Düsseldorf

"Maghreb-Kiez" kooperiert mit der Polizei

Polizei steht vor einem Café im Nordafrikaner-Viertel von Düsseldorf während einer Razzia.
Polizei steht vor einem Café im Nordafrikaner-Viertel von Düsseldorf während einer Razzia. © dpa / picture alliance / Maja Hitij
Von Vivien Leue · 02.02.2016
Der Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk ist zuletzt als "Maghreb-Viertel" oder "Klein-Marokko" in die Schlagzeilen geraten. Von dort aus sollen Zuwanderer auf Diebestour gegangen sein oder Drogen verkaufen haben. Einwohner und Geschäftsleute helfen nun der Polizei.
Keine zehn Minuten vom Polizeipräsidium entfernt liegt das Maghreb-Viertel, oder Klein-Marokko, wie der Düsseldorfer auch sagt. Ich treffe mich mit Anwalt Thomas Stephan auf der Ellerstraße, Ecke Linienstraße – mitten im Kiez. An der Kreuzung ein Internet-Café, daneben der Orient-Markt und ein Gemüsehändler, gegenüber die Bahnhofs-Apotheke. Thomas Stephan ist hier aufgewachsen und er ist geblieben. Denn er liebt seinen Bezirk hinter dem Hauptbahnhof.
"Wir haben hier Rotlichtviertel, wir haben hier alles Mögliche, aber das hat hier eigentlich seit Jahrzehnten funktioniert, obwohl hier immer so ein bisschen Kleinkriminalität war, obwohl Oberbilk als traditionelles Arbeiterviertel immer so ein bisschen anrüchig war, aber Oberbilk war nie verrufen."
Das hat sich in den letzten Monaten geändert. Mittlerweile, so erzählt Thomas Stephan während er mich durchs Viertel führt, wird Oberbilk sofort mit kriminellen Nordafrikanern in Verbindung gebracht. Dabei kommen sie gar nicht von hier, sondern häufig aus den Ruhrgebietsstädten, wo sie laut Polizei zum Teil auch schon straffällig geworden sind.
"Ich bezeichne sie eigentlich als Heuschrecken. Sie ziehen dann in die nächste Stadt, das war leider Düsseldorf, und arbeiten hier bis sie auch hier auffällig werden. Unter arbeiten verstehe ich dealen, hehlen, stehlen und rauben."
Autor: "Wann ist Ihnen denn das zum ersten Mal aufgefallen?"
"Ich wohne hier, arbeite hier, relativ früh, so Mitte letzten Jahres, wo wir dann sagten, man muss mal langsam was unternehmen."
Oberbilker haben Eigeninitiative ergriffen
Und das taten die Oberbilker: Einwohner und Geschäftsleute, Deutsche, Marokkaner, Palästinenser, Griechen – sie alle setzten sich zusammen und beratschlagten, wie sie die ungewollten Gäste im Maghreb-Viertel wieder loswerden könnten.
"Die Leute haben erkannt, dass seitens der Politik nicht mit Hilfe zu rechnen ist. Also haben sie die Eigeninitiative ergriffen und ich rede jetzt nicht davon, dass hier irgendwelche Bürgermilizen gegründet werden oder Patrouillen, sondern dass die Leute ganz einfach die Polizei auf die Probleme aufmerksam machen, die Polizei reagiert sofort, das finden wir einfach gut."
Lob für die Arbeit der Polizei – ja, das hört man hier in Oberbilk von fast jedem Bewohner. Dass jetzt alle Nordafrikaner, vor allem Marokkaner in einen Topf geschmissen werden – ärgert die Oberbilker, sagt Thomas Stephan. Vor allem weil die hier ansässigen marokkanischen Geschäftsleute seit Jahrzehnten einen guten Ruf genießen.
"Es ist einfach traurig, dass wegen dieser kriminellen Elemente die ganze nordafrikanische Community in Verruf gebracht wird."
Auf dem Weg durchs Viertel zeigt er mir die Hotspots der letzten Monate: Die Straßenecke, an der die Kriminellen jeden Morgen von Kleinbussen abgesetzt worden sind, das arabische Café, in dem sie sich besprochen haben und den Spielplatz, auf dem Drogen verkauft wurden. Gegenüber vom Spielplatz liegt das marokkanische Restaurant La Grilladine.
"Wollen wir einen Tee trinken gehen?" "Ja."
Restaurant-Besitzer Badr Haddad erinnert sich, wie sich das Straßenbild vor seinem Restaurant verändert hat:
"Auf einmal waren die zu viel, da hatte man gar keinen Überblick."
Und er fragt sich, was er hätte anders machen können:
"Vielleicht habe ich auch einen Fehler gemacht, weil ich sie unterstützt habe, zum Beispiel ich habe mit denen geredet, denen Essen gegeben, die haben sich hier wie zuhause gefühlt."
Lob für die Polizei
Häufig seien das Straßenkinder, deren Weg schon in Marokko oder Algerien vorgezeichnet sei. Was sie wirklich bräuchten, sei Hilfe – aber das schon in Nordafrika. Dann kämen sie gar nicht erst nach Europa. Jetzt, da sie hier sind und hier Straftaten begehen, lobt aber auch Haddad, dass die Polizei so zügig eingreift. Und er lobt den Zusammenhalt der Viertel-Bewohner:
"Wir müssen einfach zusammen halten"
"So ist es"
"Eine Hand kann nicht alleine klatschen."
"Ja, definitiv."
"Wenn wir das zusammen hingekriegt haben, wird das wieder toll. Zurzeit habe ich das Gefühl, ein Marokkaner zu sein, ist wirklich eine Schande. Wegen ein paar faulen Kartoffeln… das will ich nicht."
Das wollen auch die anderen Bewohner des Maghreb-Viertels nicht. Der lokale Friseur freut sich über die neue Ruhe vor seinem Geschäft. Und auch der lokale Apotheker konnte von seiner großen Schaufensterscheibe aus die kriminellen Machenschaften der letzten Monate beobachten – und tut es offenbar immer noch:
"Vorgestern habe ich zwei Gesichter gesehen… die sind … die schnuppern… mal sehen…"
Autor: "Das heißt, jetzt muss man dran bleiben?"
"Ja, muss man dran bleiben, also da darf man nicht locker lassen."
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