Dr. Sommer, Fotoroman und Starschnitt

Von Gerd Brendel |
Wegen Anstiftung zur Onanie wurde die "Bravo" zweimal auf den Index für jugendgefährdende Schriften gesetzt. Doch auch die wachsamen Augen der Sittenwächter der prüden Bundesrepublik konnten den Siegeszug der "Bravo" nicht aufhalten. Generationen pubertierender Jugendlicher erhofften sich von Dr. Sommer Lösung für ihre Teenager-Probleme.
Trixi und Pitt dürfen kein Paar sein. Ich erfuhr die traurige Nachricht gestern im Wartezimmer meines Hausarztes auf Seite 59 der neuen "Bravo". Ich habe die "Bravo" zum letzten Mal gelesen, als ich ungefähr so alt war wie die frühreife Trixi: Jetzt bin ich ein bisschen älter als der viel zu alte Pitt, aber mit einem Mal war sie wieder da: Meine persönliche "Bravo"-Epoche.

Damals hießen Trixis Vorgängerinnen noch Claudia oder Susanne, aber auch schon damals versprach der Foto-Roman in Deutschlands bedeutendster Jugendzeitschrift die Lösung aller Teenager-Probleme für die nächsten Ausgaben. Das große Abenteuer Pubertät hatte begonnen, die Welt standt Kopf, aber die "Bravo" rückte sie wieder zurecht: Solange ein Gefühl nur echt ist, ist alles in Ordnung, verkündet jede bunte Seite des Magazins seit einem halben Jahrhundert. Meine Eltern fanden das damals überhaupt nicht und setzten das Heft auf ihre persönliche Verbotsliste, kurz bevor die obersten Sittenwächter der Republik sich ihrer Meinung anschlossen und zwei Ausgaben wegen angeblich Gesundheitsgefährdendem "Anstacheln" zur Onanie auf den Index für jugendgefährdende Schriften verbannten.

In der sechsten Klasse wies die "Bravo" dann doch meinem Begehren ihr erstes Ziel: Suzie Quadro in Einzelteilen: In stundenlanger Handarbeit schnitt und klebte ich mit meinem besten Freund den lebensgroßen Star-Schnitt der wilden Rockerin zusammen. Irgendwann hing sie mit ihren 1.70 so klein wie im richtigen Leben an der Wand, und an die Enttäuschung darüber, dass mir die Ikone auf Augenhöhe entgegen blickte, kann ich mich noch heute erinnern.

Die Stars und Sternchen, erkannte ich damals dank "Bravo", mögen schön, reich und sexy sein, aber irgendwie haben sie die gleichen Probleme wie ihre Fans: Von Elvis Presleys Liebeskummer bis zu Eminems Terror-Mutter. Trotzdem wurde ich in den nächsten Jahren "Bravo"-süchtig, verschlang die Schminktipps für "Kiss-Fans und die Homestories zu Nena. Erst als "Take that" an ihre Stelle trat, legte sich das Fieber.

Die Foto-Roman-Welten passten einfach nicht mehr zum eigenen Leben. Bis mir die neuste Ausgabe im Wartezimmer in die Hände fiel. Aber gerade als ich mich in die Ratschläge des Dr.Sommer-Teams an die Jugend von heute vertiefen wollte, wurde ich aufgerufen. Als ich zurückkam, war das Wartezimmer leer und das Heft verschwunden. Gut, dass ich die "Bravo" seit damals im Herzen trage.