Drohende Epochenwende
Die wirtschaftliche, finanzielle und intellektuelle Dominanz des Westens gehört schon bald der Vergangenheit an. Das zumindest behauptet Gabor Steingart in seinem Buch "Weltkrieg um Wohlstand". Darin beschreibt Steingart mit drastischen Worten den Niedergang der westlichen Industriestaaten und den Aufstieg Asiens. Als Ausweg aus der Misere empfiehlt er eine europäisch-amerikanische Freihandelszone.
In Asien ist die Macht im Rohzustand, Globalisierung hat kein Mitleid, und die industriellen Demokratien Westeuropas gehen harten Zeiten entgegen. Die Lücke zwischen Wohlstandsanspruch und Wohlstandsvermögen wird gegenwärtig noch durch immer neue Nettokreditaufnahme geschlossen und vor den Bürgern verdeckt und versteckt. Aber was wir erleben, ist nicht ein Win-Win-Game, wo keiner verliert, sondern ein Weltkrieg um Wohlstand.
Das ist jedenfalls die These, die Gabor Steingart in einem die Gemüter verstörenden Buch vertritt. Argumentiert wird in hohem Tempo, manche Ecken werden kavaliersmäßig genommen. Aber insgesamt gibt es keinen Zweifel, dass Steingart, Freund deutlicher und überdeutlicher Aussprache, den Nagel auf den Kopf trifft.
Eine Epochenwende findet statt. Die Macht, die 400 Jahre lang den Europäern gehörte, und dann den Amerikanern, verlagert sich an die Ränder des Pazifiks. Der Verlust der wirtschaftlichen, finanziellen und intellektuellen Dominanz des Westens hat längst begonnen, aber die Wohlstands- und Wohlfahrtsstaaten Europas tun weiterhin so, als finde das alles auf einem anderen Planeten statt. Was Steingart liefert, ist ein Alarmsignal von schriller Schärfe, verbunden mit Kritik an Politikern, Gewerkschaftern und Intellektuellen, die noch immer in Systemen denken, die es bald nicht mehr gibt.
"Der Westen besitzt bis heute keine Bedrohungsanalyse … In der Stunde der Herausforderung sind Gegner wie Befürworter der Globalisierung im Irrtum vereint. Die Befürworter glauben, man könne durch Freihandel und weltweiten Kapitalmarkt gefahrlos seine Absatzgebiete erweitern. Die Antreiber des Prozesses seien automatisch auch die Gewinner. Die Globalisierungsgegner … für sie bedeutet internationale Wirtschaftsverflechtung noch immer Unterdrückung und Ausbeutung der Dritten Welt. In Wahrheit haben Gewinner und Verlierer im Weltkrieg um Wohlstand die Rollen getauscht. Die neue Rolle der Asiaten führt zur Schwächung des Westens. Ihr Aufstieg ist unser Abstieg. In Europa sind schon heute Massenarbeitslosigkeit und Staatsverschuldung zu besichtigen. In Amerika wachsen Handelsbilanzdefizite und der Schuldenstand der Privathaushalte … Lange kann sich der Westen diese Gegenwart nicht mehr leisten."
Ende der Fahnenstange. Der Politikmodus der westlichen Demokratien, inneren Frieden durch steigende Sozialleistungen zu erkaufen, erreicht seine Grenzen. Ist das alles schicksalhaft, unumkehrbar, blinde Fahrt gegen die Wand? Steingart will aussprechen, was ist. Damit beginnt ernsthafte Politik: Ohne Wahrheit keine Wende.
"Die Nationalstaaten sind nicht so machtlos, wie sie glauben. Die Europäische Union besitzt mehr politischen Spielraum, als sie von sich behauptet. Der Westen ist wehrhafter, als er derzeit erscheint."
Die Analyse ist unerbittlich. Sie soll schockieren, und wer sich die Entwicklungslinien der Investitionen, der Beschäftigung, der Exportströme weiter anschaut, sieht nicht Gleichgewichte neu entstehen, sondern die Verlagerung der Macht von der atlantischen Zone zum Pazifik. In Italien kämpft die einstmals hoch erfolgreiche Textilindustrie um die Existenz, in Amerika ist die Deindustrialisierung weiter fortgeschritten als in Europa. Aus dem Industriegürtel Amerikas ist der Rostgürtel geworden. In Europa sinkt der Anteil der Industriearbeiter. Das ist Ergebnis vieler Rationalisierungen, sehr viel mehr aber Verlagerung der Hochpreis-Arbeitsplätze von West nach Fernost.
"Der normale Arbeitsplatzschwund findet unsichtbar und weitgehend lautlos statt … Die Fabriken verlassen ihre Belegschaften ... Vereinfacht kann man sagen: Die Verlagerung der Arbeitsplätze sieht man nicht an dem, was weggeht, sondern an dem, was im Containerhafen anlandet."
Steingart schreibt in schrillen Begriffen:
"Weltfrieden in Gefahr?"
– mit Fragezeichen immerhin. Dann aber folgt:
"Kontinent der Bombenbauer – Asien rüstet auf."
Pointiert und beunruhigend dann die Frage:
"Scheitert Europa?"
Dann folgt, was Steingart die Strategien der Gegenwehr nennt. Das geht im Stakkato, und nicht widerspruchs- und zweifelsfrei:
"Die Wende zum Weniger. Die europäische Idee. Den Primat der Vergangenheit überwinden. Auf den Nationalstaat kommt es an: Ein Weckruf. Der Sozialstaat ist tot – es lebe der Sozialstaat. Wer den Handelskrieg verhindern will, muss ihn vorbereiten."
Und dann das furchtbare P-Wort, mit Ausrufezeichen:
"Protektion."
Aber Protektion nicht via Nationalstaat. Steingart will, dass die industriellen Demokratien des Westens sich zusammentun, um eine Überlebenschance zu verteidigen. Er fordert:
"Westintegration. Die Idee einer europäisch-amerikanischen Freihandelszone."
Vielleicht ist das der Weg. Jedenfalls pfeift Steingart of Political Correctness. Aber wahrscheinlich ist er nur der erste in einer langen Reihe von Warnern vor dem Ernstfall. Am Ende seines Buches steht ein Gespräch mit dem großen Paul A. Samuelson, der mit den Worten zitiert wird:
"Der Markt besitzt kein Hirn und kein Herz. Zweitens: Die Globalisierung in ihrer jetzigen Ausprägung und im jetzigen Tempo macht die Welt unsicherer und nervöser. Wir sollten versuchen, das Tempo zu drosseln und in unserem eigenen Interesse sanfter zu sein."
Gabor Steingart: Weltkrieg um Wohlstand
Wie Macht und Reichtum neu verteilt werden
Piper Verlag, München 2006
Das ist jedenfalls die These, die Gabor Steingart in einem die Gemüter verstörenden Buch vertritt. Argumentiert wird in hohem Tempo, manche Ecken werden kavaliersmäßig genommen. Aber insgesamt gibt es keinen Zweifel, dass Steingart, Freund deutlicher und überdeutlicher Aussprache, den Nagel auf den Kopf trifft.
Eine Epochenwende findet statt. Die Macht, die 400 Jahre lang den Europäern gehörte, und dann den Amerikanern, verlagert sich an die Ränder des Pazifiks. Der Verlust der wirtschaftlichen, finanziellen und intellektuellen Dominanz des Westens hat längst begonnen, aber die Wohlstands- und Wohlfahrtsstaaten Europas tun weiterhin so, als finde das alles auf einem anderen Planeten statt. Was Steingart liefert, ist ein Alarmsignal von schriller Schärfe, verbunden mit Kritik an Politikern, Gewerkschaftern und Intellektuellen, die noch immer in Systemen denken, die es bald nicht mehr gibt.
"Der Westen besitzt bis heute keine Bedrohungsanalyse … In der Stunde der Herausforderung sind Gegner wie Befürworter der Globalisierung im Irrtum vereint. Die Befürworter glauben, man könne durch Freihandel und weltweiten Kapitalmarkt gefahrlos seine Absatzgebiete erweitern. Die Antreiber des Prozesses seien automatisch auch die Gewinner. Die Globalisierungsgegner … für sie bedeutet internationale Wirtschaftsverflechtung noch immer Unterdrückung und Ausbeutung der Dritten Welt. In Wahrheit haben Gewinner und Verlierer im Weltkrieg um Wohlstand die Rollen getauscht. Die neue Rolle der Asiaten führt zur Schwächung des Westens. Ihr Aufstieg ist unser Abstieg. In Europa sind schon heute Massenarbeitslosigkeit und Staatsverschuldung zu besichtigen. In Amerika wachsen Handelsbilanzdefizite und der Schuldenstand der Privathaushalte … Lange kann sich der Westen diese Gegenwart nicht mehr leisten."
Ende der Fahnenstange. Der Politikmodus der westlichen Demokratien, inneren Frieden durch steigende Sozialleistungen zu erkaufen, erreicht seine Grenzen. Ist das alles schicksalhaft, unumkehrbar, blinde Fahrt gegen die Wand? Steingart will aussprechen, was ist. Damit beginnt ernsthafte Politik: Ohne Wahrheit keine Wende.
"Die Nationalstaaten sind nicht so machtlos, wie sie glauben. Die Europäische Union besitzt mehr politischen Spielraum, als sie von sich behauptet. Der Westen ist wehrhafter, als er derzeit erscheint."
Die Analyse ist unerbittlich. Sie soll schockieren, und wer sich die Entwicklungslinien der Investitionen, der Beschäftigung, der Exportströme weiter anschaut, sieht nicht Gleichgewichte neu entstehen, sondern die Verlagerung der Macht von der atlantischen Zone zum Pazifik. In Italien kämpft die einstmals hoch erfolgreiche Textilindustrie um die Existenz, in Amerika ist die Deindustrialisierung weiter fortgeschritten als in Europa. Aus dem Industriegürtel Amerikas ist der Rostgürtel geworden. In Europa sinkt der Anteil der Industriearbeiter. Das ist Ergebnis vieler Rationalisierungen, sehr viel mehr aber Verlagerung der Hochpreis-Arbeitsplätze von West nach Fernost.
"Der normale Arbeitsplatzschwund findet unsichtbar und weitgehend lautlos statt … Die Fabriken verlassen ihre Belegschaften ... Vereinfacht kann man sagen: Die Verlagerung der Arbeitsplätze sieht man nicht an dem, was weggeht, sondern an dem, was im Containerhafen anlandet."
Steingart schreibt in schrillen Begriffen:
"Weltfrieden in Gefahr?"
– mit Fragezeichen immerhin. Dann aber folgt:
"Kontinent der Bombenbauer – Asien rüstet auf."
Pointiert und beunruhigend dann die Frage:
"Scheitert Europa?"
Dann folgt, was Steingart die Strategien der Gegenwehr nennt. Das geht im Stakkato, und nicht widerspruchs- und zweifelsfrei:
"Die Wende zum Weniger. Die europäische Idee. Den Primat der Vergangenheit überwinden. Auf den Nationalstaat kommt es an: Ein Weckruf. Der Sozialstaat ist tot – es lebe der Sozialstaat. Wer den Handelskrieg verhindern will, muss ihn vorbereiten."
Und dann das furchtbare P-Wort, mit Ausrufezeichen:
"Protektion."
Aber Protektion nicht via Nationalstaat. Steingart will, dass die industriellen Demokratien des Westens sich zusammentun, um eine Überlebenschance zu verteidigen. Er fordert:
"Westintegration. Die Idee einer europäisch-amerikanischen Freihandelszone."
Vielleicht ist das der Weg. Jedenfalls pfeift Steingart of Political Correctness. Aber wahrscheinlich ist er nur der erste in einer langen Reihe von Warnern vor dem Ernstfall. Am Ende seines Buches steht ein Gespräch mit dem großen Paul A. Samuelson, der mit den Worten zitiert wird:
"Der Markt besitzt kein Hirn und kein Herz. Zweitens: Die Globalisierung in ihrer jetzigen Ausprägung und im jetzigen Tempo macht die Welt unsicherer und nervöser. Wir sollten versuchen, das Tempo zu drosseln und in unserem eigenen Interesse sanfter zu sein."
Gabor Steingart: Weltkrieg um Wohlstand
Wie Macht und Reichtum neu verteilt werden
Piper Verlag, München 2006

Gabor Steingart: "Weltkrieg um Wohlstand" (Coverausschnitt)© Piper Verlag