Dokumentarfilm "The Artist & The Pervert"

Sklavin und Muse

09:03 Minuten
Georg Friedrich Haas und Mollena Williams-Haas in einem Whirlpool während der Flitterwochen.
Georg Friedrich Haas und Mollena Williams-Haas im Film "The Artist & The Pervert". © The Artist & The Pervert
Beatrice Behn und René Gebhardt im Gespräch mit Shanli Anwar · 24.10.2018
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Weißer, älterer, reicher Herr – seines Zeichens österreichischer Starkomponist – dominiert seine schwarze Frau beim Sex und im Alltag? Im Dokumentarfilm "The Artist & The Pervert" sei das nur auf den ersten Blick so, erklärt Filmemacherin Beatrice Behn.
Der Dokumentarfilm "The Artist & The Pervert" erzählt von Georg Friedrich Haas und seiner Frau Mollena Williams-Haas: Er ist österreichischer Star-Komponist aus einer Nazi-Familie. Sie ist Abkömmling von Sklaven und war "International Ms. Leather".
Die beiden sind in der sogenannten Sado-Maso-Szene aktiv, in der Dominanz und Unterwerfung, Fesselspiele und das Hinzufügen von Schmerzen als Lustgewinn empfunden werden. Sie leben in einer offenen BDSM-Beziehung, in der sie seine Sklavin und Muse ist. (BDSM steht für Bondage, Discipline, Dominance, Submission, Sadism und Masochism.)
Die Filmemacher Beatrice Behn und René Gebhardt haben ihre Liebe festgehalten. Es geht um eine radikale Selbsterkundung, bei der das Paar die Kamera sehr nah an sich herangelassen hat.
Geplant ist, dass der Film im nächsten Jahr ins Kino kommt. Bislang war er unter anderem auf dem griechischen Filmfest in Thessaloniki zu sehen. Am Sonntag, 28. Oktober 2018, wird er auf dem Porn Film Festival in Berlin gezeigt.
Wer ist hier Künstler oder Künstlerin, wer ist der oder die Perverse? "Es geht in diesem Film, um das Auflösen sämtlicher Kategorien", sagt Beatrice Behn. Die Kontaktaufnahme zu dem Paar verlief auf ungewöhnliche Weise:
"Er hat auf einem BDSM-Portal ein Konto. Und ich habe ihn da angeschrieben", erzählt Behn. "Traditionell ist es ja so, dass ältere, weiße, dominante Männer nicht so wahnsinnig viele Zuschriften kriegen. Ich habe ihn als Frau angeschrieben, und das hat er sofort gelesen. Ich weiß nicht, ob er enttäuscht war, dass da nichts lief und wir nur einen Film machen wollten." (lacht)

Links und Feminist

Als Georg Haas merkte, dass er dominant ist, war das eine Überraschung für ihn. Er sieht sich als Feminist, als eher linksorientierter Mensch. Eine BDSM-Beziehung zu haben, widersprach seiner politischen Vorstellung. Er hat sich auf eine solche Beziehung eingelassen und empfindet sie als erfüllend.
Beatrice Behn: "Wir waren im richtigen Augenblick da. Denn er ist jemand, der 40 Jahre gebraucht hat, um sich zu trauen so zu leben, wie er eigentlich leben möchte. Er hat das jetzt endlich mit seiner Frau Mollena umsetzen können und hat ein bisschen ein Sendebedürfnis gehabt, um anderen zu zeigen, dass man auf keinen Fall so lange warten darf."

"Es ist okay, dass du mich dominierst!"

Die Rollenverteilung beim Sex und im Alltag sei eine bewusste Absprache zwischen den beiden gewesen, betont Behn:
"Die haben das einmal als gesamtes Konstrukt durchdacht und haben zusammen – und da geht es um Gleichberechtigung und da kommt auch der Feminismus ins Spiel – beschlossen: So wollen wir das handhaben! Es ist okay, dass du mich dominierst! Eigentlich ist das so eine klassische 1950er-Jahre-Beziehung. Sie ist zu Hause, sie kocht für ihn, sie guckt, dass um ihn herum alles so stimmt, dass er sich 15 Stunden am Tag darauf konzentrieren kann zu komponieren. Sie macht das nicht, weil sie muss, sondern weil sie das will."

Heftige Reaktionen

Trotzdem gab es heftige Reaktionen auf den Film – unter anderem nach einem Bericht in der "New York Times". Vor allem wird Mollena Williams-Haas dafür kritisiert, dass sie sich als schwarze Frau unterwirft, die Sklaven als Vorfahren hat. Es sei eine Form von Selbsthass, wird ihr vorgeworfen – und sie empfindet gerade solche Vorwürfe als rassistisch, erklärt Behn. Werden Sexismus und Rassismus hier neu verhandelt?
"Sie definiert das Wort Sklavin für sich neu um. So wie auch in der queeren Community das Wort queer neu gedeutet wurde und das jetzt etwas ist, mit dem man kraftvoll in die Öffentlichkeit geht. Sie empfindet, wenn Leute sagen, du darfst dich nicht Sklavin nennen und dich unterwerfen, weil du eine Afroamerikanerin bist, dann ist das auch Rassismus. Faktisch sagt man hier wieder: Auf Grund deiner Hautfarbe gibt es etwas, das du nicht machen darfst."

Das 13. Porn Film Festival Berlin findet bis zum 28. Oktober statt.

(cosa)
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