Drohnenkrieg in Afghanistan

"Einsatz erscheint nicht gerechtfertigt"

Eine US-Drohne vom Typ MQ-1 Predator beim Landeanflug
Bewaffnete US-Drohnen werden unter anderen in Afghanistan und in Pakistan eingesetzt. © picture alliance / dpa / Foto: Tsgt Effrain Lopez
Emran Feroz im Gespräch mit Ute Welty  · 04.10.2017
Mehr Aufmerksamkeit für die zivilen Opfer des Drohnenkrieges möchte der Journalist und Blogger Emran Feroz mit seinem Buch "Tod per Knopfdruck" erzielen. Er hat viele Betroffene in Afghanistan interviewt und kritisiert den Einsatz dieser ferngesteuerten Waffen.
Seine Eltern kommen aus Afghanistan und flohen vor den sowjetischen Truppen nach Deutschland. Er selbst hat in Tübingen Politologie und Islamwissenschaften studiert und arbeitet heute als Journalist und Blogger. Emran Feroz berichtet häufig aus und über Afghanistan, speziell über die Folgen des US-amerikanischen Drohnenkrieges, die in der öffentlichen Wahrnehmung keine große Rolle spielen, obwohl diese Angriffe dramatisch viele zivile Opfer fordern. Feroz hat für diese Opfer eine virtuelle Gedenkstätte initiiert und gerade das Buch mit dem Titel "Tod per Knopfdruck" veröffentlicht.

Terror und Schrecken

"Nach all meiner Recherche bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es überhaupt keinen Fall gibt, in dem so ein Einsatz gerechtfertigt erscheint", sagte Feroz im Deutschlandfunk Kultur.

Auch wenn demokratische Regierungen diese ferngesteuerten Waffen einsetzten, verbreiteten sie nicht weniger Terror und Schrecken. Von Luftbasen in den USA würden die Einsätze beispielsweise in Afghanistan gesteuert, ohne dass die Einsatzteams abklärten, wie die Lage vor Ort tatsächlich aussehe. Deshalb bleibe häufig unklar, ob Terroristen oder unbeteiligte Zivilisten getötet würden. Dies werde auch häufig von der US-Armee verschleiert. Feroz sprach für die Recherchen in seinem Buch mit zahlreichen Opfern solcher Einsätze, aber auch mit Whistleblowern der US-Armee, die früher selbst an der Entwicklung der Drohnen beteiligt waren.(gem)

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Es ist nur eine kleine Meldung, die uns jüngst aus Syrien erreichte, eine Drohne soll im Osten des Landes mindestens zehn schiitische Hisbollahmilizen getötet haben, libanesische Kämpfer an der Seite von Machthaber Assad, die vom Iran unterstützt werden. Drohnen werden aber nicht nur in Syrien eingesetzt, sondern auch in Pakistan und in Afghanistan. Dort hat der österreichische Journalist Emran Feroz recherchiert, dessen Familie vor dem sowjetischen Einmarsch aus Afghanistan geflohen ist. Aus der Recherche ist nun ein Buch geworden – "Tod per Knopfdruck" heißt es. Guten Morgen, Herr Feroz!
Emran Feroz: Guten Morgen!
Welty Schon Ihr Vorwort erhebt einen schweren Vorwurf, nämlich dass die Opfer von Drohnen den Opfern islamistischer Terroranschläge gleichzusetzen sind. Da muss man erst mal schwer schlucken, denn Drohnen werden ja auch von demokratisch gewählten Regierungen eingesetzt.
Feroz: Natürlich. Sie werden zwar von demokratischen Regierungen eingesetzt, das bedeutet aber nicht, dass sie weniger Terror und Schrecken verbreiten können in den jeweiligen Ländern, in denen sie eingesetzt werden.
Welty: Ist denn der Einsatz von Drohnen in jedem Fall Ihrer Meinung nach Terrorismus, oder gibt es auch Fälle, wo auch Ihnen ein solcher Einsatz gerechtfertigt erscheint?
Feroz: Nein, nach all meiner Recherche bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es überhaupt keinen Fall gibt, in dem so ein Einsatz gerechtfertigt erscheint.
Welty: Warum ist das so?
Feroz: Das hat sehr viele verschiedene Gründe. Es hat zum Beispiel damit zu tun, wie schon so ein Drohneneinsatz stattfindet. Man kann sich das gut vorstellen, die Drohnen, die fliegen zum Beispiel irgendwo in Afghanistan, werden aber gesteuert aus Luftbasen in den USA von diesen Drohnenteams. Da gibt es eben dann Piloten und verschiedene Operatoren, die diese Fluggeräte verwenden und fernsteuern. Schon bei diesen Einsätzen, beziehungsweise bei der Art, wie diese Teams vorgehen, wird eigentlich deutlich, dass überhaupt nichts am Boden geklärt ist, das heißt vor Ort. Den Teams ist oftmals überhaupt nicht bewusst, was für Ziele sie da beobachten, ob es tatsächlich Terroristen sind oder unbewaffnete Zivilisten.
Hinzu kommt dann natürlich auch noch die Technologie der Drohne. Ich habe zum Beispiel eine ehemalige Ingenieurin der US-Luftwaffe interviewt, die hat einst für die Luftwaffe in Afghanistan gearbeitet, hat die Drohnen technologisch aufgerüstet und diese dann zum Einsatz gebracht. Mittlerweile ist diese Frau selber eine Whistleblowerin geworden und kritisiert den Einsatz der Drohnen stark, behauptet, dass die Technologie an sich sehr problematisch sei und dass ihrer Meinung nach allein schon deshalb keine solchen Einsätze stattfinden dürften.

Angriff auf eine Moschee in Syrien

Welty: Man weiß ja, dass Information nicht unbedingt zur Kernkompetenz der Militärs gehört, auch nicht gehören kann, wenn man denn effektiv operieren will, aber was hat Sie veranlasst zu sagen, das Militär weiß längst nicht so viel über die Ziele von Drohnenangriffen, wie man uns glauben machen will. Ist das eine bewusste Verschleierung, die da stattfindet?
Feroz: Warum ich zu diesem Schluss gekommen bin, hat unter anderem damit zu tun, dass ich selber sehr viele Angehörige von Drohnenopfern interviewt habe und unter anderem auch vor Ort, in diesem Fall in Afghanistan, in Regionen recherchiert habe, die von diesen Waffen heimgesucht werden. Zum anderen, ob das Militär das bewusst verschleiert – mittlerweile denke ich ja – Sie haben vorhin ein Beispiel aus Syrien genannt, wir kennen zum Beispiel auch ein anderes Beispiel aus Syrien. Vor einigen Monaten fand ein ähnlicher Angriff statt, das war ein Angriff auf eine Moschee in Syrien, da wurden ausschließlich Zivilisten getötet.
Mehrere Recherchen vor Ort von Journalisten, Aktivisten haben ausführlich deutlich gemacht, dass bei diesem Angriff Zivilisten getötet wurden und dass eine Moschee angegriffen wurde. Das US-Militär blieb aber bei seiner Version, dass ein Terrortreffpunkt angegriffen wurde und dass eben nur angebliche Al-Qaida-Kämpfer getötet wurden. Und auch nachdem die Beweislage wirklich sehr, sehr deutlich war, dass dies eben nicht geschehen ist, ist das US-Militär von dieser Version nicht abgewichen. Es gibt auch weitere Beispiele, die genau so stattgefunden haben, aus anderen Ländern, zum Beispiel Afghanistan, Pakistan et cetera.

US-Luftbasis in Ramstein

Welty Diese ganzen Erkenntnisse, die Sie jetzt gewonnen haben, die sorgen hierzulande ja nicht gerade für die ganz großen Schlagzeilen. Haben Sie den Eindruck, dass die Öffentlichkeit gar nicht so genau Bescheid wissen will über den Einsatz von Drohnen?
Feroz: Also ja und nein. Ich denke, viele Leute haben schon ein Interesse daran, viele Leute in Deutschland kritisieren eben vor allem die Rolle von Deutschland selber, das sich eben mit der US-Luftbasis in Ramstein an diesem Drohnenkrieg direkt mitbeteiligt. Ich denke allerdings, dass, wie Sie bereits sagen, es natürlich auch Teile der Gesellschaft gibt, die eher dazu neigen, nichts davon wissen zu wollen. Es ist nun mal so, und da muss man sich nur etwas genauer anschauen, wie dieser Drohnenkrieg begann und warum er so intensiviert wurde, vor allem unter der Ära von Barack Obama.
Und zwar ist es so, dass westliche Gesellschaften sich eher damit abfinden, wenn ihre eigenen Soldaten nicht vor Ort sind, beziehungsweise weniger Soldaten vor Ort stationiert sind. Wir kennen alle diese Bilder von toten Soldaten, die in Särgen zurückkehren. Das sind eben Bilder, die medial und gesellschaftlich schon Aufmerksamkeit erregen und viele Menschen hier sich dann Gedanken machen, in was für einen Krieg man da überhaupt verwickelt ist und warum man dort ist, ob das gerechtfertigt ist oder nicht. Bei den Drohnen fällt all das weg.
Es gibt ferngesteuerte Fluggeräte, da wird dann eben über Fernsteuerung das meiste gemacht. Die Verantwortlichen sitzen hauptsächlich hier, beziehungsweise weit weg vom Schlachtfeld, und dadurch ist dann auch insgesamt das ganze Interesse zurückgegangen beziehungsweise die ganze Aufmerksamkeit.
Welty: Der Journalist Emran Feroz hat über den Drohnenkrieg in Afghanistan recherchiert, und seine Erkenntnisse sind alles andere als beruhigend. Nichtsdestotrotz, danke ich für dieses Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Emran Feroz: "Tod per Knopfdruck, Das wahre Ausmaß des US-Drohnen-Terrors oder Wie Mord zum Alltag werden konnte"
Westend Verlag 2017,
18,00 Euro

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