Dokumentation über Angela Merkel

Auf Bierkisten-Niveau

07:37 Minuten
Bundeskanzlerin Angela Merkel winkt.
Die Dokumentation "Angela Merkel - Frau Bundeskanzlerin" zeigt einen Rückblick auf 16 Jahre Kanzlerinnenschaft. © picture-alliance / AP Pool / Markus Schreiber
Matthias Dell im Gespräch mit Andrea Gerk |
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Die Journalisten Stefan Aust und Katrin Klocke haben einen Mehrteiler über Angela Merkel produziert. Die "TV Now"-Doku sei eine Mischung aus nicht belegbaren Mutmaßungen und Steilvorlagen für "Merkel muss weg"-Rhetoriker, sagt unser Kritiker.
Die letzten Amtshandlungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel häufen sich gerade. Damit geht eine beispiellose Karriere zu Ende, denn Merkel war die erste Frau an der Spitze von CDU und Bundesregierung, die erste Ostdeutsche dazu. "TV Now", das Streamingportal von RTL, zeigt ab 29. Juni eine fünfteilige Doku-Serie, die sich der Ära Merkel widmet.
Die Dokumentation "Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin" von Stefan Aust und Katrin Klocke greife dabei ausschließlich auf Archivmaterial zurück und werde von den beiden Journalisten kommentiert, sagt unser Kritiker Matthias Dell. Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen kämen mit ihrer Sicht der Dinge nicht zu Wort. In fünf Stunden werde Merkels Leben und Kanzlerinnenschaft einfach chronologisch nacherzählt.

Mutmaßungen ohne Grundlagen

Insgesamt hält Dell die Serie für misslungen. Nicht so sehr, weil sie auf eine künstlerisch interessante Herangehensweise verzichte, sondern weil Aust und Klocke der Bundeskanzlerin immer wieder etwas andichteten und Mutmaßungen anstellten, die jeder Grundlage entbehrten.
Beispiel: Merkels gutes Abschneiden als Jugendliche bei der Russisch-Olympiade in Moskau im Jahr 1969. "Da heißt es in der in der Doku: 'So arbeitete sie sich in der Königsdisziplin nach vorn, bis sie sogar in der Hauptstadt des Sowjetreiches vorsprechen durfte'", so der Kritiker.
Statt ihren Erfolg als einen Beleg für Ehrgeiz und Intelligenz zu deuten, werde hier durch die Wortwahl quasi ein Rendezvous mit dem damaligen sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew unterstellt. "Vom Schülerwettbewerb direkt in den Kreml", kritisiert Dell. "Das ist natürlich sehr albern."
Man könne nicht einmal sagen, "dass das westdeutsche Autorenteam aus Aust und Klocke das nicht weiß. Denn gleich danach kommt in der Doku als Archivmaterial ein Original-O-Ton aus einer 90er-Jahre-Doku, der das Problem erklärt: 'Und die Allerbesten gingen dann zur internationalen Olympiade nach Moskau, unter anderem auch Angela Merkel und weitere Schüler aus Templin'."
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Bürochef des Polit-Magazins "Der Spiegel". Gabor Steingart, sowie dessen Chefredakteur Stefan Aust (r) stehen am 08.05.2006 in Berlin in den "Spiegel"-Redaktionsräumen am Brandenburger Tor. Z Foto: Soeren Stache +++(c) dpa - Report+++
Stefan Aust traf während seiner Zeit als "Spiegel"-Chefredakteur (das Foto entstand 2006) wiederholt auf Angela Merkel.© picutre alliance / dpa-Zentralbild / Soeren Stache
Immer wieder dichte die Dokumentation der Templiner Pastorentochter Merkel eine Nähe zum DDR-System an, die sie nicht gehabt habe. Das ziehe sich aber durch die ganze Serie bis zur Verleihung der Freiheitsmedaille in den USA 2011. Es werde so getan, als habe sie sich da etwas erschlichen, was den ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern zustehe. Dabei habe sich Merkel damit nie geschmückt, so Dell.

"Das ist keine Art, über Leute zu sprechen"

Auch werde immer wieder herausgearbeitet, "dass Merkel abgehoben sei, und mit den Medien unter einer Decke steckt." In einer Szene bei einem ZDF-Sommerempfang 2005 werde sie von den Autoren als "Kanzlerdarstellerin" bezeichnet und ihr Vorgänger Helmut Kohl als "der abgehalfterte Altkanzler".
Dell meint dazu: "Man muss kein Fan von Helmut Kohl sein, um festzustellen, dass das keine Art ist, über Leute zu sprechen – zumindest wenn man seriös oder informativ Poliitk beschreiben will."
Die Machart erinnere ihn an den Ex-"Spiegel" und Ex-"Welt"-Redakteur Matthias Matussek, der bei einem "Merkel muss weg"-Auflauf in Hamburg auf eine Bierkiste gestiegen sei, um eine Rede zu halten. "In diesem Sinne könnte man sagen: Diese Dokuserie ist Journalismus kurz vor der Bierkiste, also, jenseits von Standards und Interessen."
Besonders unangenehm findet Dell, dass der Ton der Dokumentation vermutlich willkommenes Futter für Rechte mit ihren Anti-Merkel-Parolen sei. "Überraschend ist, dass die UFA von Produzent Nico Hofmann Dokuserien bauen, aus denen sich dann die Bierkistenfreunde und 'Merkel muss weg'-Demonstranten bedienen können."
(mkn)
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