Düstere Familienbande

Von Bernd Sobolla |
In ihrem Film "Die Lebenden" erzählt die österreichische Regisseurin Barbara Albert die Geschichte der Studentin Sita, die eines Tages ein Foto ihres Großvaters in SS-Uniform findet. Je mehr sie über die Vergangenheit ihrer Familie erfährt, desto tiefer gerät sie in deren Abgründe.
Die 25-jährige Sita, gespielt von Anna Fischer, lebt in Berlin, eine agile und vielseitig interessierte Frau, die ein Leben zwischen Studium und Jobs führt. Als ihr geliebter Großvater in Wien 95 Jahre alt wird, fährt sie zur Feier in die Donaustadt, wo auch ihr Vater, alias August Zirner, mit seiner zweiten Frau lebt. Bei ihm findet Sita zufällig ein altes Foto, das ihren Großvater in SS-Uniform zeigt. Sie beginnt, Fragen über die Vergangenheit zu stellen: War ihr Großvater Teil eines Mordkommandos? Sita wird klar, dass nicht nur ihr Großvater, sondern auch ihr Vater Belastendes verschweigt.

"Die Wahrheit? Was ist das schon - die Wahrheit!? Alle wollen immer die Wahrheit wissen. Als ob das schon die Lösung wäre."

Auf ihre Fragen erhält Sita nur Ausflüchte. Aber damit gibt sie sich nicht zufrieden.

"Ich habe das Recht, das alles …"
"Hast du nicht."
"Aber ..."
"Hör auf!"
"Papa, bitte!"
"Halt den Mund!"

Ein Dokument in einem Wiener Archiv führt sie nach Polen, ein altes Erinnerungsfoto des Großvaters nach Warschau. Und allmählich bringen sie ihre Recherchen immer weiter hinab in die Abgründe ihrer Familie.

"Aaaahhh!"

Ihr Onkel Paul, ein Schriftsteller, hilft Sita dann, das Familienbild entscheidend zu erweitern.

"Es rauscht der Fluss, er singt mir meiner Kindheit Lied, das wehmutsvoll durchs Herz mir zieht. Wie klingt es schön. Weiß du noch, wie wir zum Fluss hinunter liefen?"

Einst befragte er seinen Vater für einen Roman über dessen Vergangenheit. So erfährt Sita auch von Videos, auf denen ihr Opa über seine Zeit als SS-Wachmann berichtet. Und auf ihrer Reise in die Vergangenheit kommt Sita sogar nach Siebenbürgen in Rumänien, wo ihre Familie ursprünglich herstammt.

"Die Lebenden" ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, aber zugleich auch ein Roadmovie. Ein Werk über Heimat, Wurzeln und Selbstfindung und über die Schwierigkeiten, nach einer Zeit des Schweigens und Verdrängens einen familiären Neuanfang zu finden.

"Ich weiß das auch nicht so genau. Man hat da nicht drüber gesprochen."