Dreimal Schule

Von Verena Herb, Verena Kemna und Uschi Götz |
In Hamburg hat das Thema Schule die schwarz-grüne Koalition in eine heiße Diskussion verwickelt. In Berlin werden pensionierte Lehrer als Aushilfen in die Schulen geholt, weil der Stadt die Jungelehrer wegen schlechter Bezahlung davonlaufen und Baden-Württemberg wirbt mit guten Stellen und einer lukrativen Verbeamtung um neues Lehrerpersonal. Dreimal Schule, dreimal Schule ganz anders. Der Föderalismus lässt grüßen.
Der Streit um die richtige Schulform – wer lernt was und vor allem wie lange gemeinsam – der wird derzeit in Hamburg erbittert geführt. Eltern, Bildungsexperten, Politiker, Lehrer und Schüler – gebannt darf man auf die bildungspolitischen Maßnahmen schauen, die die schwarz-grüne Koalition in der Hansestadt durchbringen will. Besonders die Einführung der Primarschule, das heißt gemeinsames Lernen für alle Kinder bis zur 6. Klasse - ist heftig umstritten. Die Gymnasien wollen ihre ersten beiden Klassen nicht verlieren, Grundschulleiter befürworten dagegen die Pläne der Schulbehörde. Über die Hamburger Bildungsoffensive – über das Für und Wider von Gegnern und Befürwortern – berichtet Verena Herb.

Wiegandt: "Ich stelle fest, dass es zwei Stimmungsbilder gibt. Das eine ist Frustration. Das ist bei vielen Lehrern der Fall. Die sagen: Jetzt kommt hier schon wieder eine Reform und wir sind wieder nicht gefragt worden. Wir müssen hier etwas durchziehen, was wir für unsinnig halten und was Politiker im Rathaus ausgeheckt haben. Die zweite Reaktion ist Wut. Sehr, sehr große Wut. Vor allen Dingen bei Eltern, die wieder sehen, dass ihre Kinder zu Versuchskaninchen werden. Also die Wut ist schon sehr, sehr groß!"

Wolf Achim Wiegand ist sauer. Und er ist nicht alleine. Laut einer Umfrage sind 70 Prozent der Wahlberechtigten in Hamburg ganz oder teilweise gegen die Schulreform der schwarz-grünen Koalition.

Eine Grundschule im Herzen Hamburgs. Hier gehen Schüler von der Klasse eins bis zur Klasse vier zur Schule. Noch. Denn ab dem Sommer 2010 soll alles anders werden – die Schullandschaft der Hansestadt wird komplett umgekrempelt. Alle Kinder werden bis zur sechsten Klasse miteinander lernen – die Vorschule wird eingebunden. Das ganze nennt sich dann: Primarschule.

Junge: "Ich finde das nicht so gut, weil dann ist man immer länger in der Schule und sieht man nie ne andere Schule richtig."
Mädchen: "Ich find´s eigentlich toll, weil – man kennt die Lehrer schon ..."

Primarschule - das ist das eine. Und es geht noch weiter: Das dreigliedrige Schulsystem wird komplett abgeschafft. Statt dessen soll es ein neues, ein Zweisäulen-Modell geben. Das bedeutet: Nach der Primarschule, also nach der Klasse sechs, wechseln die Kinder auf ein Gymnasium oder eine Stadtteilschule. In ihr werden alle bisherigen Schulformen vereinigt:

Christa Goetsch, die Schulsenatorin der Grünen, versucht es mit einer Erklärung:

Goetsch: "”Die Schule umfasst die Jahrgänge 7 – 13, also jede Stadtteilschule führt zum Abitur. Das ist ganz wichtig. In der Primarschule unterrichten ja Lehrer der Grundschule, der weiterführenden Gesamtschule und Gymnasien. In der Stadtteilschule kommen noch die beruflichen Kollegen dazu ...""

Dieser äußere Umbau soll den Rahmen bieten für eine riesige inhaltliche Schulreform – also Achtung, es geht noch weiter: Kleinere Klassen, Lehrer als Reformpädagogen, jahrgangsübergreifender Unterricht, Sitzenbleiben abschaffen, individualisiertes Lernen einführen, Noten bis Klasse sechs durch sogenannte Kompetenzberichte ersetzen, zwei Einschulungstermine pro Schuljahr und: das Elternwahlrecht wird abgeschafft. Künftig entscheiden die Schulkonferenzen, auf welche weiterführende Schule das Kind nach Klasse sechs gehen wird. Nicht mehr die Eltern.

"Unser Ziel ist es, in Hamburgs Schulen mehr Leistung und mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Deshalb verbessern wir die Unterrichtsqualität und setzen auf ein längeres gemeinsames Lernen."
Wirbt die Schulbehörde auf ihrer Internetseite für die Reformpläne. Und weiter:

"Alle Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Talenten sollen jeden Tag dazu lernen und sich verbessern können. Und was mir persönlich sehr wichtig ist: Wir möchten Schulen, in denen die Kinder mit Freude lernen."

Große Worte, große Ziele. Eine Nummer zu groß, befürchten viele. So auch Tjalf Nienaber:

"Das Programm, das sie durchpowert, ist einfach nicht abgesprochen, es ist wirtschaftlich nicht durchdacht. Das ist – ich würde einfach mal sagen – mit der heißen Nadel gestrickt."

Tjalf Nienaber ist Vater eines siebenjährigen Sohnes. Der geht in die erste Klasse einer Grundschule. Auf welches fertige Schulsystem er treffen wird – so genau weiß das noch niemand.

Tjalf Nienaber: "”Ich habe vor allem die Befürchtung, dass er in ein noch nicht durchdachtes Schulsystem fällt. Und das ausbaden muss, was jetzt mehr oder weniger nicht richtig ausgegoren wurde, was nicht zu Ende diskutiert wurde. Wo vor allem auch die Lehrer – wenn Sie jetzt heute mal in die Schulen gehen, die Lehrer fragen "Wissen Sie eigentlich, wo Sie morgen unterrichten?" – Dann bekommen sie große Fragezeichen. Und damit kommt mein Sohn nach Hause, bekommt das natürlich indirekt mit und diese Stimmungsschwankung sind natürlich für die Entwicklung vor allem meiner und aller Kinder überhaupt nicht förderlich.""

Mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten sind unzufrieden mit der Goetschen Schulreform. Würde man die fragen, die derzeit am heftigsten davon betroffen sind, nämlich die Schüler – das Ergebnis würde wohl noch negativer ausfallen:

"Die, die sich dafür interessieren, finden eigentlich alles schlecht, was da geplant wird. Hauptsächlich wegen dem Zeitplan. Es ist nicht durchdacht genug. Also ich persönlich merke, viele Leute fragen jetzt: Was ist denn jetzt. Und ich weiß gar nicht und ich soll doch jetzt in zwei Jahren Abi machen. Aber ich weiß da gar nicht, was auf mich zukommt."
2005 wurde das Zentralabitur eingeführt: G8 – also das Abitur schon nach Klasse 12, viele Schüler haben damit Probleme. Hinzu kommt die Einführung der Profiloberstufe in Hamburg. Das heißt, es werden keine Grund- und Leistungskurse mehr gewählt, sondern einzelne Profile. Auch hier hapert´s mit der Umsetzung.

So haben Schüler nicht nur Angst davor, was kommt, sondern plagen sich seit Jahren mit der Reformwut der Vergangenheit herum, erklärt Wolf Achim Wiegand. Er ist Mitglied des Elternrats am Gymnasium Blankenese.

Wiegand: "Das Erste ist die Schnelligkeit und das Tempo, mit dem das durchgezogen wird. Wir haben gerade Schulreformen hinter uns, das 13. Schuljahr wurde abgeschafft, und die Profiloberstufe für Gymnasien wurde eingeführt. Beides ist noch nicht verdaut und muss erst mal bewältigt werden. Und schon kommt jetzt eine grundlegende Veränderung."

Christa Goetsch, die Schulsenatorin: "Das hat es noch nie gegeben. Sicherlich, die Interessen werden aufeinander stoßen. Und erfahrungsgemäß gibt es dann auch gewisse Phasen und Leidensdruck. Man muss aber nun mal zu einem Ergebnis kommen."

Das Schulreformpaket ist ein Kompromiss, so scheint es, der die ziemlich gegensätzlichen bildungspolitischen Ideale der Koalitionspartner GAL und CDU in Hamburg zusammenbringt. Ingeborg Knipper, Bildungsexpertin, war lange Jahre für die CDU als Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft und leitete das Amt für Bildung. Auch sie sieht die Reform äußerst kritisch:

"Ich denke nicht, dass es ein Kompromiss ist. Denn die Vorstellungen über das, was in Schule passieren muss, waren so unterschiedlich, dass dies nicht als Kompromiss gewertet werden kann. Die CDU wollte in jedem Fall die Gymnasien erhalten, daneben eine neue Stadtteilschule, die es ja noch gar nicht gibt. Und zwar für alle Kinder, die eben nicht zum Gymnasium wollen oder können. Mit der Möglichkeit auf dieser Stadtteilschule auch das Abitur zu machen."

Es trifft also das eher elitäre Modell der Konservativen, die das Gymnasium stets für sakrosant erklärten, auf den egalitären Ansatz der Grünen, die "längeres gemeinsames Lernen" favorisieren und benachteiligte Schüler besser fordern wollen. Weg von der Frontallehre, hin zu mehr Individualität. Und die Kinder da abholen, wo sie stehen, so die Vision. Zahlreiche Eltern haben bereits in einer Serie von offenen Briefen Bürgermeister Ole von Beust gebeten, die Reform noch einmal zu überdenken. Doch der stellt sich 100prozentig hinter seine Senatskollegin. Und auch die Abgeordneten der CDU-Bürgerschaftsfraktion äußern sich ganz in Koalitionsmanier. Wenngleich hinter vorgehaltener Hand so mancher Christdemokrat die Schulpläne alles andere als unterstützen mag. Doch öffentlich herrscht schwarz-grüne Einigkeit, wenn es um das Thema Schule geht.

Christa Goetsch ist überzeugt von der Reform: "Wir haben ne Menge Beispiele, dass gerade durch das längere gemeinsame Lernen mehr Kinder zu höheren Bildungsabschlüssen geführt werden, als wenn sie so früh getrennt werden."

Fast die Hälfte aller 210 Hamburger Grundschulleiter haben eine Erklärung unterzeichnet, in der die zentrale Schulreform der schwarz-grünen Koalition ausdrücklich für gut befunden wird. Man wolle ein Zeichen setzen und grundsätzliches Einverständnis mit der Reform und der Einführung der Primarschule kundtun, heißt es darin. Adrian Klenner ist Leiter der "Schule beim Pachthof" in Hamburg-Horn. Hier wird bereits das 6jährige Grundschulprinzip angewendet.

Adrian Klenner: "Ein ganz großer Vorteil ist selbstverständlich, dass leistungsschwache Schüler von den leistungsstärkeren lernen können. Dass Kinder mit Migrationshintergrund aus anderen Kulturen besser lernen. Das alles wirkt sich aus. Voraussetzung ist, dass die Anzahl von Lehrerstunden gegeben sein muss. Und ich muss fachlich qualifizierte Kolleginnen und Kollegen haben, die dann in fünf und sechs unterrichten. Das heißt, die müssen eine Gymnasialausbildung haben.

Viele Kritiker der Schulreform kann das nicht überzeugen. Stärkster Verteidiger eines Gymnasiums ab Klasse fünf ist die Volksinitiative "Wir wollen lernen" des Rechtsanwalts Walter Scheuerl:

"”Wir halten es für unrealistisch, dass die Primarschule in den Klassen vier bis sechs auch nur ansatzweise das leisten können, was bisher in den weiterführenden Schulen und in den Klassen fünf und sechs geleistet werden kann.

Auch Bildungsforscher zweifeln am Erfolg der Hamburgischen Schulreform. Zwar sehen viele auch Chancen in der Idee des längeren gemeinsamen Lernens, aber auch Risiken. So befürchtet beispielsweise der Bielefelder Wissenschaftler Klaus Hurrelmann, dass sich Hamburg mit dem kompletten Umbau der Bildungslandschaft gewaltig verhebt. Zum gleichen Zeitraum die Grundschulzeit um zwei Jahre zu verlängern und die weiterführenden Schulen zu zwei Schultypen zu verschmelzen, sei Zitat: "sehr unglücklich" und bedeute einen ungeheuren politischen Kraftakt, so Hurrelmann in der Zeitschrift "Die Welt". Wolf Achim Wiegand, der Vater aus Blankenese, findet, dass Hamburg zwischenzeitlich als größtes ideologisches Versuchslabor in Deutschland fungiert.

Wiegand: ""Ich bin gegen Hauruck-Verfahren, wo man versucht, mit der ideologischen Brille etwas durchzuziehen. Und wo in Legislaturperioden gedacht wird, anstatt in nachhaltigen langen Perioden. Ich kann mir vorstellen, dass man so eine Schule wo länger zusammen gelernt wird – dass man darüber reden könnte. Warum nicht? Aber es wird nicht drüber geredet. Es wird hier in Hamburg einfach von oben durchgezogen, niemand ist vorher gefragt worden von den Beteiligten. Man kann sich auch gar nicht daran beteiligen, im Gegensatz zu dem, was eigentlich behauptet wird. Es wird hier mit Mitteln gearbeitet, die wirklich von oben kommen. Und dagegen wehre ich mich. Ich würde gerne daran beteiligt werden, an der Diskussion, was für ein Schulsystem wir haben mögen."

Es gibt eine umfassende Diskussion mit allen an Schule Beteiligten über den richtigen Weg, wie Hamburgs Schulen sich verbessern können.

Schreibt Christa Goetsch auf der Internetseite ihrer Behörde, und meint damit wohl die 22 regionalen Schulentwicklungskonferenzen, die in regelmäßigen Abständen stattfinden und in denen über die Schulen in der Region und deren Zukunft diskutiert wird. Dort also soll der Dialog zwischen allen Beteiligten stattfinden: Den Schulleitern, Behördenmitarbeitern, Lehrern, Eltern und Schülern. Doch so richtig scheint das nicht zu funktionieren, wie Heike Heinemann, Mutter von drei Kindern, berichtet. Am Prinzip von Primarschule, Stadtteilschule und Gymnasium gibt´s nichts mehr zu rütteln.

Heike Heinemann: "Grundsätzlich bin ich froh, dass es diesen Beteiligungsprozess gibt. Aber es fehlen jegliche Informationen. Wir arbeiten mit Raumkapazitäten, die so nicht stimmen. Und es ist einfach sehr unbefriedigend, wenn man auch völlig ohne Inhalte arbeitet. Es wird über Standorte geredet, aber überhaupt nicht über pädagogische Konzepte."

Wiegand: "Die Schulentwicklungskonferenzen bringen meiner Meinung nach gar nichts. Zumal das letzte Wort sowieso die Behörde hat. Also eine Konferenz kann da beschließen was sie möchte, die Behörde hat sich vorbehalten, später alles zu kassieren und ohnehin ihren eigenen Beschluss zu fassen."

Im Mai geben die regionalen Schulentwicklungskonferenzen ihre Empfehlungen an die Behörde, die dann im Juli über die künftigen Schulstandorte entscheidet. Im Herbst, genauer gesagt im September, soll die Vorbereitung zur Einrichtung von Standorten von Primar- und Stadtteilschulen sowie Gymnasien anlaufen. Ein ziemlich straffer Zeitplan. Das weiß auch Senatorin Goetsch:

"Natürlich. Es ist noch eine Menge Überzeugungsarbeit. Es ist noch eine Menge an inhaltlichen Fragen, die beantwortet werden müssen. Da ist auch zurecht noch ein Anspruch, dass einiges geklärt werden muss und da sind wir dran. Und das werden wir in den nächsten Wochen auch deutlich machen."

Eineinhalb Jahre bleiben noch, bis die Primarschule mit dem 1. Jahrgang beginnen soll. Eine Zeit, die viele Eltern dazu nutzen werden, Widerstand zu leisten. Am 18. April hat ein Zusammenschluss aufgebrachter Eltern zu einer Großdemonstration aufgerufen: Sie fordern "mehr Qualität in den bestehenden Schulformen statt Schulchaos".

Das politische Risiko, das mit dem Vorhaben verbunden ist, ist groß. Scheitert die Reform, dürften nicht nur die Grünen, sondern auch die CDU dafür bei der nächsten Wahl vom Wähler bestraft werden. Denn Bildung ist in Hamburg längst zu einem der Hauptthemen geworden. Und nicht wenige meinen, dass das Gelingen der Bildungsoffensive über den Erfolg von schwarz-grün entscheiden wird.
Lehrer bekommen 50 Prozent mehr – so titelte die "taz" vor ein paar Wochen. Zu diesem Zeitpunkt war das Problem des Lehrermangels in Berlin so groß, dass der Senat handeln musste. Eine Pensionswelle, Abwanderung und Abwerbekampagnen führten dazu, dass bereits pensionierte Lehrer wieder in die Schulen geholt werden mußten. Die Reduzierung des Gehaltsgefälles zu anderen Bundesländern, beispielsweise zu Baden-Würtemberg, soll nun die weitere Abwanderung von Jungepädagogen stoppen. Die Berliner Grundsatzentscheidung, kein neues Personal als Beamte einzustellen, bleibt aber bestehen. Verena Kemna hat in einer Berliner Schule einen Lehrer gefunden, dem das Unterrichten richtigen Spaß macht. Einen entspannten Pensionisten.

"O. k. viel Vergnügen! Das Gespräch mit dem Nachbarn bringt manchmal die entscheidende Information, ist also ausdrücklich erwünscht."

19 Zehntklässler sitzen an ihren Tischen, unterhalten sich leise, überlegen. Rüdiger Panke sieht zufrieden aus.

"Das sind einfach zauberhafte Kinder, sage ich mal!"

Er schlendert zwischen Pult und Tafel hin und her und wartet. Mit 67 Jahren hat er längst das Pensionsalter erreicht, aber ein Leben ohne seine Schüler und ohne die Naturwissenschaft im Klassenzimmer kann er sich nicht vorstellen. Dazu kommt: Junge Physik- und Chemielehrer, die einen wie ihn ersetzen könnten, sind in ganz Deutschland und vor allem in Berlin Mangelware. So macht Klassenlehrer Panke eben einfach weiter.

"Das große Thema der Gruppe heißt, mit wissenschaftlichen Methoden auf Verbrecherjagd. Wir nehmen eine Methode der instrumentellen Analytik, die ganz gebräuchlich ist raus, nämlich die Massenspektrometrie und diese Methode habe ich anhand eines Modellversuchs den Kindern vorgestellt, erarbeitet, was da rauskommen kann und jetzt ist ihre Aufgabe verschiedene Spektren, die bei so einer Massenspektrometrie entstehen, zu interpretieren."

Die Sophie-Scholl-Oberschule in Berlin Schöneberg ist seit 30 Jahren Gesamtschule und gut ausgestattet. In den Chemieräumen funktionieren Hähne und Leitungen. Wir haben alles, was wir brauchen, sagt Rüdiger Panke. Die Schule ist für ihn wie ein zweites zuhause. So hat er sich kurz vor der Pensionierung vor zwei Jahren an seiner alten Schule einfach noch einmal beworben.

"Also einmal mache ich es gerne, ich bin gerne Lehrer, ich war immer gerne Lehrer. Dann gibt es noch direkte Gründe. Ich bin jetzt Klassenlehrer einer zehnten Klasse und als ich pensioniert wurde, war das eine achte Klasse. Die Klassenlehrer begleiten bei uns die Klasse von Klasse sieben bis Klasse zehn. Dann dachte ich, man kann eigentlich nach der achten nicht abbrechen, wenn das so nette Kinder sind. Ich wollte die gerne bis zum Ende begleiten."

Rüdiger Panke unterrichtet etwa acht Schulstunden pro Woche als so genannter Vertretungslehrer. Wie viele Pensionäre in Berlin unterrichten, darüber gibt die Senatsverwaltung keine Auskunft. Doch die rüstigen Altlehrer sind wegen ihrer Verlässlichkeit und Berufserfahrung an vielen Berliner Schulen willkommen. Wie lange Klassenlehrer Panke noch weiter machen will? Er lacht.

"Weiß ich nicht, so lange man mich lässt. Also ich würde gerne noch eine ganze Weile tätig sein, ja."
Lehrermangel in Berlin - ein hausgemachtes Problem.

"Wir haben keine jungen Lehrer weil wir keine jungen Lehrer eingestellt haben. Einige Referendare an unserer Schule, die mit einem ausgezeichneten Examen abgeschlossen haben, sind weggegangen in andere Bundesländer, bevorzugt nach Hamburg weil sie dort sofort verbeamtet worden sind und deutlich mehr verdient haben."

Auch Baden-Würtemberg hat mit seiner Junglehrer-Werbekampagne in Berlin Erfolg gehabt. Gegen akuten Lehrermangel an den etwa 800 Berliner Schulen geht SPD Bildungssenator Jürgen Zöllner nun in die Offensive. Seit Februar gilt: Etwa 400 Euro mehr Gehalt vor allem für die neu angestellten Lehrer. Verbeamtung bleibt weiterhin Tabu. Für Robert Hahn, 34 Jahre alt, ist die Sophie-Scholl Oberschule, die erste feste Lehrerstelle nach dem Referendariat. Die Schule hat einen guten Ruf, sagt der Berliner. Das ist ihm wichtiger als Geld und Beamtenstatus.
"Meine Frau und ich wir haben hier unsere Eltern. Wir haben ein kleines Kind hier, das ist gerade in die Kita gekommen, wir haben Freunde hier. Wir mögen die Stadt beide. Also jetzt nur wegen des Geldes woanders hin und auch noch in ein kleines Dorf, das stand für mich nie zur Diskussion. Aber ich weiß, aus meinem Hauptseminar sind sechs da geblieben, die anderen 20 sind weg."

Mit der Fächerkombination Biologie-Chemie konnte er sich seine Schule aussuchen.

"Zwischen 10 und 15 Schulen die mich angefragt haben aufgrund der Tatsache, dass ich in diesem zentralen Verteiler drin stand und ich weiß halt, dass es nicht wirklich mehr Bewerber gab. Manche Schulen haben in der E-Mail alle aufgeführt an die sie das geschickt haben, da konnte man abzählen, ich kannte auch ein paar die in der Adressliste standen und wusste schon, die sind schon längst weg. Ja, es gibt nicht wirklich viele neue Lehrkräfte mehr."

400 Lehrkräfte fehlen in Baden-Würtemberg an den Gymnasien - vor allem in Physik, Chemie, Mathe und Latein. Also hochqualifizierte Fachlehrer. Fast 400.000 Euro lässt sich das Ländle seine umstrittene Werbekampagne kosten, die Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern an die eigenen Schulen locken soll. Besonders die Ostländer und Berlin verlieren den Kampf um die gefragten Jungpädagogen.

Uschi Götz hat gut gelaunte Bildungspolitiker getroffen und außerdem noch einen physikalischen Vorgang beobachtet: Wenn es nämlich im Dunkeln leuchtet, hat nicht nur die erfolgreiche Werbekampagne von Baden-Würtemberg ihre Hände im Spiel, sondern auch Heinz Rühman.


Besonders freut man sich im Ländle über Junglehrer mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Aus diesem Grund muss auch Heinz Rühmann in der Feuerzangenbowle mal wieder herhalten – zu sehen in einem Internetwerbespot. Auch in überregionalen Zeitungen finden sich entsprechende Werbeanzeigen und rund um Hochschulen werden Schokoladentafeln verteilt – weit hinter den
eigenen Landesgrenzen, denn der eigene Lehrernachwuchs ist bereits unter Vertrag:

So CDU-Landeskultusminister Helmut Rau im vergangenen Monat. 900 junge Lehrer werden noch an Gymnasien benötigt und weitere 500 an beruflichen Schulen. Insgesamt werden im Land nach den Sommerfreien über 5500 neue Lehrer eingestellt.

Der Grund: Schulklassen im Südwesten sollen kleiner werden, Schulrektoren sollen wieder leiten und weniger unterrichten und Lehrer übernehmen künftig einen Teil der Hausaufgabenbetreuung.

Dr. Günter Olbert ist Rektor am Königin- Katharina – Stift – einem Gymnasium mitten in der Stuttgarter Innenstadt. Olbert selbst ist Naturwissenschaftler, was für einen
Schulleiter im gymnasial Bereich eher untypisch ist.

Vielleicht ein Grund weshalb er an seiner Schule nicht über einen Lehrermangel in diesem Bereich beklagen kann. Doch nun freut auch Rektor Olbert sich auf die jungen Lehrer ,die da hoffentlich bald kommen. Auf die Mischung zwischen erfahrenen und jungen Lehrern komme es bei einem guten Lehrerkollegium an.

Er wolle keine Lehrer aus anderen Bundesländern abwerben stellte Landeskultusminister Rau vor wenigen Wochen klar. Vielmehr sollen fertige Referendare aus Bundesländern ins Land geholt werden, die mehr Lehrer ausbilden als Lehrerstellen zur Verfügung zu haben.

Die 400.000 Euro teure Werbekampagne der Baden-Württemberger soll vor allem Lehrernachwuchs aus den neuen Bundesländern in den Südwesten locken:
Kultusminister Rau:

Ein verlockendes Angebot. Rund 800 Euro mehr im Monat verdient ein baden- württembergischer Junglehrer im Beamtenstatus im Vergleich zu seinem Kollegen in Thüringen. Bis der Lehrermangel in Baden-Württemberg überwunden ist, wird auch das sonst höchst komplizierte Lehrer-Tauschverfahren unter den Bundesländern ausgesetzt. Schon in drei Jahren werden nicht mehr so viele Lehrer im Land gebraucht, dann können die

Einst süß umworbenen ganz unbürokratisch wieder nach Hause gehen.