Donald Runnicles dirigiert die Berliner Philharmoniker

Geistliche und weltliche Visionen

Rundfunkchor Berlin
Der Rundfunkchor Berlin assistiert den Philharmonikern in diesem französischen Programm © Matthias Heyde
02.04.2015
Musik der Trauer, Musik des Trostes - der britische Dirigent Donald Runnicles, musikalischer Leiter der Deutschen Oper Berlin, und die Berliner Philharmoniker erkunden die verschiedenen Visionen zumeist dunkel gefärbter Musik, die französische Tonsetzer geschrieben haben und die sehr selten zu hören ist.
Wie ein Fluch liegt der Rompreis über der französischen Musikgeschichte: Dieses rigoros reglementierte Stipendium für die Ewige Stadt musste erhalten, wer sich in Paris als Komponist sicher etablieren wollte. Der damit verbundene Wettbewerb, der vom Beginn des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts abgehalten wurde, gehört zu den kuriosesten Phänomenen der Musikgeschichte: Der Jury gelang es nämlich mit auffallender Treffsicherheit, den jeweils bedeutendsten Komponisten aus dem Rennen zu werfen. Hector Berlioz und Claude Debussy mussten etliche Anläufe unternehmen, um das ungeliebte Stipendium zu ergattern; Paul Dukas, Maurice Ravel und Olivier Messiaen scheiterten gar auf ganzer Linie und fanden nie einen Weg nach Rom.
Messiaens „Hymne", mit der das Konzertprogramm beginnt, entstand 1931 aus einer akuten Rompreis-Frustration heraus und zeigt eindrucksvoll – als musikalische Verklärung der katholischen Sakramente –, was für ein Genie sich die Sittenwächter der Harmonielehre (die Rompreisjuroren) da haben entgehen lassen. Debussys folgende, äußerst selten aufgeführte Kantate „La Damoiselle élue" („Die auserwählte Jungfrau") wurde 1889 im Rahmen des Rompreis-Stipendiums komponiert. Das Werk erzählt von einer Jungfrau, die sich im Jenseits nach ihrem Geliebten sehnt und dokumentiert Debussys Auseinandersetzung mit der versponnenen Welt der englischen Präraffaeliten – die Jury war, man kann es sich denken, not amused.
Maurice Duruflé versuchte gar nicht erst, sich für den Rompreis zu bewerben – und brauchte es auch nicht zu tun, da er in erster Linie als Organist tätig war. Aus seinem schmalen Werkverzeichnis ragt das Requiem op. 9 hervor, das unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg der Monumentalität des Schreckens eine in sich gekehrte, geradezu mönchische Musik entgegenhielt.
In diesem erlesenen Konzertprogramm, das wir in einer Aufzeichnung aus der Philharmonie senden, sucht also jeder Komponist mit seinem Werk auf spezielle Weise eine Ahnung von der Ewigkeit zu vermitteln.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnungen vom 10.-12. März 2015
Olivier Messiaen
Hymne für Orchester
Claude Debussy
„La Damoiselle élue", Poème lyrique für Sopran, Mezzosopran, Frauenchor und Orchester
Maurice Duruflé
Requiem für Soli, Chor, Orchester und Orgel op. 9
Martina Welschenbach, Sopran
Kelley O'Connor, Mezzosopran
Noel Bouley, Bariton
Rundfunkchor Berlin
Berliner Philharmoniker
Leitung: Donald Runnicles