Dresden

Wie ein Countertenor den Pegida-Chor erlebt

Zu sehen ist eine Menschenmenge, es ist Abend, im Hintergrund sieht man die Semperoper, die erleuchtet ist.
Teilnehmer einer Kundgebung gegen Pegida und Fremdenhass versammeln sich vor der Semperoper in Dresden. © picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Von Tobias Ruhland |
Der Sänger Yosemeh Adjei kehrt mit gemischten Gefühlen zu einem Engagement in der Semperoper zurück. Vor einem Jahr gastierte er bereits in Dresden - doch inzwischen fühlt er sich in der Hauptstadt der radikalisierten Pegida-Bewegung nicht mehr sicher.
Yossi: "Als ich letztes Jahr da ankam, war das so ein Phänomen, ein ausgewählter Kreis, der sich an diesen Pegida-Demonstrationen beteiligte. Letztes Jahr hab ich mich auch dazugestellt. Ich hab mich auch dazu gestellt. Ich wollte mal sehen – nicht nur aus dem Fernsehen – was da wirklich von sich geht, damit ich mir da mein eigenes Bild machen konnte."
Pegida-Demonstration: "Liebe Politiker, unsere Wut ist groß. Unsere Wut ist groß durch ein Leben voller Bevormundung und Entmündigung durch unsere politischen Stellvertreter."
Yossi: "Ich komm raus aus der Probe, Montagabend und da ist dann diese Menge. Direkt vor dem Theaterplatz. Die Stimmung an sich war völlig normal und friedlich. Nicht aufgeheizt oder aggressiv. Oder sonst irgendwas. Das muss ich dazu sagen."
Es hat sich damals im Januar 2015 auch niemand an Yosemeh Adjeis dunkler Hautfarbe gestört oder ihn deswegen angepöbelt. Bei Pegida-Märschen im Jahr 2016 wäre das sicher anders, und gefährlicher, vermutet der 42-jährige Sänger. Und noch etwas wird anders sein, wenn er für seine Rolle als Cleopatras Page Nereno in der Händel-Oper "Julius Cäsar in Ägypten" ab Ende Februar wieder in der Semperoper auf der Bühne stehen wird.
Während seiner Vorbereitungen für seine Zeit in Dresden bekam Adjei einen Anruf seines Jogging-Freundes und Chordirektor der Semperoper:
"Der Jörn Andresen ist Chordirektor in der Semperoper… Ja, schön, dass du wieder nach Dresden kommst, aber unsere Laufstrecke müssen wir ändern. Denn dieses Café – da haben wir uns immer niedergelassen nach dem Lauf – ist ist neuerdings und zwar ausschließlich sieben Tage die Woche von Pegida besetzt. Und er glaubt, das ist jetzt nicht mehr so zu machen, dass wir da uns einfach hinsetzen und frei reden können."
Pegida-Demonstration: "Raus mit dem Mist aus den Parlamenten, den Gerichten, Kirchen und Pressehäusern. Wir werden nicht locker lassen und ihr werdet euch an uns die Zähne ausbeißen. - Lügenpresse, Lügenpresse!"
Yossi: "Das ist jetzt komplett anders. Das ist jetzt wirklich ernst geworden. Wenn man Dresden hört, sagt man: Ja, Pegida. Meine Frau, ich sag zu ihr: Dresden hat wieder angerufen. Ja, aber nach Dresden, da ist doch die Pegida, da kannst du doch nicht hin! Ich so: natürlich werde ich da hingehen. Das ist überhaupt kein Problem. Ich weiß mich zu verhalten. Aber jetzt stelle ich fest bei mir, dass da so ein kleiner Hebel passiert, dass ich mir schon denke: Wie machst du das denn, wenn du nicht mehr laufen kannst? Wie machst du es abends, wenn ihr essen und trinken geht? Wenn du dann so Menschen begegnet, die mit der Flüchtlingsthematik sehr destruktiv umgehen. Dass ich mir die Frage stelle, ist das, was mich verunsichert. Weil darüber hab ich mir noch nie eine Sekunde Gedanken gemacht."

"Kuck mal, ein Flüchtling"

Auch über Personenkontrollen hat Yosemeh Adjei bisher kaum nachgedacht. Regelrecht schockiert war er, als er sich im letzten Jahr am Münchner Hauptbahnhof zum ersten Mal in seinem Leben direkt nach dem Aussteigen ausweisen musste. Mittlerweile hat er sich an die Kontrollen gewöhnt. Genauso wie an die vielen Leute, die sich nach ihm umgedreht haben, letzten Herbst in Klagenfurt. Abends war er der Oberon im Sommernachtstraum, aber tagsüber auf der Straße:
"Kuck mal, da ist ein Flüchtling! meinte wirklich ein kleines Mädchen zu ihrer Mutter, wie ich da so gelaufen bin. Kannte sie halt wohl aus dem Fernsehen. Und weil die Mutter schon gemerkt hat, da stimmt was nicht, hat dieses Kind so peinlich weggezogen."
Zwei Tage noch. Dann fährt Yosemeh Adjei wieder nach Dresden. Die Stadt, die er vor einem Jahr so sehr in sein Herz geschlossen hat. Die Stadt, in der er schon 1985 als Chorknabe aufgetreten ist, als die Stadt noch voller Braunkohle verrußter Häuser war und die Trümmer der Frauenkirche herumlagen. Und ausgerechnet jetzt, nach Wende und Wiederaufbau, da die Stadt im hellsten Glanz erstrahlt, zieht dieser mutmaßlich mächtige Pegida-Schatten auf:
"Der Blick darauf, wie schön Dresden ist, wird von dieser Gesellschaftskritik zugestellt. Das darf nicht sein! Ich denke mir schon: Das Publikum, das in die Oper geht, natürlich kann da der eine oder andere dabei sein, der tags zuvor oder tags danach zu diesen Demonstrationen geht und dem auch Beifall klatscht. Aber Theater, Oper – das ist schon auch ein ganz besonderer Raum, wo man auch die Anschauungen, Weltanschauungen, politischen Einstellungen, wo das auch ganz oft außen vor bleibt."
Die Oper als Schutzraum gewissermaßen?
"Ja, ich fühl mich in diesem Raum der Kunst der Oper sehr sicher. Weil ich dran denke, wie das letztes Jahr war, wo ich voller Euphorie und Energie mich eingesetzt habe. Das hat man natürlich auch in der Arbeit wieder gesehen auf der Bühne. Man sieht, da ist jemand, der sprüht vor Energie und Lust. Ich hoffe nicht, dass die äußeren Umstände mich da beeinträchtigen."
Ein bisschen tun sie das aber bereits. Yosemeh Adjei denkt über eine Monatskarte für das Fitnessstudio in dem Hotel nach, in dem er untergebracht ist. Da gibt es eben auch ein Laufband für die wohl langweiligste, aber sicherste Laufvariante:
"Ich bin unsicher, und wenn wir drüber sprechen, wächst diese Unsicherheit. Aber ich möchte diese Unsicherheit so lange wie möglich unten halten. Dann fange ich mir schon an zu überlegen, wem teile ich mich da mit. Mit wem tausche ich mich aus? Wenn ich jetzt meine Ängste kommuniziere, dann hab ich schon die Erfahrung gemacht, hat das noch keine konstruktiven Früchte getragen, sie mit den Leuten zu teilen. Also ich bin da schon sehr bei mir und möchte das auch mit mir ausmachen, weil das so eine persönliche Situation. Für mich gibt es Grenzen. Wenn es eine physische Aggression gibt, muss ich die Stadt verlassen. Ich bin es gewohnt, auf der ganzen Welt mich frei zu bewegen. Als freier Mensch. Das ändert sich auch nicht durch die Pegida. Das geht nicht."
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