Dub aus Leipzig in alle Welt

Von Georg Gruber · 20.09.2006
Musik aus dem Internet - kostenlos und ganz legal: Die Szene der Internetlabels boomt. Das Spektrum reicht von minimalistischem Techno bis zu ausgefallenen Soundspielereien. Jan Gleichmar aus Leipzig hat sich mit seinem Label Jahtari auf Dub, eine spezielle Spielart des Reggae, spezialisiert.
Jan Gleichmar: "Ich bin Jan von Jahtari, ich veröffentliche da unter disrupt, das ist mein Künstlername und wir machen Dub im weitesten Sinne."

Jan Gleichmar ist Musiker - und der Gründer und Chef des kleinen virtuellen Plattenlabels Jahtari. Schlank ist er, mit wachen freundlichen Augen, kurzen Haaren - keinen Rastalocken. Dafür steht auf seinem T-Shirt in großen Buchstaben "Jamaika".

Die ersten Internetlabels entstanden Mitte der 90er Jahre, als Spielerei unter Computerfreaks und Multimedia-Künstlern. Inzwischen boomt die Szene, dank schneller und billiger Leitungen ins weltweite Netz: Mehr als 600 Internetlabel gibt es inzwischen, die ihre Musik zum Herunterladen anbieten. Dub und Reggae ist dabei die Ausnahme, das meiste stammt aus der elektronischen Ecke, von ausgefallenen Soundspielereien bis zu minimalistischem Techno. Eine erstaunliche Vielfalt - und noch dazu kostenlos.

Jan Gleichmar: "Die meisten Musiker machen ja nicht Musik, um Geld zu verdienen, sondern weil sie Lust darauf haben, weil es denen was gibt, Musik zu machen."

Im Frühjahr 2004 startete Jan Gleichmar sein Label, rund ein Dutzend Veröffentlichungen stehen inzwischen auf seiner Seite Jahtari.org.

"Mittlerweile ist es ein fast Rund-um-die-Uhr-Job, ich mache das meiste letztendlich noch alleine, ich schreibe die Texte, mache die Cover, mache viel Musik natürlich, aber es ist letztendlich das, was mir im Leben mit Abstand am meisten Spaß macht, natürlich schön, wenn man das teilen kann, wenn andere Leute das gut finden, das kann einen wirklich ausfüllen, in jeder Hinsicht."

Sein Geld zum Leben verdient der 30-Jährige als Kamera-Assistent. Die Wohnung in Leipzig ist billig, zwei Zimmer in einem Plattenbau, mitten in einem bunt-alternativen Innenstadtviertel. Im Wohnzimmer ist die Zentrale von Jahtari, an den Wänden hängen Plattencover, in einem Eck stehen Plattenspieler, ein kleines Keyboard, Computer.

Besonders stolz ist er auf eine Aufnahme mit dem britisch-jamaikanischen Dub-Veteranen Mikey Murka, die in Leipzig eingespielt wurde. Bo Marley heißt eine dänische Band, deren Musik inzwischen mehr als 10.000 Mal von seiner Seite herunter geladen wurde.

Musik ist schon lange seine Leidenschaft. Aufgewachsen ist Jan Gleichmar in Thüringen. 1976, als er geboren wurde, arbeiteten seine Eltern bei Narva, der Glühbirnenfabrik. Sein Vater war auch schon musikbegeistert, hatte lange Haare, hörte West-Schallplatten. Zu glauben, der Osten sei musikalisch abgeschnitten gewesen vom Rest der Welt, ist ein Trugschluss:

Jan Gleichmar: "Faktisch hab ich rund um die Uhr HR 3, Bayern 3, solche Sachen gehört, man ist mit genau denselben Sachen aufgewachsen, wie im Westen auch, der einzige Unterschied: Man konnte sich die Platten nicht kaufen."

Mit 18 geht er nach Jena, studiert Psychologie, Soziologie und Literaturwissenschaft, wechselt nach Leipzig, bricht irgendwann das Studium ab und macht eine Ausbildung zum Mediengestalter, wird Kamera-Assistent.

"Wenn ich zwei Mal im Monat arbeiten gehe, dann hab ich meine Miete und dann ist okay, bleibt halt viel Zeit für andere Sachen."

Andere Sachen: das ist für ihn vor allem sein Label und die Musik: Stücke produzieren, komponieren, auflegen. Ein Leben vor dem Bildschirm und doch viel mehr als das, auch draußen in den Clubs und auf Festivals.

Das Internet hat nicht nur die Vertriebswege revolutioniert, es schafft auch ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Jan Gleichmar: "Das ist mittlerweile wie so ein Netzwerk entstanden, wo ich dann auch San Francisco oder Paris neue Stücke schicke, mir eine Meinung von den einhole, wie man ein Cover besser machen kann, relativ demokratisches Ding ist es mittlerweile, wo vier fünf Leute ihre Meinung dazugeben und sagen: So könnte man es besser machen, so nicht, auf die Art läuft das im Moment."

Die Welt ist kleiner geworden - trotzdem ist er viel unterwegs, auch weil seine Freundin, die in Leipzig studierte, inzwischen in Dortmund lebt. Und auch diese Reisen nutzt er, um Kollegen zu treffen, die dasselbe machen wie er.

"Das ist einfach toll, wenn man jemand, dem man schon eine Weile schreibt und Musik hin und her schickt, wenn man den dann persönlich einfach mal trifft, wer steckt dahinter, wie leben die, das Netz eröffnet letztendlich einen Haufen neuer Möglichkeiten auch auf dem Level, das ist interessant."

Bisher gab es auf Jahtari nur freie Downloads, inzwischen gibt es auch eine erste Veröffentlichung auf CD zum Kaufen. Denn irgendwann möchte Jan Gleichmar mit dem Verschenken doch auch ein bisschen Geld verdienen, wobei es weiter freie Musik geben soll.

Und auch wenn die Musik, die im Netz angeboten wird, zum größten Teil am Computer entsteht, ist sie doch, wenn sie gut gemacht ist, alles andere als kalt und seelenlos:

"Man spielt es im Prinzip mit dem Kopf, oder mit dem Bauch auch, das ist die Kunst, dass es nicht klingt wie Mathematik, sondern dass es halt schon lebendig klingt und noch eine große menschliche Komponente, einfach Soul hat."
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