, man muss das System zum Anspringen kriegen und wenn das nicht gelingt, hilft das ganze Sparen nichts.
Kolkmann: Nun tun die Unternehmen aber alles, um die Löhne zu drücken. Könnten Sie sich eine Erhöhung der Löhne durchaus leisten bei den Unternehmensgewinnen, die da sind?
Bofinger: Die Unternehmensgewinne in den letzten Jahren waren exzellent, in der Breite ist die deutsche Wirtschaft auch international sehr wettbewerbsfähig, erzielt enorme Außenhandelsüberschüsse, vor allem gegenüber den anderen Ländern in Europa. Ich meine, für den Großteil der Wirtschaft wäre es durchaus möglich, Lohnerhöhungen zu zahlen, die den Produktivitätsanstieg widerspiegeln und einen Ausgleich für die Inflationsrate, das heißt also Lohnerhöhungen von knapp drei Prozent wären für die Unternehmen machbar ohne dass sich ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert und gleichzeitig würde das dann die Binnennachfrage stimulieren.
Kolkmann: Wäre es auch für die Unternehmen außerdem möglich, mehr zu investieren?
Bofinger: Das Investieren kommt ja eigentlich nur dann, wenn auch die Auftragsbücher voller werden und wenn man eben in so einer stagnativen Phase ist im Inland und die Unternehmen feststellen, dass die Auftragseingänge sich doch sehr verhalten entwickeln, warum sollen sie dann investieren. Deswegen meine ich ja, man muss den Laden wieder anschmeißen und wenn die Unternehmen merken, dass die Auftragsbücher wieder voller werden, dann werden sie auch mehr investieren.
Kolkmann: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt - wie ist denn Ihre Prognose für dieses und das nächste Jahr, was die Konjunktur angeht?
Bofinger: Ich halte mich an die Prognose, die wir im Sachverständigenrat gemeinsam machen und wir haben im Februar unsere Prognose auf knapp ein Prozent revidiert für dieses Jahr und das deckt sich ja im Großen und Ganzen, wenn man die Prognoseunsicherheiten nimmt, mit dem, was jetzt wohl auch die Institute vorlegen werden. Für das nächste Jahr haben wir noch keine Prognose gemacht, da kann ich noch nichts dazu sagen.
Kolkmann: Was halten Sie von Franz Münteferings Kapitalismuskritik in diesem Zusammenhang?
Bofinger: Es gibt sicher eine ganze Reihe von Auswüchsen, die zu kritisieren sind, ich sehe besonders problematisch, dass von vielen Unternehmen der Anschein erweckt wird, dass die Arbeit, die in Deutschland von den Arbeitnehmern geleistet wird, letztlich überall in der Welt zu haben ist zum Zehntel oder Zwanzigstel des Preises und das ist eben ganz wesentlicher Bestandteil dieser Verunsicherung, weil eigentlich jeder Arbeitnehmer das Gefühl hat, sein Arbeitsplatz ist bedroht, obwohl das in der Breite der Wirtschaft überhaupt nicht begründet ist. Deswegen finde ich diese Kritik also richtig.
Wichtig ist auch bei dieser Debatte, dass wir uns überhaupt mal fragen, in welche Richtung soll sich eigentlich die soziale Marktwirtschaft in Deutschland entwickeln? Wollen wir hin zu einem Modell angelsächsischer Prägung mit einem sehr schlanken Staat oder aber, das muss man sich überlegen, sind nicht vielleicht auch die skandinavischen Länder modellhaft, die ja ein relativ kräftigen aber auch klugen Staat haben mit Staatsquoten von über 50 Prozent, wo sehr viel investiert wird in die Bildung. Wäre das nicht auch ein Modell? Ich finde, diese Diskussion muss man führen und die ist in der Vergangenheit doch sehr vernachlässigt worden.