Doppelt hält besser
Sowohl Vittorio Gnecchis Oper "Cassandra" als auch Richard Strauss’ "Elektra" behandeln den antiken Mythos der Atriden und ranken sich um die Gestalt des Königs Agamemnon. Da die beiden Werke aber auch musikalisch erstaunliche Parallelen aufweisen, kombiniert die Deutsche Oper Berlin beide Geschichten und inszeniert sie in einem abendfüllenden Programm.
Der Einakter "Elektra" gilt allgemein als durchaus abendfüllend. Zwar dauert der Psychoschocker von Richard Strauss nur knapp zwei Stunden, dafür schäumen die Emotionen so hoch wie in kaum einer anderen Oper. Drei Frauen singen sich laut und ausdauernd an, am Ende liegt das halbe Personal tot auf der Bühne und auch das monströs aufgeblähte Orchester zeigt sich am Ende schon mal erschöpft. Mehr kann der Opernfan für sein Geld nicht wollen. Und doch bekommt er in der neuesten Premiere der Deutschen Oper Berlin mehr, nämlich auch noch die Oper "Cassandra" des italienischen Strauss-Zeitgenossen Vittorio Gnecchi.
Strauss und Gnecchi wollten das Land der Griechen nicht mehr mit der Seele, sondern vielmehr mit den Nerven suchen. Beide verwandeln die blutrünstige Geschichte der Atridenfamilie in schwül-erotische Fallstudien der damals hochmodernen Psychoanalyse. Das Klischee der hysterisch keifenden Weiber will die Regisseurin Kirsten Harms in ihrer Inszenierung der beiden Opern jedoch auf jeden Fall vermeiden. Indem sie Gnecchis Oper in einer stark gekürzten Version vor "Elektra" stellt, möchte sie Klytämnestra rehabilitieren. Wer nur die Oper von Strauss kennt, könnte meinen, die Töchter Elektra und Chrysothemis hätten allen Grund, mit ihrem Bruder Orest die Mutter zu töten, weil sie einst den Vater Agamemnon gemeinsam mit ihrem Liebhaber Aegisth umbrachte.
Gnecchi erzählt jedoch die Vorgeschichte und motiviert so die Tat der Klytämnestra. Schließlich hatte Agamemnon einst das vierte Kind Iphigenie geopfert, außerdem hatte die Mutter gerade eine vielversprechende Affäre mit Aegisth begonnen. Grund genug, den alten Gatten aus dem Weg zu räumen. Diese Geschichte erzählt Kirsten Harms vor der bühnenhohen goldenen Wand ihres Ausstatters Bernd Damovsky ganz vorne an der Rampe. Erst zum Schluss öffnet sich die Wand und gibt den Blick auf einen Hinterhof des Palastes von Mykene, in dem nach der Pause "Elektra" spielen wird.
Susan Anthony gibt eine in der Höhe recht angestrengte Klytämnestra, Gustavo Porta einen recht kraftmeierischen Agamemnon. Die Musik erweist sich in ihrer Mischung aus Leoncavallo und Respighi als ungemein wirkungsvoll, auch wenn der Dirigent Leopold Hager längst nicht alle Raffinessen der Partitur zum Leuchten bringt. Auch bei Strauss bleibt sein Zugang viel zu selbstverliebt, berauscht Hager sich allzu sehr an Feinheiten der Mittelstimmen, reduziert das Tempo so stark, dass der Spannungsfaden immer wieder abreißt.
Hinzu kommt, dass Jeanne-Michèle Charbonnet den Gesang der rachsüchtigen Königstochter mit unkontrolliertem Vibrato, herausgeschrieenen Spitzentönen und allerlei stilistischen Geschmacklosigkeiten zu einer argen Geduldsprobe für jeden Strauss-Liebhaber macht.
Manuela Uhl singt eine in ihren Sehnsüchten berührende Chrysothemis, während Alfred Walker als schließlich den Mord ausführender Bruder Orest stimmlich und darstellerisch blass bleibt. Jane Henschel hingegen lotet als Klytämnestra in der Auseinandersetzung mit ihrer Tochter die gesamte psychologische Tiefe der Strauss’schen Partitur aus und Reiner Goldberg zeigt in der kleinen Szene des todgeweihten Agisth, wie mühelos eine gut sitzende, technisch souverän geführt Stimme über das große Orchester kommt.
Kirsten Harms erzählt die Geschichte der immerwährenden Spirale aus Rachsucht und Vergeltungszwang akkurat nach und erhält als Lohn jenen Publikumszuspruch, den die Deutsche Oper derzeit dringend braucht.
Strauss und Gnecchi wollten das Land der Griechen nicht mehr mit der Seele, sondern vielmehr mit den Nerven suchen. Beide verwandeln die blutrünstige Geschichte der Atridenfamilie in schwül-erotische Fallstudien der damals hochmodernen Psychoanalyse. Das Klischee der hysterisch keifenden Weiber will die Regisseurin Kirsten Harms in ihrer Inszenierung der beiden Opern jedoch auf jeden Fall vermeiden. Indem sie Gnecchis Oper in einer stark gekürzten Version vor "Elektra" stellt, möchte sie Klytämnestra rehabilitieren. Wer nur die Oper von Strauss kennt, könnte meinen, die Töchter Elektra und Chrysothemis hätten allen Grund, mit ihrem Bruder Orest die Mutter zu töten, weil sie einst den Vater Agamemnon gemeinsam mit ihrem Liebhaber Aegisth umbrachte.
Gnecchi erzählt jedoch die Vorgeschichte und motiviert so die Tat der Klytämnestra. Schließlich hatte Agamemnon einst das vierte Kind Iphigenie geopfert, außerdem hatte die Mutter gerade eine vielversprechende Affäre mit Aegisth begonnen. Grund genug, den alten Gatten aus dem Weg zu räumen. Diese Geschichte erzählt Kirsten Harms vor der bühnenhohen goldenen Wand ihres Ausstatters Bernd Damovsky ganz vorne an der Rampe. Erst zum Schluss öffnet sich die Wand und gibt den Blick auf einen Hinterhof des Palastes von Mykene, in dem nach der Pause "Elektra" spielen wird.
Susan Anthony gibt eine in der Höhe recht angestrengte Klytämnestra, Gustavo Porta einen recht kraftmeierischen Agamemnon. Die Musik erweist sich in ihrer Mischung aus Leoncavallo und Respighi als ungemein wirkungsvoll, auch wenn der Dirigent Leopold Hager längst nicht alle Raffinessen der Partitur zum Leuchten bringt. Auch bei Strauss bleibt sein Zugang viel zu selbstverliebt, berauscht Hager sich allzu sehr an Feinheiten der Mittelstimmen, reduziert das Tempo so stark, dass der Spannungsfaden immer wieder abreißt.
Hinzu kommt, dass Jeanne-Michèle Charbonnet den Gesang der rachsüchtigen Königstochter mit unkontrolliertem Vibrato, herausgeschrieenen Spitzentönen und allerlei stilistischen Geschmacklosigkeiten zu einer argen Geduldsprobe für jeden Strauss-Liebhaber macht.
Manuela Uhl singt eine in ihren Sehnsüchten berührende Chrysothemis, während Alfred Walker als schließlich den Mord ausführender Bruder Orest stimmlich und darstellerisch blass bleibt. Jane Henschel hingegen lotet als Klytämnestra in der Auseinandersetzung mit ihrer Tochter die gesamte psychologische Tiefe der Strauss’schen Partitur aus und Reiner Goldberg zeigt in der kleinen Szene des todgeweihten Agisth, wie mühelos eine gut sitzende, technisch souverän geführt Stimme über das große Orchester kommt.
Kirsten Harms erzählt die Geschichte der immerwährenden Spirale aus Rachsucht und Vergeltungszwang akkurat nach und erhält als Lohn jenen Publikumszuspruch, den die Deutsche Oper derzeit dringend braucht.