Durch alle Register

Gast: Christine Schornsheim · 07.12.2008
Wenn Joseph Haydn nächstes Jahr zur 200. Wiederkehr seines Todestages mehr als üblich in den Focus der Klassikwelt rücken wird, dürfte das lange waltende Vorurteil, seine Kompositionen zu harmlosen Nettigkeiten zu erklären, weiter in die Defensive geraten. Bei kaum einem anderen Komponisten haben die Erkenntnisse und Entwicklungen der historischen Aufführungspraxis zu einer gründlicheren Umwertung seines Bildes geführt.
Das gilt auch für Haydns Klavierwerke, und ein Meilenstein auf diesem Weg war die Kompletteinspielung seines Tasten-Oeuvres durch Christine Schornsheim vor einem halben Jahrzehnt. Nun lässt sie in den "Interpretationen" als Gesprächspartnerin von Gerald Felber nachvollziehen, welche Herausforderungen (und damit auch Abenteuer) der Klavierkosmos des ältesten der Wiener Klassiker bereithält. Das beginnt mit der Instrumentenwahl (sie selbst wechselte bei ihrer Gesamtaufnahme zwischen je zwei Cembali und Hammerflügeln sowie einem Clavichord), schließt die intensive Auseinandersetzung mit Verzierungsvorgaben und rhetorischen Techniken ein – und gibt den Interpreten am Ende dennoch genug Freiräume, um zu ganz verschiedenen Resultaten zu gelangen.

Das gilt übrigens auch für die Wiedergabe auf modernen Instrumenten, deren mögliche Qualitäten Christine Schornsheim keineswegs dogmatisch verwirft. Um so bunter das Klangbild der Sendung, bei der Haydn unter anderem unter den Fingern von Malcolm Bilson, Alfred Brendel, Glenn Gould, Vladimir Horowitz und Andras Schiff zu hören ist; im Mittelpunkt stehen dabei je eine Moll- und Dur-Sonate der Jahre nach 1770 sowie die f-moll-Variationen, die Haydn zwischen seinen beiden London-Reisen schrieb.