Donda-Stem-Player von Kanye West

Splitten, scratchen und loopen

08:01 Minuten
Kanye West bei einem Auftritt auf der Bühne
Einen eigenen Mix gestalten: Das soll jede und jeder mit dem Donda-Stem-Player von Kanye West können. © picture alliance / AP Photo / Amy Harris
Von Goetz Steeger · 13.10.2021
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Dass Popmusiker Tonspuren ihrer Songs ins Netz stellen und die Fans zum Remixen auffordern, ist nicht neu. Die Sängerin Courtney Barnett und der Rapper Kanye West aber liefern Werkzeuge, mit denen man ihre Songs noch weiter verändern kann.
Auf seinem Ende August erschienenen Album "Donda" will Kanye West seine Fans mit Auto Tune, Rap und R&B auf den rechten Weg zu Jesus bringen.
Aber das eigentliche Begleitspektakel dieses Albums ist der zeitgleich auf den Markt gekommene Donda-Stem-Player, ein Gadget, das nicht nur den Genuss des Albums in eine neue Dimension katapultieren, sondern angeblich das Hörverhalten überhaupt revolutionieren soll.
Mit dem vom Londoner Start-up-Unternehmen Kano hergestellten Player kann jeder seinen eigenen Mix gestalten, Effekte hinzufügen oder Loops setzen. Wer mit Musik-Software wie Logic oder Cubase affin ist, wird sich zu Recht fragen, was daran denn so neu ist.
Ganz einfach: Nicht nur Spezialisten oder Interessierte, nein, jeder Musikkonsument soll durch den Player zum Akteur werden. Gerne hätte ich das selbst ausprobiert, aber die Player sind bis dato noch nicht nach Europa lieferbar.
Ein YouTube-Demo zeigt, was der Donda-Stem-Player so alles kann. Wie eine faustgroße Tablette liegt er in der Hand und wird mit dem Daumen bedient. Vier kreuzförmig angeordnete LEDs blinken und zeigen an, welche Funktionen gerade angewählt sind.
Jeder geladene Track kann in vier Spuren gesplittet werden: Gesang, Drums, Bass und der Rest. So lässt sich die Stimme solo hören, die Drums, der Bass und der gesamte Rest.
Auch die Geschwindigkeit lässt sich verändern. Durch lässiges Hin-und-Her-Switchen mit dem Daumen kann man so auch scratchen wie ein DJ und einzelne Stellen loopen.

Erinnerung an lärmendes Spielzeug

Dass das Ganze wirklich bei jedem Song funktioniert, will das Video anhand von Marvin Gayes "What’s Going On" demonstrieren, indem auch hier Gesang, Bass und Drums isoliert werden.
Vielleicht ist gerade das Marvin-Gaye-Beispiel absichtlich ein bisschen kurz gehalten, denn hier werden die Grenzen deutlich: Alles greift ja in einem kompletten Mix ineinander, und auch ein kluger Algorithmus kann etwa den Hall der anderen Instrumente nicht aus der Drumspur heraustrennen.
Stems sind ja auch Instrumentengruppen und keine einzelnen Spuren – also der komplette Chor mit Hall und sonstigen Effekten und nicht seine unbearbeiteten Einzelstimmen.
Mich erinnert das an die Zeit der Sampler, als Geräusche in jeder Tonhöhe per Keyboard-Tastatur abgespielt werden konnten. Nur kurz eine revolutionäre Neuerung, dann ein lärmendes Spielzeug, mit dem Kinder die Eltern in den Wahnsinn treiben konnten.

Retromäßig analoges Mischpult

Bei Courtney Barnett dient das Ganze eher als Teaser für ihr neues Album und nicht als eigene Verkaufsidee.
Drei Songs können auf ihrer Website mit einem Stem-Mixer bearbeitet werden – optisch durchaus passend retromäßig als analoges Mischpult dargestellt mit Schiebereglern. Acht Spuren gibt es. Jede Spur hat einen Solo-Schalter. Was hier nicht ernsthaft betrieben werden kann, ist das Loopen, Start- und Endpunkt sind nur ungefähr zu setzen.
Das lohnende Erlebnis hier ist die hörbare Expertise, mit der die Instrumente vorgemischt wurden.
Die weltweiten Courtney-Barnett-Fans feiern das etwa auf Facebook ab – als Möglichkeit, in die Spuren reinzuhören und damit ein bisschen herumzuspielen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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