Dreigroschenoper eröffnet Theater in Samara

Putin darf kein Kasper sein

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Regisseur Dominik Büttner beim Proben mit Darstellern.
Der Berliner Regisseur Dominik Büttner inszeniert die Dreigroschenoper am neuerbauten Theater in Samara. © Deutschlandradio/Gabi Schlag
Von Gabi Schlag · 30.11.2019
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Die russische Stadt Samara, 1000 Kilometer südlich von Moskau, bekommt ein neues Theater. Es eröffnet im Dezember mit Brechts Dreigroschenoper auf Russisch. Der deutsche Regisseur Dominik Büttner aus Berlin inszeniert sie - und überwindet Hindernisse.
Dominik Büttner spricht kein Wort Russisch, deshalb begleitet die Übersetzerin Eva ihn auf Schritt und Tritt. Trotzdem konnte er den Intendanten Sergej Sokolov in einem Workshop für sich gewinnen. Einfach sind die Proben nicht. Da ist zum einen die Sprache und daraus resultierende Missverständnisse. Dazu kommen die russischen Schauspieler aus einer völlig anderen Schauspieltradition.
"Die unterschiedlichen Schauspieltraditionen sind natürlich auch immer wieder Thema und da gibt es auch immer wieder Diskussionsstoff, und das ist für die Schauspieler auch eine große Herausforderung", sagt Dominik.
Gerade die Hauptdarsteller haben so ihre Schwierigkeiten, denn sie sind alle nach Stanislawskis Schauspielmethode ausgebildet. Pure Emotion. Deshalb ist einer von Dominiks häufig geäußerten Sätzen "bec melodram" bitte ohne Melodram.
Das neue Theater Samart im russischen Samara
Das neue Theater Samart im russischen Samara© Deutschlandradio/Gabi Schlag
"Für uns ist halt Melodram", sagt Pollydarstellerin Mascha, "das große Gefühl und davor haben wir keine Angst, sondern meistens etwas zu viel davon und deshalb sagt Dominik immer: Bitte, bitte, ohne Melodram!"
Die Bühnenpräsenz der russischen Schauspieler ist beeindruckend, Das lässt die hier russisch gesungenen Songs – viel intensiver wirken. "Ich finde natürlich die russische Emotionalität ganz toll", sagt Dominik. "Und diese Kraft und Präsenz, die die haben, da können sich viele deutsche Schauspieler eine Scheibe von abschneiden. Die sind auch handwerklich alle sehr gut."

Erst das Fressen, dann die Moral

In der Dreigroschenoper prangert Brecht den Zustand einer korrupten, grausamen, vor keiner Untat zurückschreckenden Gesellschaft an. Eine Gesellschaft, in der zuerst das Fressen und dann die Moral kommt. Im Mittelpunkt stehen der Konkurrenzkampf zweier krimineller und skrupelloser Geschäftemacher – des attraktiven und charmanten Macheath einerseits und des gerissenen Peachum andererseits.
Wie kann man mit einem solchen Stück, in dem es um die Doppelmoral der Gesellschaft geht, die Spielzeit und ein neues russisches Theater eröffnen? In einem Land, bei dem man bei der kleinsten Kritik ins Gefängnis gesteckt wird? Dominiks Puppenspiel mit Kim Jong-un, Trump und Putin als Kasperle wurde bereits gestrichen.
"Eigentlich war meine Idee, dass das alles Kasperl-Figuren sein sollen", sagt Dominik. "Da war dann schon, dass gesagt wurde, Okay, nach den neuesten Gesetzgebungen ist das verboten. Man darf Putin nicht in irgendeiner Form für Satire oder Karikatur oder sowas verwenden."

Das Geld ist aufgebraucht

Und dann gibt es auch noch finanzielle Probleme: der Bühnenbildner weigert sich weiterzuarbeiten, da er ohnehin keine Materialien mehr hat, um die Ausstattung fertigzustellen. Das Geld ist aufgebraucht. Dominiks Empörung ist groß. Da hilft nur noch das direkte Gespräch mit dem Intendanten. Nach der Unterredung kommt Dominik bester Dinge auf die Bühne zurück.
"Wir machen unbeirrt weiter und werden das natürlich zu Ende bringen", sagt Dominik. Zwar ist das Ausstattungsproblem jetzt gelöst, doch Dominik wird zunehmend nervös. Weil sie so wenig verdienen, spielen viele der Schauspieler am Nachmittag oder am Abend auf anderen Bühnen und müssen zu unterschiedlichen Zeiten weg. Ständig fehlt jemand - das macht die Proben nervenaufreibend.
Und Dominik macht sich Sorgen. Wie werden die russischen Zuschauer reagieren? Der künstlerische Leiter Pavel Makelov sagt, dass es unbedingt ein Erfolg wird: "Innerhalb von zwei Wochen waren alle Tickets ausverkauft." Aber auch wenn die russischen Künstler sicher sind, dass ihre Produktion ein Erfolg wird, wie die russische Regierung auf die Inszenierung reagiert, das weiß niemand.
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