Drei Mal Schicksal

02.08.2013
Gilliéron wird trotz seiner Begabung kein Künstler, eine italienische Sängerin wird zur biederen Ehefrau und Felix Bloch, ein bekannter Pazifist, ist am Bau der Atombombe beteiligt. Der Autor Alex Capus erzählt von drei Schicksalen realer Persönlichkeiten.
Emile Gilliéron ist ein begnadeter Zeichner, der mit leichter Hand so trefflich akkurate wie hinreißende Menschenporträts und Architekturdetails aufs Papier zu werfen versteht. Eine Zukunft als Künstler scheint ihm gewiss. Doch dann ruft Heinrich Schliemann ihn zu sich nach Athen – und sein Leben geht andere Wege.

Laura d’Orianos Mutter ist eine zwischen Bagdad und Konstantinopel tingelnde italienische Sängerin, die mit gelupftem Rock und tiefem Dekolleté ihren mäßigen Gesang aufzupeppen versucht - was die Tochter verachtet. Sie will als Gesangskünstlerin an großen Bühnen auftreten. Doch auch ihre Stimme reicht nicht für die große Kunst. Und so landet sie erst in einer biederen Ehe mit einem Schweizer, dann in halbliederlichen Bars und schließlich in einem gänzlich unvermuteten Leben.

Felix Bloch ist der Dritte im Bunde dieser von dem Schweizer Schriftsteller Alex Capus gefundenen und weitergesponnenen Lebensgeschichten von Menschen, die es wirklich gab. Bloch ist ein hochbegabter Physiker und Pazifist, der in Zürich studiert, in Leipzig Assistent von Heisenberg wird, 1939 die amerikanische Staatsbürgerschaft und 1952 den Nobelpreis für Physik erhält. Dazwischen liegen aufregende Jahre, über die er fast nie mehr sprach.

Alex Capus ist ein herrlicher Schicksalsschreiber, der seine Figuren immer wieder mit dramaturgischer Finesse in das Weltgeschehen hineinwebt. So auch hier. Allerdings bleiben die drei Figuren gänzlich unverbunden miteinander. Nur vereint dadurch, dass sie alle um 1900 geboren wurden und das Leben sie in andere Richtungen treibt als geplant. Das hat den Autor wohl gereizt, weil sich für ihn so vielfältige Lücken auftun zwischen den möglichen und den tatsächlichen Lebenswirklichkeiten, die er lustvoll füllt, und in die sich der Leser vergnügt hineinliest.

So wird aus Emile Gilliéron in den Diensten Schliemanns ein Künstler der besonderen Art, der aus wenigen Funden ganze Tempelanlagen entwirft, diese malt und auf Schliemanns Geheiß sogar nachbauen lässt. Seine Zeichnungen verkaufen sich überdies bestens. Und wer will da die Grenze zwischen Kopie und Fälschung so genau bestimmen.

Aus der so schönen wie ehrgeizigen und sprachbegabten Laura d’Oriano wird eher zufällig eine Spionin, die für den französischen Geheimdienst im faschistischen Italien Schiffsbewegungen ausspäht, enttarnt wird und als einzige Frau in der Geschichte des Königsreichs Italien 1943 zu Tode verurteilt und hingerichtet wird.

Und Felix Bloch, der Jude und Pazifist, wird in der berühmt berüchtigten amerikanischen Wissenschaftsenklave Los Alamos mit Robert Oppenheimer und Edward Teller zusammen den Bau einer Atombombe ermöglichen.

Die Biographien sind glänzend recherchiert und gekonnt fiktionalisiert. Und doch fehlt dem Roman eine Dringlichkeit, eine Liebe, eine Sehnsucht, ein spürbares Leid. Fast zu routiniert erzählt der Autor von seinen schillernden Figuren, denen wir nicht wirklich nahekommen. So liest man das Buch eher mit vergnügter Wissbegier als mit leuchtender Leidenschaft.

Besprochen von Gabriele von Arnim

Alex Capus: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
Hanser Verlag, München 2013
282 Seiten, 19,90 Euro
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