Drastische Diva

In Filmen wie "Jezebel", "Alles über Eva" oder "Was geschah wirklich mit Baby Jane" hat Bette Davis die magische Ausstrahlung einer starken Frau geschaffen. Auch im wirklichen Leben ließ sie keine Möglichkeit einer entsprechenden Inszenierung aus. Anlässlich ihres 100. Geburtstags erscheint eine Biografie in deutscher Übersetzung, die leider zu anekdotenhaft geraten ist.
Sie war einer der größten Stars des amerikanischen Kinos. Fast zwei Jahrzehnte lang drehte Bette Davis für das Filmstudio der Warner Brothers vor allem Melodramen, die das weibliche Publikum zu Tränen rührten. Die Studiobosse lehrte sie das Fürchten, berüchtigt für ihren Perfektionismus und ihren Kampfgeist in Sachen Gagenhöhe.

Bette Davis spielte Animiermädchen, Boxerliebchen und Südstaatenprinzessinnen, stets rebellisch, eigensinnig und nicht ohne Zynismus. In "Jezebel" riskierte sie 1938 ihren gesellschaftlichen Stand und ihre Liebe, weil sie in Rot, nicht in Weiß zu einem Ball der Südstaatenfarmer erschien. In "Alles über Eva" nervt sie gekonnt als Theaterdiva auf dem Höhepunkt des Ruhmes und verliert die Rolle an ihren Schützling, eine junge intrigante Nachwuchsschauspielerin. In "Die jungfräuliche Königin" zeigte sie mit fast fünfzig Jahren ihren Mut zur Hässlichkeit, als sie darauf bestand, den Kahlkopf der englischen Königin Elisabeth I. zu zeigen. Unvergessen auch ihre Darstellung der Jane in "Was geschah wirklich mit Baby Jane", in der sie mit drastischer Suggestionskraft vorführt, wie ein frustrierter ehemaliger Kinderstar als alternde Frau den Verstand verliert.

Bette Davis war weder eine klassische Schönheit noch ein kokettes Püppchen, ihr Typ versprach Angriffslust und exzentrischen Aufruhr der Gefühle. Sie wusste, dass ihre Ausstrahlung auf der Leinwand eine Art Kunstwerk war, eine Frage von gutem Licht, schauspielerischem Handwerk und weiblichem Kampfgeist.

Charlotte Chandler beschreibt diese Wirkung in ihrem Buch "Bette Davis - Die persönliche Biographie", das zum hundertsten Geburtstag der Diva in deutscher Übersetzung erschienen ist. Bei der ersten Begegnung erwartete Bette Davis, längst eine alte Dame, die Autorin zum Interview in ihrem Apartment in einem New Yorker Hotel. Am Ende des Ganges stand der Star an der geöffneten Tür, aus dem Hintergrund beleuchtet und elegant gekleidet, mit blauen Lidschatten und tiefroter Lippenfarbe wie für eine große Szene zurechtgemacht.

Solche schillernden Momente der Selbstinszenierung, die vom Rollenspiel im Leben wie im Film erzählen, hätte man sich in Charlotte Chandlers Buch öfter gewünscht. Doch die Autorin geizt mit anschaulichen Szenen, mit der Schilderung konkreter Orte und Umstände ihrer Begegnungen. Leider versäumt sie auch, das Spiel der Davis in den hundert Filmen ihrer Karriere nach Höhepunkten, Ausdrucksqualitäten und Entstehungsgeschichten zu gewichten und zu bewerten. Die Filme komprimiert sie auf bloße, in den Text eingestreute Synopsen, obwohl der Inhalt nichts aussagt über die darstellerische Leistung.

Der Untertitel "persönliche Biographie" weist auf Chandlers Methode hin, ihre über Jahre hinweg geführten Gespräche auf einem Recorder festgehalten zu haben und den Strom des Anekdoten-Materials danach in einem lose chronologisch geordneten Puzzle-Stil zu servieren. Chandler, inzwischen eine Margaret-Thatcher-Lady von einigem Ruhm, eine Insiderin der Hollywood-Senioren, hat Bücher über Groucho Marx, Federico Fellini, Alfred Hitchcock, Mae West, Tennessee Williams, Billy Wilder und zuletzt Joan Crawford veröffentlicht - stets in derselben Machart, was die Autorin zumindest als gute Zuhörerin ausweist.

Das Bette Davis-Buch, das erst 2006, sieben Jahre nach deren Tod, im Original erschien, lebt in erster Linie von den Sprüchen der Diva und ihren Einsichten in die eigene Lebensgeschichte. Stärker als in anderen Biografien, die Davis zusammen mit männlichen Autoren verfasste, schlägt Chandlers Buch die Tonart typischen Frauenklatschs an.

Aus den Histörchen lassen sich mögliche Zusammenhänge filtern, die die komplexe Seele dieser Frau skizzieren. So erfährt man viel über Bette Davis’ prüde Erziehung und ihre spät erwachte Sexualität, über ihre nie gelungene Abnabelung von der Mutter und die Sehnsucht nach dem abwesenden Vater, von ihren vier gescheiterten Ehen und dem Desaster, das ihr die eigene Tochter in den letzten Lebensjahren mit einem rachsüchtigen Buch zufügte.

Bette Davis hat im Kino die magische Ausstrahlung einer starken Frau geschaffen, sie plädierte mit ihrem sarkastischen Resümee "Altern ist nichts für Feiglinge" und ihren drastischen Rollen für die Anziehungskraft älterer Schauspielerinnen, sie lebte vor, wie schwer Arbeit und Familie für eine Frau in Übereinstimmung zu bringen sind.

Das Leben, zeigt ihr Beispiel, schreibt die besten Geschichten, leider hat Charlotte Chandler kein gutes Buch daraus gemacht.

Rezensiert von Claudia Lenssen

Charlotte Chandler: Bette Davis. Die persönliche Biographie
Übersetzt von Dagmar Roth
LangenMüller, München 2008
382 Seiten. 19,90 Euro