Drei Pakistani nach 9/11 in New York

Nach den Anschlägen des 11. September sahen sich viele Amerikaner pakistanischer Abstammung einer Welle von Feindlichkeit und Gewalt ausgesetzt. H. M. Naqvi lässt diese schwierige Zeit in seinem Debütroman „Home Boy“ noch einmal Revue passieren.
Schon kurze Zeit nach den Anschlägen des 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York sahen sich vor allem Amerikaner pakistanischer Abstammung einer Welle von Feindlichkeit und Gewalt ausgesetzt. Gestern noch unbescholtene Bürger einer Nation, die sich als Einwanderungsland seiner multikulturellen Offenheit rühmt, mutierten sie zu feindlichen Fremden, die man verbal und tätlich attackierte und spürbar diskriminierte.

H. M. Naqvi, 1974 in London geboren und selbst pakistanischer Abstammung, lässt diese schwierige Zeit in seinem so temporeichen wie frechen Debütroman „Home Boy“ nun noch einmal Revue passieren.

Im Mittelpunkt seines Romans, dessen Handlung sich kurze Zeit nach 9/11 in New York abspielt, stehen drei junge Pakistani: AC alias Ali Chaudry aus Lahore, der Paschtune Jimbo alias Jamshed Khan, und der Ich-Erzähler Chuck alias Shahzad, der vier Jahre zuvor Karatschi verlassen hat, um in New York aufs College zu gehen. Noch genießen sie das Leben in New York und fühlen sich dort am Puls der Zeit. Sie hören Nuzrat Fateh Khan und Gangsta Rap; sie lesen russische Klassiker, postkoloniale Theorie und die „Village Voice“; sie hängen ab in den angesagten Szenetreffs und ahnen nicht, dass ihr Fest bald zu Ende sein wird.

Denn schon am ersten Abend nach 9/11 – Naqvi hakt die einschneidenden Ereignisse dieses Tages im Roman mit überraschend wenigen Zeilen ab – werden sie in einem Café, wo sie sich mit betretenen Gesichtern zur Lagebesprechung einfinden, als ‚Moslems‘ angemacht, und sie begreifen: Fortan ist nichts mehr, wie es war. Als sie sich kurze Zeit später auch noch auf die Suche begeben nach einem Freund – auch er ein Pakistani –, der in der Folge von 9/11 verschollen scheint, nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Sie werden vom FBI verhaftet und sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, islamistische Terroristen zu sein. Zwar kommen alle drei nach 48 Stunden Verhör wieder auf freien Fuß. Doch auf die Frage, wer sie sind und wohin sie gehören, müssen sie eine neue Antwort finden.

Naqvi, von Haus aus ein Slam-Poet, setzt all das mit wildem Witz und rasanten Dialogen in Szene – fast meint man, den Film zum Buch zu sehen. Dennoch klopft ein dunkles Herz unter der zynisch-aufmüpfigen Pose, mit der Naqvi seine Helden nach ihrer kulturellen Identität und ihrer wahren Heimat suchen lässt. Denn „Home Boy“ – von seiner äußeren Form her Entwicklungs-, Abenteuer- und New York-Roman zugleich – ist vor allem eine Reminiszenz an die brüchig gewordene Sicherheit, in der nicht nur Pakistanis, sondern Muslime generell seit dem 11. September in Amerika mehr schlecht als recht leben. Dementsprechend bitter-süß ist auch das überraschende Ende, das Naqvi, der selbst zwischen Karatschi und New York hin und her pendelt, seinem Helden Chuck vergönnt.

Besprochen von Claudia Kramatschek

Husain M. Naqvi: Homeboy
Aus dem amerikanischen Englisch von Beate Smandek
Verlag KiWi, Köln 2010
318 Seiten, 9,95 Euro