Drug-Checking

Erst testen, dann einwerfen

Grüne Ecstasy-Tabletten in Form eines Fischkopfes quellen aus einer kleinen Plastiktüte.
In Berlin und Thüringen kann man illegale Drogen vor dem Konsum bereits anonym und kostenlos analysieren lassen: Das Angebot gilt als Baustein einer liberaleren Drogenpolitik. © IMAGO / Belga / Jonas Roosens
24.10.2023
In Berlin und Thüringen gibt es das Angebot bereits, weitere Bundesländer könnten folgen: kostenfreie und anonyme Analysen von illegalen Drogen. Die Hoffnung: weniger Drogentote und ein verantwortungsvollerer Umgang mit verbotenen Pulvern und Pillen.
Musik und Rausch: In den Berliner Clubs und anderswo geht das oft zusammen. Doch der Konsum illegaler Drogen kann furchtbare Folgen haben: Im Sommer 2023 wurde der Tod eines 13-jährigen Mädchens bekannt, die in Mecklenburg-Vorpommern vermutlich an einer hoch dosierten Ecstasy-Pille namens „Blue Punisher“ starb.
Inzwischen gibt es Initiativen, die helfen wollen, solche tragischen Unglücke zu vermeiden. Durch das Analysieren illegaler Rauschmittel, Drug-Checking genannt, sollen Konsumentinnen und Konsumenten erfahren, welche Wirkstoffe in welcher genauen Konzentration in Pillen und Pulvern stecken - das kann Leben retten.

Was genau ist Drug-Checking?

Beim Drug-Checking geht es darum, den Inhalt von auf dem Schwarzmarkt gehandelten illegalen Drogen chemisch zu analysieren, um mögliche Gefahren und Schäden für Konsumierende zu minimieren. Auf diese Weise können etwa zu hohe Konzentrationen bestimmter Substanzen oder Verunreinigungen festgestellt und entsprechend davor gewarnt werden.
Dazu gibt der Konsumierende einen Teil der von ihm erworbenen Droge an einer entsprechenden Beratungsstelle ab — das Berliner Modell. Oder man lässt die Rauschmittel direkt auf einem Festival oder vor einem Club analysieren – das Thüringer Modell. In beiden Bundesländern erfolgt die Untersuchung kostenfrei, die Abgabe der Substanz als auch die Abfrage des Ergebnisses ist anonym.
Zum Drug-Checking gehört auch ein Beratungsgespräch bei Abgabe der Droge. In diesem wird über gesundheitliche Risiken aufgeklärt, das Konsumverhalten besprochen und Hilfe angeboten.
Außerdem warnen die Beratungsstellen mit Fotos vor Drogen, die nach einer Laboranalyse als potenziell gefährlich eingestuft wurden. Durch Drug-Checking bekommen die Behörden zudem einen besseren Überblick über die aktuell auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Drogen und ihre Zusammensetzungen.
Damit Konsumierende ihre illegalen Pillen und Pulver ohne Angst vor Kontrollen durch die Polizei abgeben können, haben die Träger der Beratungsstellen Vereinbarungen mit dem jeweiligen Bundesland und den zuständigen Ermittlungsbehörden geschlossen. Sie garantieren, dass im Umfeld der Abgabepunkte keine Drogenkontrollen stattfinden. Damit Drug-Checking funktionieren kann, muss klar sein, dass der Gang zur Analyse keine Nachteile hat.

Wie läuft das Modellprojekt in Berlin bisher?

In Berlin können Konsumierende illegale Drogen bei drei Beratungsstellen analysieren lassen. Nach einer Testphase im April und Mai 2023 ging das Projekt am 6. Juni offiziell in den Routinebetrieb über.
Die Beratungsstellen in Kreuzberg, Neukölln und Charlottenburg haben jeweils einmal in der Woche geöffnet. Dann können Konsumierende ihre jeweilige Droge bei einem Beratungsgespräch anonym abgeben. Dabei wird auch ein Foto der Pille oder des Pulvers gemacht, um – falls nötig – davor auf der Webseite warnen zu können.
So wurde in Berlin bereits im April 2023 vor „Blue Punisher“-Pillen gewarnt. Einige dieser Ecstasy-Tabletten landeten in einer der Beratungsstellen. Sie werden für den Tod von mehreren jungen Menschen verantwortlich gemacht, darunter ein 13-jähriges Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern.
Allerdings variieren solche Pillen oft stark in ihrem MDMA-Gehalt, der synthetischen Substanz, die gemeinhin als Ecstasy bezeichnet wird. Bei den eingereichten "Blue Punishern" reichte die Bandbreite von etwa 50 Milligramm MDMA bis hin zu mehr als 200 Milligramm. Ab 120 Milligramm gilt eine Ecstasy-Tablette als hoch dosiert und bekommt einen Warnhinweis.
Auch die Zusammensetzung der Pillen kann sich unterscheiden, das heißt, es können auch andere zusätzliche Substanzen in den Tabletten enthalten sein. Um herauszubekommen, was in den einzelnen Drogen steckt, erfolgt die Analyse in einem neutralen Labor über das Berliner Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin. Nach einigen Tagen liegt das Ergebnis vor, das entweder persönlich vor Ort oder am Telefon abgefragt werden kann.
Nicht untersucht werden pflanzliche Drogen wie Marihuana und Haschisch sowie Medikamente, Anabolika und Potenzmittel. Das Drug-Checking-Angebot in Berlin wird bereits so gut angenommen, dass die Beratungsstellen den Andrang nicht mehr bewältigen können. Im Juni wurden insgesamt 156 Proben abgegeben, zu 45 wurden Warnungen veröffentlicht.

In welchen anderen Bundesländern ist Drug-Checking geplant?

In Thüringen existiert ebenfalls bereits ein Drug-Checking-Modellprojekt. Dort können Konsumierende ihre Drogen direkt auf einem Festival oder vor einem Club kostenfrei und anonym testen lassen. In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Hamburg, Bremen und in der Stadt Rostock in Mecklenburg-Vorpommern gibt es Interesse und inzwischen erste Initiativen für ähnliche Projekte. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen haben sich gegen entsprechende Angebote entschieden.

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Möglich werden die Drug-Checking-Initiativen durch ein neues Gesetz, das der Bundestag am 23. Juni 2023 verabschiedet hat. Der Bundesrat stimmte Anfang Juli zu. Die Länder bekommen dadurch die Möglichkeit, Druck-Checking-Projekte umzusetzen, „wenn mit der Analyse eine Risikobewertung und gesundheitliche Aufklärung verbunden ist“. Dies werde die Zahl der Drogentoten reduzieren, ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) überzeugt.

Steigt durch Drug-Checking der Drogenkonsum?

Kritiker befürchten, dass durch Drug-Checking der Konsum illegaler Drogen steigt. Ein Blick in Länder, in denen es solche Angebote gibt, bestätigt dies aber nicht. Der Konsum geht dort sogar eher zurück.
Offenbar fördert das Wissen um die inhaltliche Zusammensetzung von Drogen einen verantwortungsvolleren Umgang mit ihnen. Konsumierende fragen sich eher, ob sie das Risiko wirklich in Kauf nehmen wollen, betonen Suchtexperten und die Mitarbeiter der beiden deutschen Modellprojekte.
„Das ist eine wichtige Maßnahme auf dem Weg eines neuen Umgangs mit Drogen in Deutschland“, meint Burkhard Blienert, Bundesbeauftragter für Sucht- und Drogenfragen. Der SPD-Politiker verspricht sich von Drug-Checking eine Entstigmatisierung und einen neuen Umgang mit Drogen in Deutschland: weg von Bestrafung und Sanktionen, hin zu mehr Unterstützung und Hilfe.

In welchen anderen Ländern gibt es Drug-Checking?

Drug-Checking gibt es auch in Österreich, Frankreich, den Niederlanden und in der Schweiz. In all diesen Ländern gleichen sich die Erfahrungen: Schaden und Risiken werden vermindert, ein verantwortungsvollerer Umgang mit Drogen wird gefördert. Nirgendwo hat das Angebot, illegale Drogen vor dem Gebrauch analysieren zu lassen, zu einem Anstieg oder unvernünftigerem Konsum geführt.

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